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Iron Maiden - Maiden England '88 (2-DVD)

Iron Maiden - Maiden England '88 (2-DVD)
Stil: Heavy Metal
VÖ: 22. Februar 2013
Zeit: ca. 250 Min.
Label: EMI Music
Homepage: www.ironmaiden.com

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Im Sommer des Jahres 1988 (meine lieben Kinder, das ist jetzt 25 Jahre her, ja?) machten sich drei spaßige Gestalten in einem gelben Kombi auf den Weg ins Frankenland, genauer gesagt nach Schweinfurt. Dort trugen sich des nächtens dann bemerkenswerte Szenen zu, von Sachbeschädigung stand in der Lokalpresse Schweinfurter Tagblatt dann zu lesen, von Randalen, von antibürgerlichen, langhaarigen Störenfrieden. Ja, es gab eine Zeit in der Metal noch nicht in der bürgerlichen Mitte war und wo es noch als sehr bedenklich galt, Formationen für soziale Randgruppen wie, na sagen wir Metallica oder AC/DC überhaupt zu erwähnen. Das schreckte unsere Recken nicht, man bestaunte das Chaos, das nicht zuletzt an einem vollkommen überforderten Festival-Organisator lag, und sah den Ereignissen des Folgetages dennoch mit gespannter Erwartung entgegen.

Die war denn auch gerechtfertigt, denn neben Anthrax (frisch mit State Of Euphoria im Gepäck, wozu man entsprechend bedruckte kurze Hosen erwerben konnte) und den für Megadeth einspringenden Testament ("Into The Pit" als Opener, das war gewaltig!) gab sich ein gewisser David Lee Roth die Ehre, dessen alberne Kletterei auf den Boxentürmen mit einem rhythmisch skandierten "Spring doch!" gewürdigt wurde (schade, er tat es nicht...). Dann durfte ich erstmals einen Live-Auftritt meiner ehemals doch größten Helden Kiss erleben, "Deuce" unmaskiert und am hellichten Tag - naja, war trotzdem fein. Aber dann kam die Hauptattraktion (und auch der Grund warum ich das alles daherbringe, ich bitte um Geduld!) - und das waren die auf einem Höhepunkt ihres Schaffens stehenden Iron Maiden.

Die hatten mit Seventh Son Of A Seventh Son ein durchaus komplexes, progressives und ungewöhnliches Werk herausgebracht, das die Richtung des Vorgängers Somewhere In Time mit elektronischen Einsprengseln und teilweise überraschend kommerziellen Elementen nahtlos fortsetzte. Das Ding war für uns damals das Größte seit der Erfindung des geschnittenen Brotes, und nachdem wir die Herren Somewhere On Tour leider nicht hatten miterleben können (das war damals a) auf der in Offenbach und b) während der Woche. Hey, wir waren jung, ok??), stieg die Spannung ins Unermessliche. Wir wurden nicht enttäuscht. Vom eröffnenden Reißer "Moonchild" war das schwermetalliches Breitwandkino vom aller aller nobelsten. Aufgebaut hatten sie so eine Art Eislandschaft, und durch die tobten Steve Harris und vor allem ein in seltsamen weißen Stiefeln gekleideter Bruce Dickinson wie die Derwische. Nach zwei Stunden war der Rausch leider vorbei, es blieb die Erinnerung an ein konzertantes Highlight, das über die Jahre nur wenig verblasste. Relativ bald danach brachte man, schon immer geschäftstüchtig, ein entsprechendes Live-Video in die heimischen VHS-Rekorder: unter dem Titel Maiden England durfte man hier ein Konzert der gleichen Tournee verfolgen, aufgezeichnet in Birmingham, und das wanderte bei mir nicht nur in die Sammlung, sondern auch auf Kassette in den Rekorder im Auto (nein, meine lieben Kleinen, das ist nicht erfunden, so war das damals!). Nun, irgendwann fiel das Teil dann doch ein wenig der Vergessenheit anheim, zumal Maiden nach der eher schwachen No Prayer For The Dying und der Rückmeldung Fear Of The Dark dann ins kreative Trudeln der 90er gerieten.

Mittlerweile sind die Kollegen aber ja vor allem Live auf ihrem absoluten Zenit angekommen und arbeiten sich neben aktuellem Material gerne auch mal durch ihren mehr als respektablen Back-Katalog - so etwa auf der Somewhere Back In Time-Tour, auf der sich die Glücklichen, die nach Wacken gepilgert waren, der Göttergabe eines Sets erfreuen konnten, das aus Schätzen von Powerslave und Somewhere In Time bestand. Nun, wir mussten das ja "nur" auf dem wunderbaren Flight 666 bestaunen, aber dieses Jahr rücken die Herren um Cheffe Harris (eben noch auf Solotour, jetzt wieder in Haupt-Amt und Würden) wieder mit einem History-Set an - und dieses Mal kredenzen sie uns frisch zum 25jährigen Jubiläum (vergleichen Sie bitte die Eingangsbemerkung - Lob für die geschickte Textkonstruktion wird honoriert) der Seventh Son-Tournee eine Konzertreise, auf der man eben die Songs bestaunen darf, die 1988 in Schweinfurt ins weite (naja es war recht eng am Mainufer) Rund gefeuert wurden. Nachdem Herr Harris nie um eine Geschäftsidee verlegen ist, darf man sich nicht wundern, dass er just im gleichen Jahr das seinerzeitige Video zur Tour aufgemöbelt und mit fetten Extras unters Volk bringt. Wie immer gilt das gleiche Phänomen: braucht man das unbedingt, ist das künstlerische Weiterentwicklung, ist das moralisch-ethisch einwandfrei? Antwort: Nein. Aber ebenfalls wie immer, interessiert das? Ebenfalls nein, wenn das Zeug so genial und damit halt doch wieder unverzichtbar ist.

Das Videomaterial ist wie aus dem Hause Maiden gewohnt mehr als ordentlich aufbereitet, auf DVD 1 findet sich die Aufzeichnung des besagten Seventh Son-Konzertes vom 27. und 28. November 1988 in Birmingham, das mit 5.1-Sound versehen (neu abgemischt von Kevin Shirley) sehr ordentlich aus den wohnzimmerlichen Boxen knallt. Dem Waschzettel zu Folge wurde jede einzelne Aufnahme digitalisiert und Farbkorrekturen vorgenommen, Meister Harris selbst hat einen neuen Schnitt besorgt - Respekt. Auf einer kleinen Bildcollage am Anfang darf man einen langhaarigen Dickinson und seine Freunde in schwarzen Spandex-Hosen bestaunen, bevor zu einer massiven Explosion "Moonchild" das Set zünftig eröffnet. Die Stimmung kocht sofort, die Band gibt mächtig Gas, und vor allem Chefpilot Bruce zeigt sich stimmlich massiv auf der Höhe, was bei Live After Death und vor allem auf der bocklosen Fear Of The Dark-Tournee beileibe nicht immer gegeben war. Die folgenden zwei Stunden enthalten eine Perle nach der anderen, neben live leider in letzter Zeit lange nicht mehr gehörten Klassikern wie "Killers" (eine Dampframme ist nix dagegen, das kracht derartig) oder "Die With Your Boots On" finden sich fast vergessene Leckerbissen wie "Still Life" (das mit dem Pool, meine Herren ist das genial!) und "Infinite Dreams". Hinweis an die Zuschauer an dieser Stelle: es wird dringend empfohlen, sperrige Möbel beiseite zu räumen, da man den ganzen Raum zum Umherspringen und Luftgitarre betätigen benötigt. Selbst das schon damals etwas grenzwertig auf Hit getrimmte "Can I Play With Madness" kommt gut. Seinerzeit nicht auf dem Video war der Zugabenblock, den man für die DVD nun abgestaubt hat, so dass wir ein durchaus brauchbares "Run To The Hills", "Running Free" und "Sanctuary" erleben können. Der Herr Eduard tritt als herumfuchtelnder Torso vor dem Schlagwerk des Herrn Nicko auf, bevor dann Schicht ist.

Aber damit nicht genug, die Kollegen waren ja immer schon gut auf der Videofront vertreten, und so packt man dann auf DVD 2 das seinerzeit schon herausragende Doku-Video 12 Wasted Years aus dem Jahr 1987 dazu, das den Werdegang der Band bis zu Somewhere In Time nachzeichnet. Hierin finden sich dann Preziosen wie uralte Pub-Auftritte, ein Interview mit einem noch nicht vollkommen aufgedunsenen Paul di'Anno und lockere Gespräche mit den Streitern in jeweils durchaus zartem Alter. Sogar das legendäre Ausweiden von Eddie aus dem WDR-Rockpalast, das dem ZDF damals zu heftig schien und daher auf dem Boden des Schneideraums landete, ist hier wieder zu entdecken. Wem das noch nicht genügt, der findet auf der Scheiblette auch noch Teil Drei der Geschichtsstunde The History Of Iron Maiden (die ersten Teile fanden sich auf den DVDs The Early Days und Live After Death). Außerdem enthalten sind fünf Promotionvideos zu Singleauskopplungen von Somewhere In Time und Seventh Son. Wem die DVD zu viel ist, der kann sich das restaurierte Konzert auch nur auf CD holen.

Insgesamt wieder einmal eine lehrreiche Stunde, wie man immer neues/altes Material bestens aufbereitet sowie präsentiert - und warum Maiden, ich muss es jetzt halt doch erneut feststellen, die beste Band der Welt waren, sind und bleiben. Jetzt rufe ich HammerHeizer an und frag, ob er noch weiß, wie wir 1988 in Schweinfurt Sturzbier getrunken haben...

NACHSCHLAG: Der erwähnte Artist formerly known as HammerHeizer zeigte sich zuverlässig und lieferte natürlich eine entsprechende Gebrauchsanweisung, die wir im Folgenden gerne zitieren:

"Sturzbier ist seit der Einführung des Dosenpfand nicht unmöglich, aber schwieriger und teurer geworden. "Und dem geht so": In die Bierdose wird unten seitlich ein Loch gestochen (Dose seitlich halten!). Ich habe damals "im Rahmen meiner Ausbildung" [Anm. d. Red.: der Mensch hat ein redliches Handwerk, genauer gesagt das ehrbare Schlosser-Gewerbe erlernt] ein spezielles Werkzeug zusammengeschweißt - hängt immer noch bei mir in der Werkstatt! Die Dose setzt man dann am Mund an. Anschließend öffnet man den Verschluss der Dose. Dadurch entleert sich die Dose sehr schnell."

So, meine Lieben, das testen wir jetzt aus...

Holgi

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