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Within Temptation - The Unforgiving

Within Temptation - The Unforgiving
Stil: Gothic Metal
VÖ: 25. März 2011
Zeit: 65:30
Label: Sony Music
Homepage: www.within-temptation.com

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Mit Holländern ist das ja immer so eine Sache, das erfahren derzeit leidgeprüfte Anhänger eines gewissen lokalen Ballsportvereins auf besondere Art. Aber auch für unsere Freunde um Mastermind Robert Westerholt gilt das Nämliche: Within Temptation sind immer wieder mal für Überraschungen gut. So etwa geschehen mit der symphonischen, durchaus heftigen Bombastattacke The Heart Of Everything, mit dem sie den allzu balladenlastigen Vorgänger The Silent Force im Handstreich zum Sekundärwerk degradierten und das dann als Konzert-Mitschnitt Black Symphony berauschend-mächtig als Feuerwerk für alle Sinne (die meisten jedenfalls, olfaktorisch war nix dabei) inszeniert wurde. Dann der andere, ruhende Pol, die Live-Perle An Acoustic Night At The Theatre, auf der dann die so dramatisch-majestätischen Stücke in schlichtem, akustischen Gewand - aber um kein Jota weniger magisch - zelebriert wurden.

Und nun? Orchesterattacke, schräge Romantik wie früher, Balladen, Akustik - was erwartet den geneigten Freund der symphonischen Spielart? Kurz und gut, erneut eine unerwartete Wendung. Denn wenn man auch in der Vergangenheit immer wieder einmal geneigt war, dem Material Soundtrack-Qualitäten zu attestieren und mit "The Howling" eine Nummer von The Heart Of Everything in der Tat als Begleitung zum PC-Fantasy-Abenteuer The Chronicles Of Spellborn fungierte, hatte man bislang noch keine direkte mediale Verknüpfung unternommen. Und genau die liefert The Unforgiving nun - denn das gesamte Werk ist aufs Engste verbunden mit einer Comicserie gleichen Namens, die ab März erscheint. Als Konzeptalbum ausgelegt, untermalen, begleiteten und erzählen die zwölf Songs die von Steven O'Connell (der schon BloodRayne und Dark 48 ersann) geschriebene Saga - und die bietet keineswegs fluffigen Stoff für die Twilight-Kids, wie der Titel schon eloquent andeutet. Nein, hier geht es um geschundene, reuige Seelen, die Schuld auf sich geladen haben und von einem finsteren Medium nun die Chance erhalten, diese abzutragen - und zwar auf eine höchst perfide Art: die ehemaligen Mörder müssen Jagd auf Serienkiller machen. Das düstere Prequel "Perdition", das auf der Within Temptation-Website schon zu bestaunen war, führt als Protagonistin Sinead ein, die ihren sadistischen Vater auf dem Gewissen hat und für diese Tat rekrutiert wird. Graphisch inszeniert wird das Ganze in typischem US-Heroen-Duktus von Witchblade- und Darkness-Zeichner Romano Molenaar (wobei das Plattencover reichlich verunglückt ist, die Comicseiten gefallen da deutlich besser). Aber hier soll es ja nicht um die Graphic Novel gehen (die beleuchten wir dann näher auf www.comicleser.de), sondern um den Soundtrack dazu.

Den läuten Sharon und ihre Freunde mit einem gesprochenen Intro "Why Not Me" ein, in dem Sinead über ihr Schicksal reflektiert: "It is my cross to bear, but I bear it gladly. Someone has to take a stand against evil - why should it not be me?" Die erste vollgültige Nummer liefert dann die Soundsignatur für das gesamte Album ab. Atmosphärisches Intro, eine sofort zündende Melodielinie, kleinere orchestrale Einsprengsel, langsam steigende Intensität, die sich dann in einen glänzend komponierten, dichten, düsteren Rocker steigert, der sich unmittelbar festsetzt und einen auch nach Tagen nicht loslässt. "Shot In The Dark" kann symptomatisch stehen: nie waren sie kommerzieller, glatter, der Sound ist etwas reduziert, das ganz schwere Orchester, die verquere Düsternis ist nicht da - aber eben auch nicht Kitsch und Ballade, sondern eine neue Qualität, die durch herausragenden Kompositionen, stimmige Dunkelheit und Rhythmisierung überzeugt. Robert Westerholt zufolge hat man sich musikalisch teilweise in die 80er rückorientiert, und vor allem in den Solopassagen und dem teilweise grandiosen Groove muss man eben diese Elemente konstatieren. Ja, liebe Puristen, das ist kein Gothic Metal mehr, aber das ist finstere Rockmusik allererster Kajüte, die als Begleitung zu einem visuellen Medium konzipiert zu verstehen ist. "In The Middle Of The Night" schlägt als up-tempo-Nummer in die gleiche Kerbe und serviert dann doch wieder ein wenig Bombast mit choralen Elementen - komplett verlernt haben sie es also nicht. Aber, Freunde, welch ein Kracher-Refrain, welch ruppiges Riffing! Das hätte auch auf The Heart Of Everything stehen können und muss live göttlich werden. Die erste Single-Auskopplung "Faster" brilliert ebenso, erinnert atmosphärisch dann in den Strophen stark an "The Wicked Game" von Chris Isaak (kennt ihr, kommt in Wild At Heart vor), liefert aber einen derart berauschenden Refrain nebst melancholisch-fatalistischer Vertextung ab, dass das vollkommen unwichtig ist. Ist das haltbar, oder nutzt sich das aufgrund der Eingängigkeit nicht schnell ab? Nein. Zusammen mit dem Opener höre ich seit Tagen keinen anderen Song mehr. Unzerstörbar. Die nötige Atempause folgt gottlob. Denn "Fire And Ice" gibt sich mit Piano- und Streicher-Arrangement düster-episch und bietet eine begnadete erste Halbballade des Albums. Heftiger zu Werke geht dann "Iron", das in den Strophen mit treibendem Ballerrhythmus und orchestraler Schlagseite begeistert, im Refrain allerdings fast schon allzu nah an populären Gefilden kratzt. "Where Is The Edge" nimmt den Fuß dann wieder etwas vom Gaspedal, kredenzt dafür aber eine depressive, leicht verfremdete Gitarrenlinie, die den Text ("where is the edge of your darkest emotions?") kongenial umsetzt und von elektronischen Einsprengseln (ja, richtig gelesen) trefflich begleitet wird. "Sinead" greift dann direkt das Schicksal der Zentralfigur auf, wobei musikalisch mit Tanzboden-Stampfrhythmus und Elektronika die 80er deutlich grüßen lassen. Ordentlich, aber kein Highlight. Um einiges weniger kalkuliert kommt dann "Lost" daher, eröffnet von einer feinen Akustik-Gitarre, die dann in eine weitere schleppende, düstere Halbballade übergeht. Vollends soundtrackhaftig, teilweise mit Queensryche-Mindcrime-Feeling (ja, auch hier richtig gelesen), glänzt "Murder" mit alptraumhaften Effekten und einem überzeugenden Refrain. Synthieklänge leiten dann "A Demon's Fate" ein, werden aber glücklicherweise schnell in einem flotten Stakkato-Riff untergebügelt, zu dem Sharon dann auch endlich mal wieder ihre hübschen, angeschrägten "oh"-Gesangslinien unterbringen darf. Passend episch-finster bildet das getragene, breitwandige "Stairway To The Skies" den Schlusspunkt, in dem textlich wohl der - wenig positive, wer hätte das vermutet - Ausgang des Geschehens geschildert wird.

Nun, aufgrund der vorausgegangenen Schilderung dürfte es kaum überraschen, dass es Within Temptation wieder einmal geschafft haben, mich in einen Zustand vollständiger Verzückung zu versetzen. The Heart Of Everything war eine Glanztat, es wäre allzu schwer geworden, in Sachen aggressiver Bombast noch einen draufzulegen. Dass man sich für eine behutsame Kurskorrektur entschieden hat und dazu noch intertextuell auf ein (mir besonders liebes) visuelles Medium verweist, ist ein Schachzug, der einfach nur genial ist. Am 24.11. sind sie in unserer schönen Stadt. Hingehen und Staunen! Und vorher vielleicht noch die Deluxe-Edition mit DVD besorgen. Und das Comic lesen. Man kommt ja zur gar nichts mehr.

Holgi

6 von 6 Punkten

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