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Festival-Bericht

Rockavaria

mit Iron Maiden, Sabaton, Slayer, Nightwish, Anthrax, In Extremo, Sodom, Apocalyptica, Gotthard & Powerwolf

Olympiastadion, München 27.-29.05.2016

Die beste Band der Welt! Gnadenlose Sonne! Mindestens zwei Bühnen! Eine "Kinovorführung" auf der Suche nach Publikum und ein Teil des Publikums auf der Suche nach dem Samstagsheadliner! Weltuntergang mit kriegerischer Begleitung von Sabaton! All das und noch viel mehr war geboten, als das Rockavaria dieses Jahr in die zweite Runde ging. Wir nehmen es gleich vorweg (in der Anzugträgerwelt heißt das executive management summary): Es gab viele traumhafte Momente, die befürchteten Probleme (keine Olympiahalle? Wie soll das bitte gehen?) blieben aus, aber dafür gab es bekannte (epischer Weg zur Toilette, dann hinten stehen [oder auch nicht gehen und Muskulatur trainieren, man will ja was sehen vom Headliner - Kara]) und auch andere, wahrhaft elementare Herausforderungen (ein bisschen Regen gefällig?). Aber: Wir waren da! Mit uns nach offiziellen Zahlen 38.500 andere fröhliche Besucher. Ein Erfolg also. Ganz wichtig dabei: Das Rockavaria 2016 war unterm Strich herausragend. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ausführlicher? Bitte sehr:

Der Unkenrufe waren nicht wenige, als Ende letzten Jahres die wichtigsten Informationen zur zweiten Ausgabe des veritablen Münchner Rockfestivals durchsickerten: Es durfte wieder nicht gezeltet werden (die ganze "Ich will nicht duschen"-Zottelfraktion im Chor: ooohhh, schade - na, so ein Ärger), die Olympiahalle als Spielstätte wurde komplett gestrichen (letztes Mal war die allzu schnelle Schließung der Halle schon bei nur mäßig gefülltem Zustand in der Tat ein Ärgernis), stattdessen sollte es im Stadion zwei Bühnen nebeneinander geben. Da kamen selbst bei mir leichte Zweifel auf - sollte man nun stetig hin- und herhuschen? Hm. Das im letzten Jahr offenbar schon bei drei Besuchern überfüllte Theatron sollte durch eine großzügigere Seebühne ersetzt werden (verstanden). Dann das Lineup. Früh kündigte sich Großes an: Mit Iron Maiden (vgl. oben, beste Band etc.) und Nightwish ging die Eliteklasse des Metiers an den Start und mit Slayer, Anthrax, Ghost, Powerwolf und Sabaton gab es genug weitere klingende Namen, um für wohlige Vorfreude zu sorgen. Tag zwei allerdings sorgte dann für Kopfschütteln: einen Film wollte man uns vorführen anstelle eines Co-Headliners für den Samstag. Der sollte dann noch von einem Auftritt von Iggy Pop gekrönt werden, der wohl für das Nicht-Metal-Element sorgen sollte, das letztes Jahr noch die Britrocker von Muse beisteuerten. Verwirrung allenthalben, und drollig die Einträge in den einschlägigen Foren, als man ernsthaft diskutierte, wer denn nun wirklich der Samstags-Headliner werden würde. Sei's drum, wenn Maiden "dahoam" aufspielt, ist das schlichtweg alternativlos, die göttliche Floor gab‘s noch mit dazu, mehr Überzeugung bedurfte es nicht...

Eine ausführliche Bildergalerie gibt es übrigens unter www.kuehleszeug.de

Der Freitag: Ein rosa Auftakt, Werwölfe, Cellos, Mittelaltermarkt und endlose Formen (wunderschön)

...und so laufen wir (während ein Teil unserer Besetzung noch auf dem Comicsalon in Erlangen letzte Zeichnungen ergattert) am Freitag rechtzeitig zu den Klängen der Erlanger Lokalmatadoren von J.B.O. ins weite Runde des Olympiastadions ein. Ah, so ist das also mit der Doppelbühne: in der Tat zwei Spielstätten in traditioneller Wackenmanier nebeneinander, dazwischen keine Absperrung, also kann man wirklich einfach hin- und herpilgern. Das klappt im Verlauf des Festivals denn auch überraschend gut und das befürchtete Gerammel [Gerangel? Gerammel habe ich Gott sei Dank keines gesehen! - Kara] zwischen den Acts bleibt komplett aus. Wir sind ja schon zufrieden und sagen: Konzept gelungen! Eine schon mehr als nur beachtliche Menge feiert einstweilen mit den fränkischen Comedy-Metallern (mit denen wir dann noch ein ebenso lustiges wie informatives Gespräch führen konnten) das gewohnte pinke Fest der guten Laune, spaßigen Coverversionen, eigenem J.B.O.-Bier und durchaus kompetenter musikalischer Darbietung. Bei strahlendem Sonnenschein, der meinem mitgereisten Schlachtenbummler in seinem schwarzen Leibchen durchaus zu schaffen macht (ich dagegen habe mich für die klassische Metal-Farbe blau entschieden), laufen Nummern wie "I Don't Like Metal", "Geh'n Mer Halt Zu Slayer" und "Verteidiger Des Wahren Blödsinns" bestens rein und auch die Klassiker "Ein Guter Tag Zum Sterben" (wie gewohnt fein akustisch) und der ultimative Rausschmeißer "Ein Fest" ziehen die Butter heute durchaus vom Brot. Top Auftakt, immer wieder gerne!

Dank Doppelbühne geht es nun nahtlos weiter mit den immens populären Recken von Powerwolf, die live immer eine Bank sind und vor allem auf Festivals üblicherweise zu den Gewinnern zählen. So ist das auch heute: die energiegeladene Show von Attila Dorn, Falk Maria Schlegel und Co. weiß auch heute zu begeistern und mobilisiert trotz der frühen Stunde eine stattliche Besucherzahl. Den Einstieg machen sie erwartungsgemäß mit "Blessed And Possessed", Herr Dorn dräut finster und brilliert stimmlich, Meister Schlegel macht uns den Animateur, und die Gitarrenfraktion steht wie eine Eins. Der Sound kracht ordentlich, die Bühne zieren die üblichen Devotionalien, und Sangesmeister Dorn fragt in seinem pseudoungarischen Akzent: "seid ihr bereit, mit uns die einzig wahre Heavy Metal-Messe zu feiern?" Wenn man bedenkt, dass der Herr im wahren Leben Leiter eines Baumarkts im Saarland ist (kein Gag!), macht das schon Laune. "Coleus Sanctus" und der Kracher "Amen And Attack" sorgen für Stimmung, die bei "Army Of The Night" und dem wie stets mit einer beschaulichen Geschichte ("Biene hat Roadie gestochen in Pipi") eingeleiteten "Resurrection By Erection" zu Köcheln beginnt. Beim hervorragenden "Let There Be Night" zeigt Herr Dorn mit bester stimmlicher Leistung, dass er nicht umsonst schon in Musicals aufgetreten ist (auch kein Gag!), bevor dann "Werewolves Of Armenia" (mit hu! ha!-Rufen) und "We Drink Your Blood" das Set beschließt. Na, wenn das mal kein Doppelhammer nach Maß ist! Wir freuen uns und sehen weiter.

Auf der Bühne zwei springen ohne Zeitverzug die ja durchaus kultigen Hardcore/Thrasher von Suicidal Tendencies auf die Bretter, aber der Bollersound der Amis (komplett mit Baseball-Caps und weißen Socken, die man als Hardcore-Jünger offenbar ganz nach oben ziehen muss, anders als auf der Wies'n also) fällt im Vergleich zum melodischen Power Metal von eben doch spürbar ab. Politische, sozialkritische Texte hin, ein agiler Mike Muir am Mikro her: Nummern wie "Trip At The Brain", "I Saw Your Mommy" und "Cyco Vision" krachen zwar amtlich, aber die Stimmung ist deutlich verhaltener als bei den deutschen Vertretern. Mike Muir schwelgt in Erinnerungen an den Auftritt, den man im hiesigen Stadion mit Guns n'Roses 1993 absolvierte, holt haufenweise Kinder auf die Bühne und bietet ein Skateboard-Lied dar - lobenswert, aber nicht mehr. Nun denn.

Apocalyptica gebührt ja die seltene Ehre, ein Genre mehr oder weniger erfunden zu haben: die Idee, Metallica auf dem Cello zu spielen, hatte vor ihnen niemand, und dass dieses Konzept auch zwanzig Jahre (ja, man glaubt es kaum) nach dem Debüt Apocalyptica Plays Metallica By Four Cellos noch famos zündet, davon dürfen wir uns jetzt überzeugen. Die drei Herrschaften um den ziemlich blonden Eicca Toppinen legen sich wie gewohnt ins Zeug, zersägen ihre Instrumente förmlich, aus denen sie dank einiger elektronischer Effekte Klänge herausholen, die man in einem Cello gar nicht vermuten würde. Schlagwerker Mikko Siren liefert dazu die passende Rhythmik (ganz in weiß gekleidet, aber Befürchtungen, hier folge nun der gleiche Unfug wie letztes Jahr bei Faith No More, sind natürlich vollkommen unbegründet, auch wenn Apocalyptica diese Herren schon gecovert haben). Am Start ist wie immer eine gute Mischung aus Covers und Eigenkompositionen: mit "Refuse/Resist" kommt Sepultura zu Ehren, und bei den Eigengewächsen "I'm Not Jesus" und "House Of Chains" kann dann auch Live-Gast-Sänger Frankie Perez seine Qualitäten unter Beweis stellen. Aber natürlich dürfen beim 20jährigen Jubiläum auch die Klassiker nicht fehlen: "Master Of Puppets" zeigt wieder einmal, dass ein begeistertes Publikum einen Sänger durchaus ersetzen kann. Da lässt man sich natürlich nicht lumpen und schiebt mit "Seek And Destroy" noch einen Metallica-Klassiker nach, der die Kuh abheben lässt. Herr Toppinen informiert uns jetzt, nun wolle man uns mit ein wenig Klassik bestrafen, aber wenn das darin besteht, eine furiose Version des Grieg-Meisterstücks "Halle Des Bergkönigs" (bekannt aus Fritz Langs legendärem Film M - und aus der gleichnamigen Scheibe von Savatage) zu erleben, dann nehmen wir diese Bestrafung doch gerne hin. Dann ein wenig Ratlosigkeit: "it seems we fucked up the setlist - we have ten minutes left! " Man berät kurz, was zu tun sei, aber nachdem wir ja Jubiläum feiern, führt an Metallica kein Weg vorbei: ein episches "One" liefert den Schlusspunkt eines mehr als gelungenen Ausflugs in die Welt der klassischen Saiteninstrumente. Kolossal!

Atemlos nicht durch die Nacht, sondern durchs Stadion geht es weiter, denn schon stehen die deutschen Mittelalter-Freunde von In Extremo mit Dudelsack und Schalmei bereit. "Mein Rasend Herz" sorgt für einen famosen Auftakt, der die Stimmung ohne Unterbrechung hoch hält, was sich auch bei "Horizont" nicht ändert. Ein fetter Bühnenaufbau komplett mit Pyro-Inferno, Schlagzeug-im-Schiff-Konstruktion, die geballte Macht der Bläser-Fraktion und die raue Stimme des Letzten Einhorns Michael Rhein formieren sich zu einer formidablen Wand, die beim geisterhaft-melodischen "Vollmond" hervorragend zum Tragen kommt. Auch der alte Reißer "Erdbeermund" funktioniert prächtig, auch wenn Herr Rhein teilweise leicht unlustig wirkt. Sei's drum, "Himmel Und Hölle" setzt den Reigen fort, Dr. Pymonte darf die Harfe vorführen, "Belladonna" bringt den witzigen Text vom Mädchen auf dem Besen, bevor dann der "Sängerkrieg" ziemlich abräumt. Mit dem Trink-Schunkel-Lied "Sternhagelvoll" bieten sie eine kleine Vorschau auf das neue Album Quid Pro Quo, das am 24. Juni erscheint, und dann ist mit der altbewährten Bandhymne "Verehrt And angespien" Schicht im Schacht. Meiner Treu!

Sodala, meine Damen und Herren, jetzt wird es dann richtig interessant. Wie brillant Nightwish mit ihrer nicht mehr ganz so neuen Front-Holden (diverse Regionalpostillen reporten danach von Sängerin Tarja - immer lustig, wenn man vollkommen Unkundige zum Berichten entsendet [zumindest den Wikipedia-Artikel könnten sie ganz lesen! - Kara]) sind, davon konnten wir uns ja schon auf der letzten Hallentournee im Dezember im gar nicht so weit entfernten Zenith überzeugen. Freudig aufgeregt wandere ich mit meinem Kumpanen mal ganz entspannt in die erste Reihe und klinke mich dort ein. Das funktioniert auch bestens, und so kommen wir in einen ganz besonderen Genuss: nämlich die göttliche Floor und ihre Mitstreiter aus nächster Nähe erleben zu können. Das lohnt sich erwartungsgemäß: mit "Shudder Before The Beautiful" eröffnet der erste Song des aktuellen Albums den Reigen. Das geht gleich nach vorne, der Opernmetal der Finnen ist eben wie gemacht für die große Bühne, auf der diese Spielart ordentlich inszeniert werden kann. Mastermind Tuomas besetzt die linke Seite mit Vogel-Keyboard inklusive obligatorischer Weinflasche (kein Fusel, der Mann ist ein Feinschmecker!), Bassist Marco (irgendwie wird der immer dünner) im Lederrock daneben, und zusammen mit dem Rest der Formation liefert man einen astreinen Bombast-Sound, der in den sternenklaren Nachthimmel aufsteigt und für wahrhaft magische Atmosphäre sorgt.

Floor, die große, die göttliche, überragt wieder einmal alles, sowohl an Statur als auch an Stimmgewalt: bestens aufgelegt, zelebriert sie die Höhenflüge, an denen ihre Vorgängerin am Ende scheiterte, in berauschender Qualität. "Yours Is An Empty Hope" gerät zum Headbang-Fest, bei dem Floor ihre beeindruckende Haarpracht rotieren lässt, und das mit feuriger Unterstützung - die massiven Pyroeffekte versengen uns fast die Haare, von dem herabregnenden Spiritus mal abgesehen: wenn jetzt einer ein Feuerzeug anmacht, explodieren wir... aber nichts passiert. Die eingespielten Filmsequenzen untermalen die Songs jeweils stimmig, das geniale "Storytime" entlockt der verzückten Masse Begeisterungsstürme, bevor uns Dudelsack-Recke Troy Donockley in den nächsten Song begleitet: "For this one, we will go deep into the woods, with Wordsworth, Shelley, Byron... and Stan and Ollie". Nun, die zwei haben zwar bei den englischen Romantikern nichts verloren, aber "My Walden" besticht dennoch durch feine Melodie und elegische Stimmung. Die Single "Élan" liefert dann folkig-eingängige Momente, bei denen Floor ihre ganze Bandbreite wieder unter Beweis stellen kann. "Weak Fantasy" ballert dann wieder ordentlich, bevor mit "Sahara" ein Stück aus der eher unglücklichen Anette Olzon-Ära [hey! - Kara] folgt, das in dieser Interpretation aber auch ordentlich daherkommt. Bei "I Want My Tears Back" zeigt Marco, dass er nicht nur gut Bass spielt und einen lustigen Zottelbart hat, sondern auch famos singt, bevor dann das wie immer wunderbar-einfühlsame "Nemo" für Zauber sorgt. Komplett aus dem Häuschen gerate ich dann bei meinen Mit-Favoriten "Last Ride Of The Day", nach meinen Dafürhalten einer ihrer besten Songs, und auch heute schrecken sie als Abschluss vor dem episch-überlangen "Greatest Show On Earth" nicht zurück, diesem parforce-Ritt durch die gesamte Menschheitsgeschichte von den Anfängen in der Ursuppe bis hin zur neuzeitlichen Umweltzerstörung. Breitwand-Musik im besten Sinne, eine Inszenierung wie ein filmisches Werk - wir sehen und staunen. Dann ist, wie schon in der Halle im November, unvermittelt Schluss. Das ist ein wenig schade und gibt Punktabzug, denn wir hätten noch ganze zehn Minuten Spielzeit und somit mindestens einen weiteren Song gehabt. Aber das ist Krittelei auf sehr hohem Niveau und kann der Grandiosität keinen Abbruch tun. Ganz großes Kino unter dem Münchner Nachthimmel, meine Herren. Für so etwas wurden Open Air-Konzerte erfunden! Wir sehen uns morgen und entschwinden selbst, glücklich aber kaputt von der pausenlosen Beschallung, mit den bereitgestellten Stahleseln der MVG in einer schier endlosen Röhre.

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