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Festival-Bericht

Earthshaker Festival

mit Manowar, Nightwish, Children Of Bodom, Dimmu Borgir, Exilia, Die Apokalyptischen Reiter, Loudness, Grave Digger, Rhapsody, Bludgeon, Masterplan, Hypocrisy & J.B.O.

Festivalgelände Geiselwind, Geiselwind 22. & 23.07.2005

Freitag, 22.07.2005

Aufgrund der weiteren Anreise und einer wieder einmal lustigen Verkehrssituation gehen mir Symphorce, Graveworm und Evidence One komplett durch die Lappen. Aus Augenzeugenberichten ist jedoch zu entnehmen, dass Graveworm gut abräumen und auch Evidence One einen respektablen Gig liefern.
Endlich angekommen, stellt sich heraus, dass das Wetter zunächst mal alles andere als optimal ist: es hat vorher heftig geregnet, die Parkplätze auf den Wiesen haben sich teilweise in schlammige Rutschbahnen verwandelt. Nix wie raus, und schön im Ort auf einem öffentlichen Parkplatz zur Ruhe gekommen. Danke, Hotel Lamm! Erwartungsfroh marschiere ich dann hin zum Einlasshäuslein, hole mir dort recht problemlos die Pressepässe und mache mich auf den Weg zum Gelände. Dort geht allerdings die Fragerei schon los: kein Mensch, weder Security noch Label-Abgesandte, haben auch nur irgendeine Ahnung, wohin die Journaille gelenkt werden soll, wenn es um Interviews geht. Nach ungelogen 45 Minuten Umherirren auf dem Gelände, während derer ich den Auftritt von Exilia, der gerade läuft, leider nur aus den Augenwinkeln mitbekomme, findet sich endlich ein gnädiger Mensch, der mich zum Backstage Bereich bringt. Auch wenn ich das Wirken der Italiener bestenfalls halb verfolgen konnte, Exilia lassen es gewaltig krachen, und das belohnt auch die angesichts der noch frühen Stunde (so gegen zwei Uhr nachmittags) durchaus zahlreiche Anhängerschaft vor der Bühne. Frontsirene Masha schmettert die groovigen Crossover-Geschosse mit derartiger Ferve ins Publikum, dass man meint, hier wären schon die eigentlichen Headliner unterwegs. Am Start ist reichlich Material vom aktuellen Album Unleashed, und vor allem die Single "Can't Break Me Down" macht gewaltig Laune. Sauberer Auftritt, beste Stimmung.

Leider wieder nur in Fragmenten rauschen die Apokalyptischen Reiter an mir vorbei, doch die Eindrücke aus dem Backstage-Bereich und die letzten paar Songs, die ich noch direkt mitkriege, lassen keinen Zweifel: die Jungs lassen es gehörig krachen. Dr. Pest und seine Mannschaft hauen mächtig zu, und die immer zahlreicher erscheinenden Schlachtenbummler honorieren die Kombination aus deutschen, stilisierten Texten, mittelalterlichen Elementen und stampfenden Rhythmen. Immer wieder bemerkenswert: die gute Atmosphäre, die trotz Tageslicht und Nieselregen jetzt schon herrscht.
Diese Atmosphäre verliert sich leider gerade in dem Moment wieder, als uns alte Bekannte einen Besuch abstatten, auf die man eigentlich neugierig war: die Japaner Loudness, ihres Zeichens legendäre Metal-Samurais der 80er, entern seit mehr als zehn Jahren wieder einmal eine europäische Bühne. Unglaublich, aber wahr: sie sind eigens für dieses Festival angereist, wie sie uns im Interview erzählen, und präsentieren uns neben älteren Nummern auch ihre neue Scheibe Racing, die im September in die Regale kommt. Außer ein paar Hardcore-Freaks, von denen einer sogar das sagenumwobene Europa-Debüt Thunder In The East als LP (!) mitführt und demonstrativ hochhält, interessiert das hier leider nur fast keinen. Im Vergleich zu Exilia oder den Reitern ist der Raum vor der Bühne gähnend leer, die Beifallsbekundungen sind zurückhaltend bis mäßig. Besonders mitreißend ist der Gig auch nicht, irgendwie wirkt das alles nicht so spannend, auch wenn die Jungs und später sagen, dass sie selbst mit dem Auftritt zufrieden waren. So richtig Englisch können sie auch immer noch nicht, und so sind Ansagen und Texte schwierig zu deuten. Schade, hier hätte man sich mehr erwartet. Aber wenigstens waren sie im Interview sehr engagiert und gut drauf - siehe dort. Auch bei der Signierstunde tummeln sich bei Loudness einige wenige Freaks (wieder der mit der LP, der hat wirklich alle dabei), während die Reiter schon eine beträchtiche Schlange erwartungsfroher Anhänger produzieren.

Langsam wird es nun etwas dunkler über dem Gelände, die Lightshow kommt etwas mehr zum Tragen, und die Backdrops wirken etwas besser. Gute Voraussetzungen also für Grave Digger, die immerhin schon eine ganze Stunde Spielzeit zur Verfügung haben. Die nutzen Chris Boltendahl und seine Grabschaufler auch weidlich aus: routiniert stürzen sie sich in ein Set, das vom Opener "The Last Supper" weg sofort die gewohnte Qualität des Vierers aufweist. 25 Jahre Bühnenerfahrung zahlen sich eben aus: Bolte weiß, was Metallos wünschen, und bringt zielsicher Stücke wie "Knights Of The Cross", "Valhalla" und "Excalibur" an den Start. Von der aktuellen Scheibe gibt's noch "Grave In The No Man's Land" zu bewundern, bevor es mit "The Grave Digger" in die letzte Runde geht. Keine Frage, dass uns Chris und seine Mannen nicht ohne das unverwüstliche "Heavy Metal Breakdown" ziehen lassen. Auf die Diggers ist halt Verlass - wie schon damals bei Live aus dem Alabama (dazu siehe das Interview)!
Die Menge, die stetig anwächst und mittlerweile wohl so etwa vier Tausendschaften zählt, ist begeistert - ein klares Zeichen, dass klassischer Metal made in Germany (wieder oder immer noch?) angesagt ist. Da gibt's für nächstes Jahr ja einige schöne Dinge, an die man denken mag: Udo, Doro, Blind Guardian, Edguy, das wären gern gesehene Gäste.

Nachdem der Zeitplan immer noch akribisch eingehalten wird - Hut ab dafür, das haben wir schon anders erlebt! - stürmen um kurz nach sieben dann die ersten wilden Finnen des Tages die Bühne. Alexi Laiho und seine Children Of Bodom entpuppen sich als die ersten wahren Gewinner des Tages. Ihr melodischer Death Metal kracht so derartig ins Kontor, dass es eine wahre Freude ist. Saitenhexer Alexi zeigt sich bestens aufgelegt und kreischt, was das Zeug hält. Es ist schon beeindruckend, mit welcher Virtuosität diese Jungs unterwegs sind, dabei aber gleichzeitig mit einer brachialen Härte auffahren, die einem die Mütze nach hinten dreht. "Needled 24/7", "Bodom Beach Terror" und "Bodom After Midnight" sind nur einige Highlights in einem Set, das sich großzügig aus allen Scheiben von Something Wild bis hin zu Hatecrew Deathroll bedient. Vor allem die meisterhaft flirrenden Solo-Duelle von Laiho und seinem Keyboarder Janne Warman drücken einem die Kauleiste immer wieder nach unten. Meine Herren, wenn man bedenkt, mit welcher musikalischen Dünnbrettbohrerei Lackaffen wie Poison und Ratt erfolreich waren, dann sieht man: in Finnland wird mit anderem Wasser gekocht. Saugut! Bei der folgenden Signierstunde werden die Jungs dann auch nahezu überrannt. Die ersten haben Glück und kriegen eine Unterschrift, gegen Ende der Session haben die Children dann etwas zu viel deutschen und damit im Vergleich zur Heimat billigen Sprit genossen und malen sich selbst voll... die jungen Leute, so sind sie halt.

Mitterlweile ist es nun völlig dunkel, und auf der Bühne herrscht emsiges Treiben. Die Spannung steigt deutlich, als für den bevorstehenden Gig von Rhapsody eine Burgruinenlandschaft aus Pappe aufgebaut wird. Das passt ja bestens zu den italienischen Bombast-Rockern - aber noch wichtiger ist, dass Saruman selbst mit ihnen auftreten soll. Christopher Lee hat uns ja selbst bei der Pressekonferenz erzählt, dass er live das Stück "Unholy Warcry" mit den Jungs zum Besten geben will.
Aber was ist denn das? Auf einer Videoleinwand erscheint auf einmal das Konterfei unseres Lieblings-Dracula, der erzählt, er weile gerade bei Filmaufnahmen far, far away (liest der uns grade die Anfangscredits von Star Wars vor?) und könne daher nicht kommen. Der Metal, dafür würden aber wir schon sorgen, der lebt ja schließlich immer. Richtig, aber eine maßlose Enttäuschung ist das trotzdem. Noch am Tag des Konzerts (!) wurde Lees Beteiligung ja schließlich auf allen möglichen Kanälen (Videotext ZDF unter Promi-News!!!) angepriesen. Dass das alles von Anfang an eine Ente war, daran glaube ich bis jetzt nicht - wieso sollte er denn im Januar für eine mickrige Pressekonferenz nach Geiselwind kommen, wenn er nicht ernsthaft plant, dann auch aufzutreten. Auf einem anderen Metal-Festival eine Woche vorher hat er wohl auch schon abgesagt - also sind wir nicht die einzigen Leidtragenden. Wie dem auch sei, ob er krank ist oder wegen den Terroranschlägen in England nicht ins Flugzeug steigen möchte - etwas mehr als die lapidare Videobotschaft hätte es schon sein dürfen. Erste krasse Enttäuschung.
Da hilft auch der jetzt folgende Auftritt von Rhapsody nix, der zumindest mich einfach nur maßlos langweilt. Üblicherweise bin ja bekanntlich für Bombast aller Art zu haben, aber das hier ist einfach nur noch öde und teilweise kitschig. Da bringen sie es tatsächlich fertig, als Backdrops Fantasy-Roman-Cover mit Grisu dem Drachen zu zeigen, und bei einem Song stehen sich ein Jüngling mit Flöte (ehrlich) und eine zugegebenermaßen schön anzusehende Dame gegenüber. Aber Freunde, ein Pastoral-Idyll brauchen wir hier nicht. Wenigstens stehe ich auf der Bühnenseite, auf der die Dame postiert ist. Ansonsten: in sich überflüssig.

Ganz und gar nicht überflüssig sind dann die Headliner dieses Tages: Nightwish sind nach wie vor die Helden der Stunde. Ihren Set konnte ich ja während der Hallentournee schon bewundern - aber kommt deshalb Langeweile auf? Aber in keinster Weise. Von der ersten Explosion an, die mich fast aus dem Fotograben haut, zeigen die Dame und die Herren deutlich, warum sie die Charts stürmen und sämtliche Hallen mühelos ausverkaufen. Ein wunderbar energiegeladenes "Dark Chest Of Wonders" eröffnet einen starken Auftritt, der von Glanzpunkten gesäumt ist. Tarja zeigt sich stimmlich (und optisch) in Bestform, Tuomas turnt agil über sein Keyboard-Set, und die Saitenfront in Form von Rübezahl Marco am Bass und Emppu als Johnny Guitarre lassen nichts anbrennen. Die Meute, mittlerweile schätzungsweise 15.000 Mann und bevorzugt schwarz gekleidet Frau, springt vom ersten Song an mit in die Bresche und feiert die Akteure gebührend ab. Auch showtechnisch geht es jetzt massiv zur Sache: meterhohe Flammen jagen fast schon bedenklich weit in den Bühnenhimmel, und immer wieder künden krasse Explosionen vom Anfang oder Schluss eines Stücks. Tarja schwenkt die ebenholzfarbene Mähne im Takt, animiert per Luftgitarre oder Händeschwenken zum Mitmischen oder posiert gemeinsam mit den Mitstreitern. Das alles immer mit der stolzen Vornehmheit einer klassischen Sangesdame, wohlgemerkt. Der Sound ist für ein Open Air überraschend gut, und das sehr angenehme Erfolgsrezept, das ja auch Iron Maiden anwenden - Songs statt Soli! - steigert die Fieberkurve immer höher.
Von der Songauswahl her bieten Nightwish das Material, das schon auf der Hallentour zu bewundern war: das aktuelle Album Once kommt mit dem deftigen "Planet Hell" und natürlich dem Hit "Nemo" zu Ehren, der immer noch nicht abgenutzt ist: Tumoas' Klavier-Intro wird mit Begeisterung quittiert. Auf den schönen Wasserfall-Effekt müssen wir dieses Mal leider verzichten, dafür gibt's allerdings einen wundbaren Konfetti-Regen. Weiter auf dem Programm stehen "Everdream", "Slaying the Dreamer" mit massivem Mosh-Alarm, "The Kinslayer", das mit seinem Stakkato-Rhythmus wieder mal alles plattmacht, selbstverständlich der Kracher "Wishmaster" und - für Tarjas erste Umkleidepause - ein Cover, das wie gewohnt Zöpfchenträger Emppu vorträgt. Dieses Mal gibt die Liedauswahl zunächst Anlass zur Sorge: nicht Dio oder Megadeth, wie schon erlebt, sondern Pink Floyd werden uns angekündigt. Und wer es schafft, einen Song selbst von diesen intellektuellen Langweilern mitreißend klingen zu lassen, meine Freunde, der hat's einfach raus. Frisch neu eingekleidet kommt Tarja nun wieder auf die Bühne - und sofort sucht man nervös nach dem Löschbutton, um wieder Platz auf der Digicam zu schaffen. Denn das, meine Freunde, muss für die Nachwelt aufgezeichnet werden! Hui, mehr sog i ned.
Ach ja, Musik gibt's auch noch, am Start stehen jetzt weiter gern gehörte Klassiker, aber bei "Kuolema Tekee Taiteilijan", dem wunderlichen finnischen Juwel von Once, gibt sich Tarja nun komplett alleine die Ehre - eine gelungene Einlage, bei der sie ihr stimmliches Potenzial komplett demonstrieren kann. Wieder im neuen Gewand bekommen wir als Zugabe noch ein geniales "Over The Hills And Far Away" kredenzt, bevor sich Nightwish bei "I Wish I Had An Angel" nochmal derartig ins Zeug legen, dass die nebenliegenden Autobahnkirche wackelt. Dann heißt es: mit dem Paul ist Schluss für heut'. Was lernen wir aus diesem Tag? Die finnische Bastion (inklusive der Kinners aus Bodom) zeigt, wie's gemacht wird. In your face, Mr. Lee! Aber am beste, am allerbesten war die Couch im Pressezelt: niemals saß man so wertvoll wie heute. Gut' Nacht.

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