Review
Dear Diary - Dear Diary
Die Resteverwertung der Kollegen des Interbankensatzes geht weiter: wie schon mit Gynger Lynn und Wanted servieren sie uns mit Dear Diary eine Kombo, die eigentlich schon das Zeitliche gesegnet hat. Somit dürfte auch hier nicht verwundern, wohin die Reise geht: retro, wobei das retro ja gar nicht fake, sondern in der Tat echt ist.
Dear Diary fabrizierten Ende der 80er einen sehr eingängigen, gefälligen Melodic Metal/Hard Rock, der teilweise nahe an AOR-Gefilde a la Journey heranreichte (was übrigens gar nicht schlecht sein muss - siehe deren umjubelten Auftritt auf dem letztjährigen Bang Your Head!). Pate standen wohl auch die damals zu Megasellern avancierenden Bon Jovi, die witzigerweise ihrerseits damals noch nicht so auf das Radio-Publikum ausgerichtet wie heute. Jaja, so ändern sich die Zeiten. Aber die Kollegen um Sänger Jeff Evans, dem man eine durchweg gute stimmliche Leistung attestieren darf, kreier(t)en innerhalb des genannten Genres eine mehr als brauchbare Ansammlung von Stücken, bei denen kompositorisch durchaus einige Farbtupfer zu entdecken sind - so etwa beim flotten Opener "I Want To Know" oder beim gefühlvollen, aber gar nicht kitschigen "Red Rose Burn". Dass die Jungs auch Sinn für Humor hatten, zeigt das textliche launige "Tanqueray Tina".
Tja, aber offenkundig fehlte auch bei dieser Formation entweder die letzte Klasse oder einfach nur das berühmte Pfund Glück zum nächsten Schritt auf der Leiter - in den frühen 90ern wurden sie vom Zeitgeist hinweggerafft.
Wie auch bei Gynger Lynn und Wanted gilt: 80er-Komplettisten sollten ihre Freude haben, ansonsten darf die Frage erlaubt sein, ob man wirklich über 20 Jahre altes Material ausgraben muss.