Review
Entombed - Unreal Estate
Neues aus dem Hause Entombed lässt mich zitternd die CD in den Schacht des Players legen und gespannt die Ohren spitzen. Ein Livemassaker erster Kajüte will durch die Gehörgänge gespült werden. Doch halt, falsch gedacht! Bei dem vorliegenden Release handelt es sich um eine Liveaufnahme aus dem Jahre 2002 im königlichen Opernhaus zu Stockholm. Das Aussergewöhnliche daran ist, dass man zusammen mit einem 35-köpfigen Ballettensemble einige Songs zum Besten gibt, etwas umarrangiert, doch mit genügend Power vorgetragen.
Was bewegt eine Band zu solch einem Projekt? Ein Jahr zuvor wurden die Death'n'Roller um L.G. Petrov von zwei Choreographen mit Mails bombardiert, ob und wie man sich so ein Projekt vorstellen könnte, Band im Vordergrund brachial rotzend und dahinter ein Ballett, das die Musik tänzerisch mit Ausdruck versieht. Nach einigem Hin und Her wurde grünes Licht gegeben und die Chose entsprechend umgesetzt. Laut aller Beteiligten eine immens intensive Erfahrung und ein voller Erfolg, den man jetzt auf Konserve nachhören kann.
Nach einem Klavierintro geht es mit "Chief Rebel Angel" in die Vollen. Leider kann man sich die Tanzeinlagen nur schwer vorstellen. Hier ein Hoppser, da ein "sterbender Schwan"? Kennt noch jemand die 87er ZDF-Vorweihnachtsserie "Anna" mit Silvia Seidel, in die wir schweren Jungs doch alle irgendwie verliebt waren? Nicht? OK, auch nicht weiter schlimm. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht stelle ich mir besagte Anna tanzend und mich wild bangend vor. ;-)
Jedenfalls strotzt die kraftvoll produzierte Scheibe vor Dynamik. Mal laut rotzig, um im nächsten Moment melancholisch mit Piano und leisen Gitarren den Bogen zum nächsten Powerchord spannend. Der Hörer wird auf eine Gefühlsachterbahn par excellence entführt. Mit einer "Left Hand Path"-Sequenz endet eine anspruchsvolle Platte und zeigt Entombed als Musiker mit künstlerischem Anspruch.
Warten wir gespannt auf das Konzert in Form einer DVD, die die Stimmung in und auf der Bühne in die heimischen Wohnstuben besser zur Geltung kommen lassen wird. Ein gefälliger Output einer Band, die jenseits von Scheuklappen und Szenetrueness ein spannendes und zugleich mutiges Werk abgeliefert hat. Respekt und Applaus!
Siebi
Ohne Wertung