Review
Pure Reason Revolution - Amor Vincit Omnia

VÖ: 06. März 2009
Zeit: 45:26
Label: Superball Music
Homepage: www.purereasonrevolution.com
Die Liebe besiegt (bzw. überwindet) alles. So also der Titel des neuen Albums von Pure Reason Revolution, die mit ihrem Erstling The Dark Third vor zwei Jahren einen Einstand nach Maß feiern konnten. Bei den Briten kann der Albumtitel problemlos auf die Musik übertragen werden. Mit viel Liebe zum Detail war das Debüt an Atmosphäre, Vielschichtigkeit und Virtuosität schwer zu überbieten. Genau an diesem Punkt soll Amor Vincit Omnia (das Originalzitat lautete übrigens "Truth Conquers All" welches geändert und ins Lateinische übersetzt wurde) nun auch ansetzen, mit viel Liebe zur Musik soll ein Nachfolger entstehen, der in die Fußstapfen des Vorgängers treten kann.
Die ersten Klänge von "Les Malheurs" erhöhen jedoch die Zweifel, dass dieses Vorhaben problemlos umgesetzt werden kann. Ganz grob schielt der Opener mit seiner elektronischen Grundausrichtung, dem tanzbaren Rhythmus und den mehrstimmigen Gesängen zwar in Richtung Debüt, doch stimmt es ebenso befremdlich, dass das Instrument Gitarre mal überhaupt nicht statt findet. Depeche Mode statt Pink Floyd und Kraftwerk anstatt Spock's Beard eingebettet in einem NDW-ähnlichen Sound. Wirklich schlecht ist der Track nicht, nur eben anders. Und eben dieses "anders" zieht sich durch das komplette Album hindurch. "Victorious Cupid" darf weitaus mehr rocken als der Opener und zieht mit seiner interessanten Rhythmusarbeit den Hörer auch etwas mehr in seinen Bann. Das kurze atmosphärische "Keep Me Sane/Insane" eröffnet eine kleine Suite ("Apogee/Requiem For The Lovers") bei der die Genialität des Debüts zum Vorschein kommt. Tolle Melodieführung, traumhafte Stimmung, hypnotischer und dichter Gesang mit viel Harmonie und erstklassiger instrumentaler Arbeit. Groovig, elektronisch und progressiv ist der Tanztempelhit "Deus Ex Machina" ausgefallen. Interessanter Track, der mit seiner Kühle aber immerhin zu den besseren zählt. "Bloodless" hingegen kann mit seiner Mischung aus Pop, Trance und Ballade nicht ganz so überzeugen. Dafür klingt der Song zu konstruiert und auch zu steril. Dass es allerdings richtig schlecht geht zeigt "Disconnect". Amiga-Sound meets Wave vs. Peter Schilling oder was soll das sein? Mit seinen nervigen Synthesizern und den übertriebenen Voice-Effekten ist der Song überraschenderweise das geworden was ich nie von Pure Reason Revolution erwartet hätte: ein Totalausfall. Das neun Minuten lange "The Gloaming" kann im Vergleich dazu nur gewinnen. Klar stehen hier auch wieder die elektronischen und trancigen Elemente im Mittelpunkt des Geschehens, doch auch dezente Trip-Hop-Rhythmen sind hier in einem tendenziell progressiv ausgerichteten Grundgerüst zu finden. Der Titeltrack "AVO" beschließt das Album mit einer Mixtur aus ruhigem und Club Sound. Hier weiß besonders der mehrstimmige Gesang zu gefallen.
Pure Reason Revolution machen es einem mit Amor Vincit Omnia nicht leicht. Klar ist es schön zu hören, dass sich die Band nicht auf einen Sound festlegen will, das spricht in jedem Fall für den Angeklagten, aber dennoch lässt sich auch nicht verleugnen, dass das zweite Album, wie bereits erwähnt, etwas völlig anderes darstellt als das Debüt. Der warme Sound ist wesentlich kühler geworden, was wohl auch daran liegt, dass die Band primär am Computer arbeitet. Dafür ist der Gesang auch etwas mehr zusammengerückt, somit noch eine Spur intensiver geworden und dadurch auch zentrales Element der neuen Ausrichtung. Anno 2009 stehen Muse, Moby, Faithless, Kraftwerk und Depeche Mode mehr denn je mit dem britischen Quartett in Verbindung. Dass diese zu Großtaten fähig sind, haben sie genauso bewiesen wie die Tatsache, dass ihre Alben vollste Aufmerksamkeit brauchen. Allerdings stehen den wirklich guten Songs ("Victorious Cupid", "Keep Me Sane/Insane", "Apogee/Requiem For The Lovers", "Deus Ex Machina") ebenso viele durchschnittliche und somit "nur" solide Titel gegenüber. Mit viel Wohlwollen wären vier Punkte drin, doch im Vergleich zum Vorgänger ist Amor Vincit Omnia für mich trotz vorhandenen künstlerischen Anspruchs eine mittlere Enttäuschung geworden. Schade.
Andi