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Mötley Crüe - Carnival Of Sins (DVD)

Mötley Crüe - Carnival Of Sins (DVD)
Stil: Heavy Metal
VÖ: 12. Januar 2006
Zeit: ca. 137 Min.
Label: Universal Records
Homepage: www.motley.com

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Neben der gleichnamigen Live-CD brachten Mötley Crüe schon anfang des Jahres diesen DVD-Doppelwhopper auf den Markt - und nachdem bei mir endlich die Neugier über die Vernunft gesiegt hat, musste ich mir das Teil nun endgültig zulegen. Dass man sich über die Motive dieser Reunion keine Illusionen machen muss, dürfte klar sein: die Herren reden nicht mehr so richtig miteinander, reisen nicht im selben Tourbus, und den künstlerischen Drang zur Selbstverwirklichung leben sie in mehr oder minder erfolgreichen Nebenprojekten aus. Also: es geht um's schnöde Mammut. Dass sie mittlerweile nicht mehr die Jüngsten sind, wissen wir auch. Also alle die da schön den Finger mahnend heben und rufen Ausverkauf: ja, ihr habt ja Recht. Aber die Frage ist doch eine andere: wenn die CD schon so dreckig, wüst und vor allem mit einer derartig herausragenden Setlist daherkommt, dass der Sellout tierischen Spaß macht, wie muss dann erst die visuelle Untermalung des Unterfangens aussehen?
Um es kurz zu machen: sie sieht genau so aus, die man es von der Crüe erwarten darf und muss. Dekadenz und Exzess pur, in jeder Schattierung. Wenn man diese Silberlinge auf den heimischen Bildschirm wirft, sollte man sicherstellen, dass keine moralisch versierten Zeitgenossen oder gar Familienmitglieder zugegen sind. Denn was sich unter der gigantischen Kulisse eines Zirkuszeltes auf der Red, White and Crüe-Tour 2005 so abspielte, nimmt sich an manchen Stellen aus wie ein Beitrag aus der Kategorie Hinter der ab 18-Türe. Und genau so muss es ja sein bei den verrückten Vier. Also dann sehen wir uns das mal an.

Der Titel ist Programm: Mastermind Nikki Sixx dachte sich das Konzept eines Zirkus aus, in dem das Bizarre und Unanständige regiert. Beim Titel wird er sich vielleicht am verstörenden Horror-Streifen Carnival Of Souls orientiert haben - mer waas es ned. Zu Beginn steht ein lustiger Knetmännchenfilm mit dem Titel "Disaster! The Movie", in dem ein drohender Meteoreinschlag das Bühnencomeback der Crüe zu stören droht. Schön gemacht und witzig. Dann geht es über zur Arena in Grand Rapids, wo dieser Gig aufgezeichnet wurde.
Optisch wird das Leitmotiv durch die erwähnte Zirkuskuppel als Bühne umgesetzt, in der sich der gesamte Set abspielt. Gleich zu Anfang enthüpft da ein Springteufel einer Kiste: Mighty Mike, ein kleinwüchsiger diabolischer Impresario, der in der gesamten Show eine Art Miniaturausgabe von Vince Neil abgibt. Danach kommen natürlich gleich die Bitches - zwei wild geschminkte Ladies räkeln sich ebenfalls umher, als schon die ersten Takte von "Shout At The Devil" ertönen. Nachdem auch Vince Neil aus der Kiste entstiegen ist und sich die restlichen Jungs in Position gebracht haben, bricht ein derartiges pyrotechnisches Spektakel los, dass selbst Venom nach dem Feuerlöscher greifen würden. Am besten von allen hat sich noch Tommy Lee gehalten, der auf die Felle drischt, als gäbs kein Morgen. Mit bleicher Kriegsbemalung und seinem bunt verzierten Oberkörper nimmt man ihm ab, dass er Spaß bei der Sache hat. Nikki Sixx hat sich ebenfalls zünftig geschminkt und zupft einen ordentlich verreckten Bass. Mick Mars kann sich irgendwie kaum bewegen, wirkt etwas gequält und sieht verdammt alt aus - aber seine Riffs sitzen wie eine Eins, und die Gitarre hat den gleichen unnachahmliche Nageton wie anno 1982. Bleibt noch Vincy, der am meisten auseinandergegangen ist und am ehesten so wirkt, als ob er das alles nur so runterreißt. Wenn es darum geht, wirklich mit dem Publikum zu reden und nicht nur "get your hands up" zu rufen, dann übernehmen das Nikki Sixx oder Tommy Lee. Aber das fällt überhaupt nicht ins Gewicht vor dem Hintergrund der Stücke, durch die sie sich ungeniert bolzen: fast die ganze Shout At The Devil kommt zum Vortrag, und spätestens bei "Ten Seconds To Love" legen dann auch die Damen so richtig los, mit dem, was wir mal als Girl on Girl Action bezeichnen wollen. Da legst di nieder. "Red Hot" entpuppt sich wieder als Höhepunkt der Pyromanie, der beste Mötley-Kracher "Live Wire" bollert in einem Stroboskop-Gewitter daher (Erinnerungen werden wach an den ZDF Schüler-Express 1982, der über die Monsters Of Rock berichtete, bei denen sie Opener waren - wenn die Gitarre klingt wie eine Kreissäge, dachte ich mir, kann das nur gut sein), und bei "Girls Girls Girls" verwandelt sich die Bühne endgültig in ein einschlägiges Etablissement: Mighty Mike wird von einer Domina an der Hundeleine umhergeführt, die Jungs brettern auf ihren angefertigten Motorrädern auf die Bühne (sorry, Rob, aber die hier sehen dabei besser aus), und ansonsten agieren die Darstellerinnen, wie es dem tiefschürftenden Text dieses Stücks entspricht. Nur eine Andeutung: es ist möglich, mit einer Flex Funkensprühen an den interessantesten Stellen zu erzeugen ;-).
Schön stimmungsvoll dann die Balladensektion, in der Vince Neil selbst zur Gitarre greift und sehr ordentlich singt (ob das alles mit rechten Dingen zugeht, lassen wir mal dahingestellt). Dabei führen die "Aerialists" genannten Damen atemberaubende Luftakrobatik aus, die wir in ähnlicher Form ja schon auf der Cradle Of Filth-Tour zu "Nymphetamine" bestaunen durften. Eindrucksvoll!
Dann folgt die erste Solo-Einlage: Nikki Sixx macht uns da den Mad Scientist, der mit allerhand Elektro-Sounds hantiert und dabei mitten im sprichtwörtlichen Feuer steht. Eine alptraumhafte Sequenz, die der Atmosphäre des ganzen Gelages entspricht. Noch einen drauf setzt dann allerdings Tommy Lee mit seinem Drumsolo: hatte er auf der Theatre Of Pain-Tour ja bekanntlich schon einen Überschlag mitsamt seinem Drumset absolviert, fliegt er nun wie der leibhaftige Gene Simmons an den linken und rechten oberen Bühnenrand und brettert auf dort aufgestellten Sets mal industrielle, mal elektronische Klänge in die Menge. Respekt für diese Idee und auch die Ausführung - so kann ein Drumsolo durchaus mal ansehnlich sein. Innerhalb des Sleaze-Rock-Blocks, in dem die Reißer "Same Ol' Situation" und "Kickstart My Heart" nicht fehlen dürfen, gibt's dann natürlich für alle angereisten Damen im Publikum noch die Möglichkeit, dem mit einer eigenen Kamera bewaffneten Tommy ihre jeweils schlagkräftigsten beiden Argumente optisch zu präsentieren, was auch weidlich genutzt wird. Die beiden neuen Stücke braucht auch hier kein Mensch, und nach "Helter Skelter" und einem krachigen "Anarchy In The UK", das sie in Overalls absolvieren, ist dann Schluss.

Fazit: technisch hervorragend umgesetzt, von 20 Kameras eingefangen und von einer hochkarätigen Mannschaft zusammengebaut (Regie Hamish Hamilton, der schon für U2 und Madonna arbeitete, Sound Bob Rock, Mister Metallica himself), zeigt Carnival Of Sins eine mitreißende Gesamtshow, die weniger Konzert als Event ist. Hier haben sie ganz tief in die Trickkiste gegriffen und auf ihre alten Tage noch mal alle Register gezogen - und sprichwörtlich die Puppen tanzen lassen. Puh.

Vergessen kann man dagegen die Boni auf DVD 2: "Inside The Big Top - A Mötley Docrüementary" verspricht einen Blick hinter die Kulissen, bringt aber grade mal 30 Minuten Statements von Beteiligten und leider sehr wenig Material über die Jungs selbst - die bezeichnenderweise kaum gemeinsam vor die Kamera treten. "Meet & Greet" zeigt das eher traurige Schauspiel einiger Hardcore-Fans, die für 400 Dollar (!!!) ein so genanntes Platinum Paket erworben haben, das auch dazu berechtigt, die Band kurz zu treffen und Teile von einem zerhauenen Bass zu ergattern (echt). Könnte man auch als Weihnachtsgans-Aktion bezeichnen. Die Videos zu den neuen Stücken interessieren kaum, spannend ist dagegen der Zeitraffer des Bühnenaufbaus zu den Klängen von "On With The Show".
Also: auf die Extra-DVD hätte man verzichten können, das Hauptteil ist schon stark genug. Schade, dass wir armen europäischen Wichte den Herren nicht wichtig genug waren, ihre gesamte Show auch bei uns abzuziehen. Aber naja, man kann nicht alles haben. In jedem Fall gilt: wenn Frau Aguilera mal wirklich wissen will, was dirrrrty ist, dann sollte sie hier reinschauen.

Holgi

6 von 6 Punkten

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