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Konzert-Bericht

Dragonforce & Firewind

Backstage, München 08.11.2006

Bombenstimmung! Genau die herrschte beim New Backstage schon am Nachmittag, nur leider von der wörtlich verstandenen Art. Man hatte in unmittelbarer Nähe des Clubs eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und das Gelände sofort abgesperrt. Verspätungen, Chaos bis weit in den Abend hinein - auch die Bands wurden evakuiert und konnten erst später mit ihrem Aufbau und Soundcheck beginnen, wie mir Gus G. dann noch selbst zu berichten wusste. Aber dennoch konnten beide Konzerte planmäßig über die Bühne gehen.

Das war auch gut so, denn schließlich war hier in einer Packung die Speerspitze des modernen Power Metal unterwegs - mit Ausnahme-Saitenhexern in ihren Reihen, die jeweils ein Vergnügen der ganz besonderen Art versprachen. Und so versammelte sich vor den etwas länger als erwartet geschlossenen Toren des New Backstage eine bunte Schar Anhänger des melodischen Hochgeschwindigkeitsrauschs, wobei die Durchmischung mit Emo-Kiddies und Normalos durchaus ins Auge fiel.

Firewind, die griechische Formation um Wunderkind Gus G., hatte zur Gastspielreise nicht nur ihr brandaktuelles Langeisen Allegiance mit im Gepäck, sondern auch noch gleich ein paar neue Köpfe mit an Bord. Neben Mark Cross, der das Stühlchen hinter der Schlagzeugbude besetzt, schwingt nun Apollo Papathanasio das Mikro (zu den Gründen für die Neubesetzung siehe das Interview mit Gus). Ob die neue Formation die Wunderwerke von Allegiance nun auch mit Schmackes auf die Bühne zaubern, das fragten sich um etwa zwanzig vor neun schon an die 350 Nasen im sehr anständig gefüllten Backstage.
Gesegnet mit einem nur spärlichen Minibackdrop stürmten die griechischen Horden mit Energie die Bühne und feuerten gleich mit "Allegiance" und "Insanity" zwei Steuerknüppel auf den Tanzboden. Für einen Opener klang das alles sehr tight, für eine neu formierte Kombo gut eingespielt - und verdammt mitreißend. Göttersohn Apollo - vom Outfit her so gar nicht Metal - zeigte sich stimmlich stets auf der sprichwörtlichen Höhe und seinem Vorgänger mehr als ebenbürtig. Die Ansagen kamen teilweise in astreinem Deutsch - Respekt! Bei seiner Stage Action hat er eine gehörige Portion Bruce Dickinson abbekommen, und zwar im positiven Sinne: nur mit Gesten animierte er die Meute zur versammelten Euphoriebekundung (wobei die Emo-Meister leider immer sofort danach wieder abknickten...) und drehte so die Wattzahl im Publikum deutlich nach oben.
Bob Katsionis erfreute wechselweise mit Rhythmus-Salven und Keyboard-Arbeit, wenn auch die Technik hier ab und an Tücken zeigte. Schwamm drüber - Blickfang und Publikumsmagnet war natürlich Meister Gus himself, und der veredelte das Geschehen über den im Power Metal leider oft gebotenen Einheitsbrei. Seine Künste zu loben wäre - das muss jetzt sein - Plektren nach Athen getragen, aber man muss doch erstaunt sein, mit wie technischer Versiertheit und vor allem mit wie viel Feeling dieser junge Herr in die Saiten drischt. Nix von selbstverliebtem Skalengedudel - hier steht die Gitarre klar im Vordergrund, aber jedes Solo hat Spannung, Melodie und Atmosphäre. Highlights sind dann jeweils die Maiden-inspirierten harmonischen Gitarrenduelle mit Meister Katsionis, in dem Gus einen würdigen Sparringspartner hat. Seht her, so wird es gemacht, so spielt man wirklich spannend und nicht nervig, liebe Solisten! Das zeigte sich auch bei den älteren Reißern "Kill To Live" und "Beware The Beast", bevor Firewind dann mit "Falling To Pieces", der aktuellen Single-Auskopplung, auch Gespür für eingängigere Momente zeigten.
Nach dem heftig-deathig beginnenden, dann aber sehr melodisch weitergeführten Instrumental "Feast Of The Savages" und einem Mini-Drum-Solo (so kurz geht das in Ordnung) fetzten sie uns zur allgemeinen Begeisterung noch "Tyranny" um die Ohren, bevor leider Schluss war.
In ihrer neuesten Inkarnation fegen sie in der Tat wie ein Feuerhauch um die Häuser - das war schön, das war anders. Bestens!

Dragonforce ließen dann auch ein wenig auf sich warten, nachdem auch die Mannen um Herman Li von der allgemeinen Verzögerung betroffen waren. Zwischenzeitlich konnte man sich die netten Shirts ansehen, die teilweise deutlich Humor bewiesen: "Though I Walk Through The Valley Of The Damned... I Don't Give A Fuck Cos I'm Into Dragenforce!" Nachdem über die PA dann krachig Slayers "Raining Blood" gelaufen war - ob das zur Show gehört oder nicht, sei mal dahingestellt - stürmten die Briten auf die Bretter und begannen mit einem gemächlichen, getragenen, eher verträumten Stück... Bollocks!! Vollgas gabs natürlich auf die Mütze, die für Dragonforce so typische frenetische Raserei, garniert mit den brillanten Melodien von Herman Li und Sam Totman - am besten wohl als progressiver Power Metal bezeichnet - regierte von der ersten Sekunde an.
Dem Headliner-Status gemäß wurden die Mannen von der Insel abgefeiert, aber Shouter ZP Theart - absolut Metal mit zwei Meter langen Haaren und krachlederner Hos'n - war das bei weitem nicht genug - ganz deutlich gab er zu verstehen, dass ihm der Aktitiväts- und Mitsinglevel um so ungefähr siebzehn Ebenen zu tief war. Die Band selbst ließ sich nicht lumpen: Keyboarder Vadim Pruzhanov gab hinter seinem Tastengerät den unbezähmbaren Hüpf-Flummi, und Herman Li vollführte mit seiner Gitarre akrobatische Darbietungen, die es in sich hatten - Solo gespielt, am Tremolo gepackt, einmal hochreißen, wieder angepackt und weitergerupft. So gebührt es dem Gewinner des "Shredder Award" des UK Metal Hammer 2005! Das machte Laune und trieb den Stimmungspegel deutlich nach oben, so dass die Nacken bei Reißern wie "Through The Fire And Flames" oder "Revolution Deathsquad" vom aktuellen Langeisen Inhuman Rampage ordentlich massiert werden mussten.
Man muss dieser Kombo wirklich Respekt zollen, denn gerade auf im britischen Königreich regiert in der Regel nur der letzte Schrei, der von der Presse zunächst hochgejubelt und dann plattgemacht wird (siehe The Darkness) - und klassischer oder auch progressiver Power Metal ist ganz bestimmt nicht Hip, wobei es Dragonforce doch geschafft haben, die Generationen zu verbinden und auch die Kids anzusprechen. Und das mit einem Drumsound, der eher in die Thrash- oder Black-Ecke als in die Powerszene gehört.
So feierte man dann mit weiteren Stimmungsgranaten wie "Fury Of The Storm" oder "My Spirit Will Go On" ein frohes Fest, das ich leider nicht mehr ganz mitverfolgen konnte, da auch meine Interviewpläne durcheinandergeschmissen worden waren und ich somit während des Dragonforce-Gigs mit Gus schweigend im Gespräch vertieft war. Aber selbst die backstage im Backstage (schön, gell?) zu vernehmenden Reaktionen machten klar: Power Metal von solchem Kaliber schafft es, auch die Kids anzusprechen, die sonst mit klassischen Klängen nix anfangen mögen - und das macht Mut.
Eine runde Sache, bei der jeder Geneigte, der nicht anwesend war, massiv etwas verpasst hat.

Holgi

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