Konzert-Bericht
Xandria, Stream Of Passion & Lyriel
Backstage, München 22.05.2014
2014 scheint das Jahr des Female-Fronted-Symphonic-Metal-Fans zu sein, neben hochklassigen Veröffentlichungen und Konzerten von Within Temptation, Epica, ReVamp, Delain und Co können uns heute Stream of Passion und Xandria beweisen, ob auch sie sich in der Königsklasse des Genres tummeln dürfen.
Aber vor dem Vergnügen kommt wie immer erst die Arbeit und während Kollege Holgi und ich noch locker mit Xandria im Backstagebereich plaudern, um ein Interview zu fabrizieren, und das leidige Thema diskutieren, ob denn Xandria nun wie Nightwish klingen oder nicht, hat sich auf der Bühne schon die erste Band des Abends Lyriel mit gleich zwei hübschen Damen an vorderster Front, aber auch mit klassischem Instrumentarium wie Cello und Violine aufgebaut. Kredenzt wird dabei eine Mischung aus folkigem Blackmores-Night-Sound und klassischen, Nightwish-typischen Arrangements. Auch wenn nicht immer alle Töne genau da sitzen, wo sie hingehören, wird die Kapelle aus Gummersbach vom Publikum dank barocker Einlagen und melodischer Stärke wohlwollend aufgenommen. Alles in allem ein durchaus gelungener Auftakt in den Abend.
Als nächstes stürmen Stream Of Passion, die Band um die stimmgewaltige Mexikanerin Marcela Bovio, die Bühne, um zum ersten im wahrsten Sinne des Wortes symphonischen Höhepunkt des Abends auszuholen. Mit dem aktuellen Album A War Of Our Own im Gepäck und dem Opener "Monster" zeigen die Holländer, dass sie ihr Handwerk verstehen, und werfen dem Publikum mit einer enormen Motivation und Bühnenpräsenz neben durchaus kernigen Riffs massenweise verträumte und melancholische Melodien vor. Wobei die fesche, rothaarige Marcela dabei in Stimmlagen unterwegs ist, die das ein oder andere Glas zum Bersten bringen könnten. Chapeau, Madame - aber glücklicherweise sind die Bierflaschen im Backstage auch dieser Aufgabe gewachsen. Auch wenn die Stücke von Stream Of Passion relativ sperrig und komplex aus den Boxen quellen, scheinen Stream Of Passion den Nerv des inzwischen schweißgebadeten Publikums (in der Halle sind gefühlte 60 Grad) zu treffen und werden von den Anwesenden nach jedem Song brav mit frenetischem Applaus bedacht.
Nach kurzem Luftholen vor der Halle nun aber zum eigentlichen Headliner des heutigen Abends. Können sie es schaffen, das neue Kapitel in der Bandgeschichte auch live so gut umzusetzen wie auf dem aktuellen Album Sacrificium? Kommen die neuen Songs an? Macht Sangesgrazie Dianne eine so formidable Figur wie wir es erwarten dürfen? Und wird Flash Gordon den Klauen der Haimenschen entrinnen? Auf alle Fragen lautet die Antwort: ein schallendes Ja! (auch wenn die letzte nicht an diesem Donnerstagabend erfolgte, sondern im Vorabendprogramm bei Bayern 3 in den frühen 80ern). Xandria nehmen die durchaus respektabel gefüllte Backstage Halle (das Werk gegenüber ist zeitgleich durch die Schweizer Altrocker von Krokus belegt, auch wenn Kollege Sebbes permanent auf Gotthard besteht) sozusagen im Sturm. Ohne viel Federlesens steigen die neuformierten Symphoniker um Bandkopf Marco Heubaum gleich mit "Nightfall", der aktuellen Single nebst Video, ins Set ein, und die Menge goutiert das beherzte Auftreten von Anfang an. Satter Sound und eine unbändige Spielfreude stecken die Schlachtenbummler an, und spätestens als Frau Dianne auf die Bühne schreitet, kocht die Stimmung.
Hübsch anzusehen, in fast schon verwegen kurzem Beinkleid mit Vögelchenmuster, und stimmlich voll und ganz auf der Höhe - so schwingt sich die Niederländerin durch die Darbietung, die fast ausschließlich aus Material von Sacrificium und dem Vorgänger Neverworld's End besteht. Verständlich, dass sich Marco von "alten" Schaffensphase abgrenzen möchte, nachdem man nach eigenem Bekunden mit den Songs auf Salome oder India nicht mehr ganz zufrieden ist. Die Band agiert dabei selbstsicher und mit wachsender Begeisterung, während Dianne die stilsichere Dame mit der abgehenden Animateuse trefflich verbindet. Wenngleich (oder gerade weil?) sich Fotograf Sebbes beklagt, die Bühne sei viel zu dunkel, treffen weitere Kracher wie "Until The End" (mit feinen Maiden-Vibes) oder "Forevermore" (anregende Tanzeinlage von Frau Giersbergen) voll ins Schwarze. Der Titeltrack vom aktuellen Langeisen sorgt dann für eine gepflegte Baller-Attacke - episch, komplex, heftig. Bestens! "Come With Me" macht Freude, bei "Stardust" lassen wieder die englischen Jungfrauen um Herrn Harris grüßen, bevor dann Frau Giersbergen beim schön getragenenen "Undiscovered Land" ihre stimmlichen Qualität in ganzer Erhabenheit unter Beweis stellt. Anschließend gibt es ein Jubiläum zu bejubeln: man könne ein zehnjähriges Gedenken begehen, werden wir informiert, und siehe da - es ist eine komplette Dekade her, dass "Ravenheart" das Licht der Welt erblickte. Das bieten sie nun auch in einer sehr gelungenen Fassung dar, was der einzige Beitrag aus der ersten Xandria-Ära bleibt. Nach dem wieder aktuellen "Dreamkeeper" ist erst einmal Schicht, aber man lässt sich natürlich nicht lange bitten und legt mit "Nomad's Crown" und "Valentine" ordentlich nach. Dianne bedankt sich artig, man verbeugt sich mehrmals - und ein Konzertabend geht zu Ende, der nicht nur wegen der dampfbadähnlichen Temperaturen, sondern einer durchgängig hervorragenden Stimmung, einer gut aufgelegten Band und überzeugendem Songmaterial in Erinnerung bleibt. Top!
Setlist Xandria:
Nightfall
Blood On My Hands
Until The End
Forevermore
Sacrificium
Come With Me
Stardust
Cursed
The Undiscovered Land
Soulcrusher
Ravenheart
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Nomad's Crown
Valentine