Review
Holy Moses - Agony Of Death
Also, Sabina, das war ja immer etwas ganz Besonderes. In den goldenen 80ern war sie neben Doro Pesch und Jutta Weinhold von Zed Yago die einzige Dame, die sich in unsere Welt verirrte. Dann noch dieser abgefahrene Bandname, das mussten wir uns anhören. Und was man dann vernahm, war einfach unglaublich: auf Finished With The Dogs (1987) krachte uns ein Gebolze entgegen, wie wir das nur von Destruction und anderen Wüterichs gewohnt waren. Aber die Stimme, das war dann doch der Brecher. Wir machten uns immer einen Spaß und ließen Unbefangene raten, wer oder was denn da keift. Auf eine Frau wären die wenigsten gekommen. Das konnte nur gut sein.
Also schrieben wir flink den damals noch von Frau Classen selbst geführten Fanclub an, zumindest ich erhielt eine eigenhändige Antwort von Sabina und einen feschen Aufnäher, der seitdem die Jacke zierte. Und als mit The New Machine Of Liechtenstein (1989) auch noch ein Album mit Comic-Beilage versehen wurde, war der Kult perfekt. Sabina moderierte die Metal-Sendung Mosh im Satellitenfernsehen, und selbst im Tatort durften sie einen Auftritt absolvieren und zum kollektiven Kopfschütteln in den bürgerlichen Wohnzimmern führen.
Nun, aber auch an dieser Kombo gingen die 90er nicht spurlos vorbei, Sabina gründete derweil Temple Of The Absurd und meldete sich erst 2001 mit Master Of Desaster in der Inkarnation Holy Moses zurück. Nun waren die Zeichen der Zeit aber andere: Frontfrauen im Metal waren und sind durchaus angesagt, und zwar nicht nur Trällerdamen, sondern astreine Grunzamazonen wie Angela Gossow von Arch Enemy oder Masha (Exilia). Der Novitätsfaktor also ist weg - somit muss man durchaus gespannt sein, wie Holy Moses 2008 klingen.
Und, was soll ich sagen, Freunde: sie klingen einfach nur krass, abgefahren, großartig. Wo die Frühwerke noch wütende Hassbolzen waren, liefert die aktuelle Scheibe ein ausgefeiltes Werk voller Variation, Überraschungen und stimmigem Songwriting. Die Schreiberlinge Frau Classen und Michael Hankel (seines Zeichens Allround-Gitarrero und Komponist) gönnen uns atmosphärische Intros, die vor allem durch Gastmusiker Ferdy Doernberg mit Keyboards und Samples inszeniert werden, bevor dann jeweils brachiale Riffgewitter über uns hereinbrechen, die immer in komplexen Arrangements daherkommen. Kostprobe: der erste Track "Imagination", der bei über sechs Minuten Spielzeit gloriosen Thrash und gekonntes Songwriting verbindet. Teilweise kommen die Stücke für mosaische Verhältnisse sehr melodisch daher ("World In Darkness"), aber natürlich dürfen die um sich schlagenden Stakkato-Attacken auch nicht fehlen ("Bloodbound Of The Damned"). Auch jenseits der Intros/Outros tummeln sich illustre Gastmusiker auf der Scheiblette: Ralph Santolla (u.a. Obituary, Iced Earth), der gleich zwei Soli ballert, und unser guter Schmier himself, der bei "The Cave" im Background mitröhrt, seien als Beispiele genannt.
Und die Lady? Nun, die hatte, wie sie selbst sagt, noch nie eine so komfortable Situation: volle sechs Monate konnte sie sich mit den Vocals Zeit lassen, herausgekommen ist dabei eine breite "Palette von hysterischem Kreischen bis hin zu tiefen Growls". Yeah, man, und so klingt das dann auch.
Kurz und gut, den Sticker lasse ich auf der Jacke drauf. Denn Holy Moses brüllen und thrashen wie eh und je. Eigentlich besser.