Festival-Bericht
Hammer Of Doom
mit Saint Vitus, Trouble, Avatarium, Orange Goblin, Ruins Of Beverast, Hamferd, Kadavar, Jess And The Ancient Ones, Hamferd, Mount Salem, Epitaph (ITA), Doomocracy, Wolvespirit, Wucan & Mist
Posthalle, Würzburg 14. & 15.11.2014
(Fotogalerien: Hammerofdoom2014 )
Samstag, 15. November 2014
Nach einem morgendlichen Spaziergang durch Würzburg, inklusive höchst lohnenswertem Sightseeing (u.a. Residenz), kamen wir am Samstag relativ früh an der Halle an, sodass genügend Zeit war, sich die Merchandise-Stände näher anzuschauen (hab einen echt coolen Mercyful Fate-Patch ergattern können) oder im durch einen Vorhang abgetrennten Ausspannbereich abzuhängen und so bestens gelaunt auf den Opener Wucan zu warten. Im Übrigen wurde überhaupt für genügend Sitzmöglichkeiten gesorgt, da zwölf Stunden zu stehen sicher nicht jedermanns Sache ist. Angereist aus Dresden zelebrierten also als Start-Up Frontdame, Gitarristin und Flötistin in Personalunion Francis und ihre Mannen ihren selbst betitelten Topsy-Turvy Higgledy-Piggledy Folk-Blues-Psych-Stoner-ProtoMetal-Soul und riefen zumindest bei den noch wenigen Umherstehenden Mitwippen und mehr als Höflichkeitsapplaus hervor. Songs wie "Big Red Bun" oder "Franis Vikarma" erinnern nicht selten an Jethro Tull, natürlich aufgrund der Querflöte, machten aber Laune, wenn auch der Flöteneinsatz einigen im Publikum zu viel wurde. Doch gerade dies scheint den Sound von Wucan ja auszumachen, die sich summa summarum als guter Opener präsentierten.
Relativ früh im Billing stand danach die slowenische (fast) Allgirl-Band (vier Mädels, plus Gitarrist Blaz Tansek) auf den Brettern; vielleicht, um auch hinterher alle folgenden Bands schön abfeiern zu können... Als Geheimtipp von Stallions Frontman Paul nach Würzburg gelotst, wussten Mist mit einer Mischung aus klassischem Doom, mal mit mehr, mal mit weniger epischer Couleur, durchaus zu gefallen. Sängerin Nina Spruks Stimme zeigte sich live mit viel mehr Power und Volumen ausgestattet, als auf den vorab gehörten Aufnahmen der Band und der gecoverte Candlemass-Alltimeclassic "Bewitched" tat sein Übriges, um sich den Namen Mist für die Zukunft zu merken. Sympathischer Auftritt!
Doomocracy haben wir im Anschluss leider verpasst, da es zwecks Mittagessen zum am Bahnhof um die Ecke liegenden Asia-Restaurant ging, und so liefen wir erst wieder zu den Italo-Doomern Epitaph (ITA) ein. Diese setzten als einzige Band im Billing auf einige Side-Showeffekte, wie zum Beispiel, dass Sänger Emiliano Cioffi anfangs quasi unerkannt am Bühnenrand kauerte, um dann wie der sprichwörtliche Kai aus der Kiste zu springen, oder die in Mönchskutten gekleideten Stage-Mädels. Vor allem die Songs der bis 1994 veröffentlichten Demos wussten dabei zu überzeugen, das Material der erst jüngst erschienenen ersten (!) Studioplatte Crawling Out Of The Crypt hat zwar seine Stärken, konnte beim Publikum jedoch nicht so recht zünden. Am Vortrag des Frontmans schieden sich derweil die Geister: natürlich sollten seine Verrenkungen, seine irre Mimik so wirken, als sei er vom sprichwörtlichen Teufel besessen, das kontinuierliche Erwärmen einer nicht zu identifizierenden Flüssigkeit in einem Reagenzglas mittels Feuerzeug schien jedoch gelinde gesagt etwas übertrieben. Musikalisch ein solider Auftritt, die Show blieb zwar zwiespältig, aber immerhin im Gedächtnis hängen.
Anders die darauf folgenden Mount Salem aus Chicago, die da in gewissem Sinne authentischer wirkten. Zwar ist der Sound der Formation um Sängerin/Keyboarderin (diese Zusammenstellung erinnerte sogleich an Jex Thoth) Emily eher im psychedelischen Stoner Rock angesiedelt, die einzelnen Stücke wurden jedoch mit einer gehörigen Portion Energie und, wieder, viel Leidenschaft vorgetragen, sodass Mount Salem auch bei Die-Hard-Doomern Anklang gefunden haben könnten. Lediglich eine EP hat die Band bis dato auf dem Markt, welche auf den Namen Endless hört. Davon gab's dann auch Songs wie "Full Moon", "Good Times" oder das, Youtube macht's möglich, bekanntere "Lucid", welches in Komposition und Overall-Ausrichtung mit Stücken von Kadavar verglichen werden kann - wäre da nicht die schier unglaubliche Stimme von Sängerin Emily. Sagenhaft, was diese eher schmächtige Frau aus sich heraus holen konnte. Tolle Band, tolle Songs und hoffentlich bald eine Langrille im Kasten - noch eine der Entdeckungen des Events.
Danach oblag es Hamferd, erneut für einen Kontrastpunkt im Billing zu sorgen. Death Doom mit faröischen Texten (denn von den Faröer Inseln stammt das Sextett) wird dem sphärisch angelegten Brachialsound von Hamferd nur bedingt gerecht. Stücke wie "Vid Teimum Kvirru Grau" oder "Vrain" sind mit meisterhaft angelegter inhärenter Dynamik und Überlänge Mini-Epen voller Lavaströme und urplötzlicher Eruptionen oder Streifzüge durch die eigenartigen Landschaften, wo die Herren herkommen. Muss man gehört oder gesehen haben, um es vollends zu verstehen. Sänger Jon Aldara ist mit einem für diese Musik exakt passenden Organ ausgestattet und wechselte fast spielerisch von tiefsten Growls zu choralisch anmutenden Gesangspassagen. Der ganze Auftritt erschien dabei zwar wie ein einziger langer Song, aber ich denke, dies war auch der intentionale Gedanke - einzutauchen in die Welt von Hamferd. Klasse!!
Mit den Ruins Of Beverast und ihrem schwarzmetallisch ausgerichteten Doom stand danach erneut ein weiterer Schwenk in Richtung einer anderen Musikrichtung an, wobei auch hier Longtracks, die in sich Spannung aufbauen, ins Rund gefeuert wurden. Ex-Nagelfarer Alexander von Meilenwald, Erfinder der Ruins Of Beverast, Mastermind hinter dem (eigentlich) Ein-Mann-Projekt und Komponist der Songs hatte also erneut einige Musiker um sich geschart, um die schweren und teilweise vor Eiseskälte klirrenden Stücke dem versammelten Doom-Volk live zu präsentieren. Leicht verdaulich geht selbstredend anders und man wurde alles in allem das Gefühl nicht los, dass diese Band entweder auf Platte oder in einem kleinen Club besser funktioniert. Dennoch gab es mit "Daemon" oder "Between Bronze Walls" Kunstwerke zu hören, die in ihrem Sektor schlicht einzigartig sind und dem Festival einen weiteren Farbtupfer, wenn dieser auch tiefschwarz ausfiel, hinzu setzte.
Candlemass scheinen Geschichte zu sein. Long live Avatarium, die neue Band bzw. das neue Projekt von Doom-Legende Leif Edling. Der Mix aus schweren Doom-Riffs und Classic-Rock der 70er, manchmal fast poppigen Melodie-Versatzstücken und Progressiv-Metal-Einsprengseln funktionierte auch beim Hammer Of Doom ganz großartig. Mit einigen Vorschusslorbeeren ausgestattet schaffte es vor allem die Ausnahmesängerin Jennie-Ann Smith quasi ab der ersten Nummer, Drähte zum Publikum auszubauen und so entwickelte sich die Show mehr und mehr zum Triumphzug. Dargeboten wurden Stücke vom bis dato einzigen Album Avatarium wie der Doom-Brocken "Tides Of Telepathy", das bekanntere "Bone Flower", "Moonhorse", in welchem alle Facetten der Band zum Tragen kamen, oder das mit einem Sammelsurium an heavy Riffs auskomponierte "Bird Of Prey". Smith leitete auf sympathische Art und Weise durchs Programm und begeisterte ein ums andere Mal mit ihrer bluesig angehauchten Stimmfarbe, wobei insgesamt viel Betrieb auf der Bühne herrschte, heißt, die ganze Band in die Stageshow involviert war. Am Ende gab's dann die Bandhymne "Avatarium" und frenetischen Applaus für eine exzellente Vorstellung. Ende dieses Jahres sind Avatarium mit Amorphis unterwegs - ein Package, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Mit Orange Goblin stand im Anschluss wohl die Combo mit den meisten Uptempo-Songs auf dem Programm. Mittlerweile kann man die Stoner Rock-Vorreiter ja fast als Szeneveteranen bezeichnen, treiben sie doch nun schon seit fast zwanzig Jahren ihr Unwesen auf den Bühnen dieser Welt. Ben Ward, Joe Hoare und Co. boten an diesem Abend einen Querschnitt durch ihre Bandhistorie, der von manchen wie eine Offenbarung abgefeiert wurde, von manchen nickend beobachtet, von manchen lediglich registriert. Tracks wie "Acid Trial", "Some You Win, Some You Lose" oder die Brecher "Devil's Whip" und "The Fog" wurzeln sicher auch im Doom Metal, doch haben Orange Goblin längst ihren ureigenen Stilmix aus Stoner Rock, Motörhead und eben Doom gefunden - entsprechend selbstbewusst und energetisch fiel die Show aus. An deren Ende wurde mit "Red Tide Rising" noch einer der Bandhits abgefeuert, sodass Orange Goblin sicher ein paar Anhänger hinzu gewonnen haben.
Was folgte, war der Moment, die Band oder der Auftritt, auf den wohl 80 Prozent der Zuschauer (allein der Shirts und Patches nach zu schließen) gewartet hatten: die Doom-Urväter Saint Vitus gaben sich die Ehre. Doch sollte dieser Abend ein ganz spezieller werden, wie Riff-Legende Dave Chandler gleich zu Anfang des Sets zu erklären versuchte. Denn Wino, Sänger und selbst legendär für sein Gesamtwerk im Genre, war drei Tage zuvor am Flughafen verhaftet worden, da er diverse illegale Substanzen mit sich führte, was ja bekanntlich fast überall verboten ist. So durfte der gute Wino erst gar nicht einreisen und wurde prompt in die Staaten zurück verschifft. Dies führte schließlich dazu, dass Chandler selbst bei den meisten Stücken hinter dem Micro stand und ab und an Schlagzeuger Henry Vasquez, Gerrit von Dawn Of Winter oder gar Tourmanager John Perez die Vocals übernahmen. Eine recht exklusive Geschichte also in jedem Fall. An der Songauswahl kann aber auch gar nichts herum gekrittelt werden: "White Stallions", "Living Backwards" und "I Bleed Black", sogar "The Troll" und "H.A.A.G." sowie die Übersongs "War Is Our Destiny", "Dying Inside" und "Clear Windowpane" wurden alle gespielt. Die Festivalhymne "Born Too Late" zierte das Ende des regulären Sets und "Saint Vitus" gab's noch obendrauf. Mr. Chandler ließ sich von den Unwägbarkeiten nicht ablenken und krächzte und schrie die Vocals ins Mikro, gewandet in ein EC f***in W-Shirt (Extreme Championship Wrestling), was ihm dazu noch den Extra-Award für den lässigsten Auftritt am ganzen Wochenende einbrachte. Dennoch wurde Wino hier und da vermisst. Viele Vitus-Stücke funktionieren einfach nur mit der unverkennbaren Stimme des Herrn Weinrich. Aber Saint Vitus haben es ohne mit der Wimper zu zucken auch ohne ihn durchgezogen - für die Fans! Denn von ihrer Streetcredibility und Bodenständigkeit hat diese Band über die vielen, vielen, oft nicht einfachen Karriere-Jahre nix, aber auch gar nix verloren.
So ging es also zu Ende, das diesjährige Hammer Of Doom. Ein vielleicht im Vorfeld gewagtes Billing hat alle Zweifler an diesen zwei Tagen verstummen lassen. Die Organisation ließ meines Erachtens keine Wünsche übrig: Sound und Lightshow waren im Eigentlichen durchweg optimal, die Security war hilfsbereit und schlicht gut drauf, die Preise waren angemessen und die Stimmung war zwei Tage lang sehr gut, wenn auch nicht party-like ausgelassen. Aber wir waren ja auch nicht in Wacken, sondern auf einem Festival, wo man der Musik, der tollen Gesamt-Atmosphäre wegen hingeht und, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen - auf dem Hammer Of Doom. Nächstes Jahr zu 100 Prozent auf ein Neues!! "Peace ... if ya like it!" (Dave Chandler zum Abschied)
Fuxx
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