Festival-Bericht
Bang Your Head!!!
mit Edguy, Venom, Exodus, Gotthard, Thin Lizzy, Arch Enemy, Sabaton, Primordial, Kamelot, Powerwolf, Primal Fear, Axxis, Armored Saint, Tankard & Firewind
Messegelände Balingen, Balingen 13. & 14.07.2012
Jedes Jahr die gleiche Sache. Die Harten kommen bekanntlicherweise in den Garten, aber auch nach Wacken. Das ist gut so, und fein, aber nix für zwei ältere Herren, die ein Mindestmaß an Zivilisation benötigen. Und deshalb begebe ich mich schon seit Jahren, und in den letzten beiden auch in kundiger Begleitung eines seit ewigen Zeiten befreundeten Mitstreiters, eben nicht in den hohen Norden, auch wenn uns das jedes Jahr wieder lockt - sondern eben auf die Hohenzollernalb, wo seit 1996 regelmäßig und mit wachsendem Erfolg die eher traditionelle Fraktion auf ihre Kosten kommt. Da gibt es alles, was das gesetzte Herz begehrt: einen schon fast gepachteten Parkplatz beim Aldi nur fünf Minuten vom Festival-Gelände entfernt, festen Grund und Boden (nix wacker Acker!) und dank der mit genutzten Messehalle sogar ein Dach überm Kopf und echte Toiletten. Kurzum, alles, was es bei der Kuh um die Ecke in Wacken eben nicht gibt, und da lässt man es sich dann auch mal gefallen, dass das Billing nicht ganz so hochkarätig ist. Und wenn 2012 auch der ganz große Headliner-Kracher nicht dabei war, gab es doch so viele positive Überraschungen, dass die Ampel für nächstes Jahr ganz klar aussieht - oder, in den Worten des alljährlichen Dialoges mit der Pensionsbesitzerin: "Kommed sche neggschdesch Jahr widder?" "Ja, ich denke schon" "Da du isch desch Zimmer schon emal rescherviere!" Da bleibt einem doch gar nichts anderesch übrig, als Höggschdleischdung abbzurufe... Debbie, was heißt Bang Your Head noch mal auf Englisch?
Freitag, 13.07.2012
Aufgrund diverser Verpflichtungen professioneller Natur (gscheid daher geredet für keinen Urlaub nehmen können) laufen wir nach lustiger Hatz durchs Schwabenland just rechtzeitig zum Powerwolf ein, als der genannte Kollege schon längst präsent ist und daher einen Korrespondentenbericht über das bereits Ereignete liefert. So vernehmen wir erfreut, dass die Rasselbande um Ausnahmegitarrist Gus G. beweist, dass Griechenland mehr kann als Geld ausgeben, was ihnen nicht gehört: der Kollege, der seit 2009 bei Ozzy in die Saiten greift, ballert mit seiner "eigenen" Band Firewind auch live gehörig. Melodisch, schnell, technisch versiert serviert Virtuose Gus Nummern wie "Head Up High", "Wall Of Fire" oder "The Fire And The Fury" und zeigt damit, dass pfeilschneller Melodic Metal auch in Balingen immer funktioniert. Haarrotor inklusive. Fein!
Seit bei Anthrax wieder Joey Belladonna das Mikro schwingt, ist John Bush zumindest in dieser Hinsicht arbeitslos - aber offenkundig lässt er sich nicht verdrießen, sondern reist mit seiner Kombo Armored Saint durch die Lande und macht dabei auch in Balingen Station. Das ist nichts Neues, waren die Mannen doch schon 2001 und 2006 zu Gast in Schwaben. Aber heute darf man mal durchaus ein Fragezeichen in Sachen Modegeschmack machen - keine Ahnung was John Bush geraucht hat, aber das scheint ein gutes Kraut zu sein, denn sonst tritt (außer vielleicht Tobi Sammet, aber das ist was anderes) keiner in pink an. Trotzdem mundet der klassische Metal der Amis nach all den Jahren immer noch perfekt, Bushs Stimme passt zum Material wie der Bobbes auf den Eimer, er macht den Animationskünstler (und ruft dabei ca. 200 Mal "I can't hear you!"), und natürlich darf mit "March Of The Saints" auch der große Klassiker nicht fehlen.
So, und jetzt läuft der Papa dann auch mal endlich ein, als die Recken von Powerwolf gerade ihre spaßige schwarze Messe zelebrieren. Beim letzten Balingen-Outing 2009 noch vom strömenden Regen gehindert, können die Kollegen heute bei Sonnenschein aufspielen und legen eine wie immer amüsante und mitreißende Show auf die Bretter. Die übliche Show mit Priestergewand und Käsegesicht garniert die textlich durchaus ähnlich gelagerten Stückchen mit vielsagenden Titeln wie "We Drink Your Blood", "All You Need Is Blood" oder "Schwarzwälder Blood" (nein, das war jetzt ein Gag, ok?). Aber es gibt auch Variationen wie "Raise Your Fist" oder natürlich die obligatorischen "Werewolves Of Romania". Das lustige Pseudo-Rumänisch-Deutsch des Frontpriesters mit dem üblichen "Vielen Dankescheeen!" gehört auch dazu, und die eingängigen Hymnen verfehlen ihre Wirkung nicht. Das Rund ist gut gefüllt, die Menge geht mit - gute Leistung.
Die bieten dann auch Kamelot, die mit ihrem epischen Metal genau nach Balingen passen. Mit Sänger Roy Kahn musste man 2011 einen Abgang verkraften, der erst kurz vor dem Auftritt in Balingen durch Neuzugang Tommy Karevik ersetzt wurde, was der kraftvollen Darbietung heute keinen Abbruch tut: begleitet durch massive Pyro-Effekte inszenieren die Herren ihren epischen, teilweise recht komplexen Powermetal mit Material wie "Rule The World", "Ghost Opera" oder dem feinen "Center Of The Universe" gekonnt, wobei die Publikumsdichte im Vergleich zu Powerwolf etwas nachlässt. Schade eigentlich, denn die Nichtanwesenden verpassen den durchaus graziösen Auftritt von Gastsängerin Elise Ryd, eigentlich tätig bei Amaranthe - und der hat's akustisch ebenso in sich wie optisch. Eine der ersten angenehmen Überraschungen des Tages.
So meine Herren und jetzt wird's ernst! Denn nun werden Sie ganz gepflegt aber gehörig in den Allerwertesten getreten. Melodischer Death Metal steht auf dem Programm, und zwar einer der ganz besonderen Art: Angela Gossow schickt sich an, uns zu versohlen, und was ihre Kollegen von Arch Enemy in der folgenden guten Stunde abziehen, hat sich gewaschen. Nietenlederjackenbewehrt grunzt sich die Holde, die irgendwie unfotogen ist (sieht live echt gut aus), durch Brecher wie "Yesterday Is Dead And Gone", "My Apocalypse" oder "Blood Stained Cross". Dass die Instrumentalfraktion um Saitenhexer Michael Amott über jeden Zweifel erhaben ist, muss nicht erwähnt werden, und auch wenn Frau Gossow an der einen oder anderen Stelle nicht auf der vollen gutturalen Höhe und der "Gesang" recht leise gemischt ist, macht sie das durch sympathische Sprüche locker wett - "danke, dass ihr euch unseren Krach anhört", meint sie augenzwinkernd, "wir sind das Gegenprogramm zu dem ganzen Eier-Ab-Gesang auf diesem Festival". "In This Shallow Grave" gerät zur Ballerei ohne Ende, und so bleibt unter dem Strich ein berauschender Auftritt und der klare Gewinner des ersten Festival-Tages. Und irgendwann zieht sie dann auch noch die Jacke aus. Sauerei!
Auch wenn Thin Lizzy 2003 schon einmal in Balingen aufspielten, hatte ich doch so meine Zweifel - kann das denn irgendwie funktionieren, so mehr oder weniger ohne alte Mitglieder und vor allem ohne einen der charismatischsten Fronter, der jemals die Rockwelt zierte? Nun, sind wir mal aufgeschlossen - immerhin kann die Formation durchaus überzeugen. Neben den Ur-Mitstreitern, dem Gitarrengott Scott Gorham und Brian Downey, hat man mit Vivian Campbell (ehemals Def Leppard), Ricky Warwick von The Almighty und Sonnyboy Marco Mendoza am Bass durchaus gewichtige Größen an Bord. Die steigen dann mit "Are You Ready" und "Jailbreak" auch gleich mit Schmackes ein, das Lizzy-Logo prangt wie in den besten Zeiten mit Lichtern umrahmt als Backdrop, und... ja, er kann es, Warwick ist stimmlich gar nicht mal so weit vom unerreichten Phil Lynott weg. Den gibt - zumindest was das Posieren anbelangt - Meister Mendoza ebenso gekonnt am Bass, und damit schenken wir den Herren mal geneigt unser Gehör. Auch wenn Scott Gorham aussieht wie der Onkel von nebenan und Drummer Downey auch bei den Stones nicht auffallen würde, ist der Gitarrensound astrein, die unnachahmlichen zweistimmigen Läufe (manchmal spielen sie dank der Künste von Herrn Warwick sogar mit drei Gitarren - das geht ehrlich!), die ja immerhin nicht zuletzt einen gewissen Steve Harris beeindruckt haben (also auch hier, drei Gitarren geht), kommen sauber, und das Songmaterial ist erstklassig: "Don't Believe A Word", "Dancing In The Moonlight", "Emerald", alles ist am Start. Der alte Reißer und erste Hit "Whiskey In The Jar" (Warwick an der akustischen Klampfe!) animiert dann wirklich den letzten zum Mitsingen - und dann fängt der Regen an. Und zwar richtig. Und das ist verdammt schade, denn leider ziehen sich jetzt doch einige zurück, und die Kollegen bekommen nicht den Zuspruch den sie eigentlich verdient hätten. Aber unverdrossen ballern sie weiter mit "Rosalie", einem tollen "Black Rose" mit feinen Harmonien - "we sing it for Mr. Lynott and Mr. Moore", da regt sich Gänsehaut. Beim "Cowboy Song" spielt Meister Warwick atmosphärisch Mundharmonika, aber der Regen wird immer heftiger, und so retten sie sich ohne viel Federlesens in ein zackiges "The Boys Are Back In Town", bevor dann Schicht ist.
Dass sich an Venom die Geister scheiden würden, das war von Anfang an klar - für die einen sind sie anarchische Begründer eines ganzen Genres, trug ihr zweites Album doch den ominösen Titel Black Metal. Für die anderen waren und sind es hilflose Stümper, die einfach nur sinnlos durch die Gegend lärmen. Somit ist es zumindest fraglich, ob es nur am mittlerweile strömenden Regen liegt, dass für Headliner-Verhältnisse der Publikumsandrang sagen wir mal eher gemäßigt ist. Als die Herren weiland beim Metal Hammer Festival auf der Loreley 1985 zusammen mit den noch jungen Warlock, Pretty Maids, Running Wild und Metallica spielten, lösten sie nach Augenzeugenberichten meines Mitgereisten (Mann sind wir alt, das gibt's ja wohl nicht) scharenweises Fanabwandern aus - schauen wir mal ob das auch heute so kommt. Von der alten Besetzung ist nicht mehr viel übrig - Mantas und Abbadon haben nach einigen Splits und Reunions endgültig das Weite gesucht, so dass Mastermind Conrad Lant, in Niedersachsen auch bekannt als Cronos, mit zwei jüngeren Kollegen unterwegs ist. Die Bühne wird in Blutrot getaucht, Donnerschlagzeug setzt ein, und dann geht's dahin - und unheimlich sieht er schon aus, der Gute, mit seiner seltsamen hohen Stirn, den Riesenstiefeln und dem Rauschehaar. Der Sound ist nicht so komplett grottig wie von mir erwartet, und als man als erste Nummer gleich "Black Metal" ins Rund feuert, gibt es sogar einige Begeisterungsbekundungen. Drummer Danny "Dante" Needham bearbeitet die Felle mit Schmackes, Gitarrero La Rage kann schon was auf seinem Instrument, und Meister Cronos röhrt auch nicht schlimmer als Genre-Kollegen. Was 1981 radikal und kompromisslos klang, wirkt heute wenig schreckenerregend - "Welcome To Hell" inklusive. Ein durchaus zum Plaudern aufgeregter Mr. Lant erklärt nun, man werde ein "spezial set" spielen - jeweils ein Song von Black Metal und einer von Welcome To Hell. Für Puristen und Fans doch eigentlich ein Leckerbissen, möchte man meinen? Nun, spätestens nach Song Nummero Drei stellt sich ein gewisser Ermüdungsfaktor ein - was man im positiven Sinne als punkig-minimalistisch bezeichnen könnte, mag auf andere langweilig wirken. Der Regen tut sein Übriges, und so steht am Ende des Gigs ein im Vergleich zum Folgetag eher kleines Häuflein Unentwegter da, um sich die Wüteriche anzusehen.
Zeitgleich zelebrieren in der (trockenen!) Halle vor gar nicht mal so wenig Leuten die Finnen von Moonsorrow ihren epischen Pagan Metal, der meinen Mitschlachtenbummler (der sich Venom ja schon vor 27 Jahren auf der Loreley nicht gänzlich geben wollte) zur Aussage hinreißt, dies sei ja wohl eine "hervorragende Performance" gewesen. Nun, das sei ihm geglaubt, und somit beschließen wir Tag eins.
Und in der Pause unterhalten wir Sie mit einem kleinen Gewinnspiel: wählen Sie das amüsanteste oder bizarrste T-Shirt des Festivals! Denn zu meinem Lieblingssport gehört es, neben den ganzen drögen Schwarzkitteln und den ach so spaßigen "Bier formte diesen Körper"-Freds (ja, sieht man, leider) auch die wirklich originellen Vertreter herauszupicken. Der Favorit der letzten Jahre - rot, hinten weiße Schrift "Familie Schmidt" - war nicht zugegen, aber wir haben würdigen Ersatz gefunden! Bitte wählen Sie jetzt Ihren Kandidaten und rufen Sie an:
1. Ich war Schizophren aber jetzt sind wir ok (fast schon erkenntnistheoretisch wertvoll)
2. Ich habe die Magersucht überwunden. Du kannst es auch schaffen! (funktioniert immer nur mit Trägern mit entsprechender Leibesfülle)
3. Spielplatz Burzelbach. Elternfreie Zone. (genial in der völligen Deplatziertheit. Echter Rock'n'Roll).
4. Die Sonne ist ein Drecksack (eigentlich außer Konkurrenz, da eigens für mich angefertigtes Unikat...)
Als Preis winken wie immer ein Kofferradio, eine LP und ein Abendessen mit Alice Schwarzer. Bitte nicht mehr anrufen.
Zur ÜbersichtZur Hauptseite