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Festival-Bericht

Bang Your Head!!!

mit Edguy, Heaven & Hell, Hammerfall, W.A.S.P., Amon Amarth, Thunder, Dark Tranquillity, Brainstorm, Evergrey, Finntroll, Vicious Rumors, Lethal, Archer, Mystic Prophecy, Powermad, Mercenary, Amorphis, Brainstorm & Nazareth

Messegelände Balingen, Balingen 22.-23.06.2007

Freitag, 22. Juni 2007

Nachdem ich aufgrund diverser Interview-Verpflichtungen die ersten Kombos nicht direkt erleben kann, steige ich mit Lethal ins Geschehen ein. Die Amis waren kurz vor knapp als Ersatz für die ursprünglich geplanten Steelheart eingesprungen und machen einen hervorragenden Job. Ihr 1990er-Album Programmed stellt nach wie vor ihr größtes Pfund dar, mit dem sie auch gewaltig wuchern: fabriziert wird Power Metal mit Queensryche-Reminiszenzen allenthalten, garniert mit den herausragenden Vocals von Tom Mallicoat. Saubere Leistung, für die Lethal zu Recht sogar kleine Sprechchöre ernten.

Mit einiger Spannung wartet das noch sehr überschaubare Volk dann auf Vicious Rumours, die Rasselbande um Gitarrist Geoff Thorpe, die mit ihren vier ersten Alben in den 80ern für Furore sorgte. Nach der Reunion 2005 meldeten sich die Jungs mit dem 2006 veröffentlichten Warball zurück, und ihr schmissiger Power Metal zündet auch in Balingen überraschend gut, wenn man bedenkt, dass wir nach wie vor über krassestes Tageslicht sprechen. Visches Rummers, wie man sie immer nannte, wissen vor allem durch eine enorme Spielfreude und einen höchst motivierten, bestens aufgelegten Shouter James Rivera zu gefallen. Highlights markieren Stücke wie "Soldiers Of The Night" oder "Welcome To The Ball" von den jeweilig gleichnamigen Alben. In dieser Form sind die Herren jederzeit gerne gesehen!

Nachdem es der Wettergott nach Startschwierigkeiten immer besser meint, können Evergrey unter strahlend blauem Himmel aufspielen. Die vier Schweden präsentieren ihren melodischen Metal mit diversen Prog- und Gothic-Einsprengseln in bester Manier, passen aber irgendwie nicht zum Beach-Grill-Wetter. Tom Englund und seine Kumpane lassen sich davon nicht verdrießen, sondern werfen gut aufgelegt Nummern wie "Solitude Within" oder "Recreation" in die nun endlich größer werdende Menge. Durch den erneut sehr guten Gesang, stimmige Keyboard-Einsätze und mitreißende Gitarrenduelle können Evergrey dann bei Stücken wie "Touch Of The Blessing" oder "The Masterplan" doch noch mächtig punkten.

Mit Dark Tranquillity schreiten dann die ersten Vertreter des nach wie vor recht trendigen melodischen Todesgebolzes auf die Bretter. Mikael Stanne und seine Mannen können dabei mit Fug und Recht behaupten, gemeinsam mit In Flames und At The Gates dieses Genre geschaffen zu haben, und diese Erfahrung zahlt sich aus: obwohl sich die Schlachtenbummler vor der Bühne nach wie vor eher rar machen, präsentiert sich das Schwedenkommando in bester Laune und zelebriert seinen atmosphärisch dichten Sound in höchst überzeugender Manier. Herr Stanne grunzt und schreit sich beeindruckend durch melodische Knüppel-aus-dem-Sack-Reißer wie "The Lesser Faith", "The Reason Why" oder "Crown Of Misery". Mit "Focus Shift" verabschiedeten sich Dark Tranquillity nach einer sehr guten Vorstellung mit der aktuellen Single, die wieder von großen Taten kündet. Metalcoreler, so wird es gemacht!

Zumindest für mich steht spätestens jetzt einer der Höhepunkte des ersten Tages bevor: nachdem ich das Vergnügen hatte, die Herren von Thunder kurz vorher zu interviewen, darf man jetzt auf die Live-Qualitäten der britischen Hard Rocker gespannt sein. Immerhin sprangen sie 1990 aus dem Nichts auf die Bühne des Monsters Of Rock in Donington und waren bis Mitte der 90er eine feste Größe im Live-Geschäft. Die üblichen Split- und Reunion-Geschichten folgen. Also ist die Frage - können sie's noch? Antwort: yes, sir. Die Donnermeister ziehen ein rauschendes Hit-Feuerwerk ab, dass es nur so kracht. Klar trägt Fronter Danny Bowes mittlerweile anstelle des wallenden Haupthaars kurze graue Kopfbedeckung und sieht damit eher aus wie ein Lateinlehrer als ein Rocksänger, aber seine Entertainerqualitäten sind über jeden Zweifel erhaben. "It's our first time at Bang Your Head", sinniert er eingangs. "Let's see how you guys behave." Bestens! Aber nicht nur dicke Sprüche klopfen kann er: die stimmliche Leistung, die er hier abliefert, würde Mr. Coverdale zum Weinen über die eigenen Darbietungen bringen. Kommen die bluesigen Hardrocker auf Konserve schon gut rüber, zünden die Nummern live noch um Längen besser: vom Opener "Backstreet Symphony" vom sensationellen 1990er-Debut über neuere Stücke wie "Robert Johnson's Tombstone" steigt das Stimmungsbarometer deutlich. Auch ruhigere Momente gibt es in der Halbballade "Low Life In High Places" zu bestaunen, in der Songwriter Luke Morley die Akustische auspackt. Generell regieren aber die launigen Partystampfer vom Schlage eines "You Can't Keep A Good Man Down", das Bowes zum ausladenden Mitsingspielchen gestaltet - ohne dass es nervt! Das ist halt ein echter Ententrainer. Nachdem mit "The Devil Made Me Do It" noch ein Stück vom aktuellen Album am Start ist, fragt Bowes, wer denn die neue Scheibe besitzt. Keiner? "Buy the record! Tomorrow!!", befiehlt er uns. Ich muss gottlob nicht mehr handeln. Mit "Love Walked In" können wir uns in 90er-Power-Balladen-Feeling wohlig sonnen, bevor nach "I Love You More Than Rock'n'Roll" der Gassenhauer "Dirty Love" das Treiben der Briten beendet. Großes Kino in der untergehenden Sonne, in die sie jetzt reiten.

Reiten ist auch das richtige Stichwort für die nächste Attraktion unter der Zirkuskuppel: zwei mannshohe Schlachtenschilder mit geschwungenem "A" künden davon, was jetzt kommt. Die Horden der Nordmänner werden uns überrennen, und zwar vollumfänglich! Invaders! Recht so, auf dem Programm stehen die Wikinger von Amon Amarth. Dass es hier zumeist um heroisches Schlachtengetümmel geht, machen erst einmal zwei Hornhelmträger klar, die sich auf der Bühne plakativ die Hucke vollhauen, bevor die Langschiffe endgültig anlegen und der Beutezug losprescht. "Runes To My Memory" heißt die erste Brandbombe, die sie werfen, und man muss einfach den Hut ziehen vor diesem Schmackes, dieser schweinemäßigen Heaviness bei gleichzeitig hochgradig melodischem Geboller. Gleichzeitig entwickeln die Wikinger ihre ganz eigene Ästhetik: die Instrumentalfraktion lässt einhellig den Haarrotor kreisen, während sich Frontgrunzer Johan Hegg in voller Pracht in die Bresche wirft. Kurz gesagt: wer seine Plunze so selbstbewusst präsentiert, dem gebührt Achtung. Weiter im Text mit "Sword In My Hand" und "Killed By Fire", bei dem es derartig Pyros hagelt, dass es im Fotograben wohlig warm wird. Ohne Fehl und Tadel reiten die Jungs eine Attacke nach der anderen, wobei vor allem das hervorragende "Cry Of The Blackbirds" und "Fate Of Norns" alles ummähen. Obschon der Death der Nordmänner per se nicht unbedingt zum Klientel des Bang Your Head passt, ziehen sich mit ihrem Schwung doch immer mehr Begeisterte vor die Bühne, wofür sich Johan mit einem ordentlich gegrunzten "Danke" erkenntlich zeigt und das Trinkhorn hebt. "Ancient Sign Of Coming Storm" und natürlich "On To The Victorious March" gibt es noch auf die Mütze, bevor sich Amon Amarth vom Schlachtfeld machen. Hail, Odin!

Nachdem sich nun endlich die Dunkelheit über das Gelände senkt, kündigt sich mit drei großen Backdrops der Headliner an: mit dem Cover von Heaven And Hell führen sich die Herren Iommi, Butler, Appice und Dio standesgemäß ein. Dass die Meute Black Sabbath immer noch sehen will, zeigte schon die erfolgreiche Tournee mit einem gewissen MTV-Pausenclown namens John Osbourne als Sänger, bei der nur Stücke aus der Ozzy-Ära dargeboten wurden. Heute abend also gibt es nur Material aus der Dio-Zeit, die zwar kurz, aber meilensteinig war. Nur für einen Konzertsommer lang machen sie also noch mal gemeinsame Sache, nach den Götteralben Heaven And Hell, Mob Rules (der Mops regiert!), Live Evil und der seinerzeit untergegangenen Reunion-Scheibe Dehumanizer von 1992. Die Bühne bildet eine Klosterruine, das Licht wird düster-blau, das wuselige Intro, das auch schon Live Evil eröffnete, tönt aus den Boxen. Nun stehen die Reihen der Fans dicht an dicht: man merkt, wer hier und heute der Herr im Hause ist. Dann kommt der Marsch der Legenden, Vinnie Appice nimmt Platz, Geezer Butler sieht noch manierlich aus, und Tony Iommi wird einem englischen Landadligen aus dem 18. Jahrhundert immer ähnlicher. Zu guter Letzt entert dann noch der stimmgewaltigste Mittsechziger der Welt die Bühne, während Iommi das Riff von "Mob Rules" anzettelt. Sinn und Zweck sind bald erfüllt: man hüpft von einem Nostalgie-Moment in den nächsten, freut sich, erinnert sich. Das klappt also. Und die Darbietung an sich? Nun, dass man Vinnie Appice vor dem Gig mal fünf bis acht Espressi einflößen sollte, ist ja bekannt, und dass der Bassistenjob bei Black Sabbath nicht gerade aufreibend ist, ebenso. Dass Dio den Bühnenmeister geben kann, zeigt er jedes Jahr aufs Neue auf seinen Tourneen - er schlendert, spaziert über die Bühne, schießt böse Blicke ins Publikum, zeigt in schöner Regelmäßigkeit das Hörnchen, das er ja mehr oder weniger erfunden hat. Nur um dann sofort wieder zum höflichsten Gentleman des ganzen Business zu werden. Mastermind Iommi schließlich, um den sich die Fans und die Journaille die Hälse recken, steht am hinteren Bühnenrand und verfolgt das Treiben mit einem süffisanten Lächeln. Dass die Riffs erstklassig, messerscharf, düster-dräuend und punktgenau kommen, muss man nicht erwähnen, ebenso wenig dass die Soli atemberaubend geblieben sind. Die Stimmung, die dieser Mann mit einer einzigen Gitarre zaubert, ist unnachahmlich, das ist einer der ganz Großen. Was aber im seinem belockten Kopf vorgeht, das werden wir wohl nie erfahren. Emotion sieht anders aus.
So führen sie uns durch den bunten Reigen, den man erwarten darf: "Children Of The Sea", "Sign Of The Southern Cross", das von Holo-Effekten untermalte "Voodoo" - was sind diese Nummern genial. Immer noch, nach mehr als 25 Jahren! Dann kommt leider ein Schlaftabletten-Drumsolo, das an der wertvollen Spielzeit sägt: sie haben sowieso nur 80 Minuten, verdammt! Nachdem Appice hinter seinen Kesseln wieder aufgewacht ist, geht es weiter mit "When The Words Fall Down" und "Falling Off The Edge Of The World". Mittlerweile regnet es, Dio ist beim Verpacken der Monitorboxen in schützende Folie behilflich - als Headliner, wohlgemerkt. "Shadow Of The Wind" bringt dann eine neue Nummer, die ok geht, aber bitte keine weitere Zeit verlieren, es gibt noch so viel, was wir uns wünschen. "Die Young", genau das zum Beispiel. Und dann erzählt Dio ein wenig, dass wir alle ja eigentlich wegen eines einzigen Songs hier seien, und irgendwie stimmt das ja auch, der Song, der die Essenz der 80er-Inkarnation von Black Sabbath verkörpert, bildet den Höhepunkt: eine wunderbare Fassung von "Heaven And Hell" mit einem tausendstimmigen "Sing Me A Song, You're A Singer" hält alles, was das Line-Up versprochen hatte. Und dann ist schon Schluss, die Uhr ist unbarmherzig. Einmal lassen sie sich noch locken, für "a song that you all expect to hear, so you shall hear it": der alte Reißer "Neon Knights" bildet den Schlusspunkt des Geschehens. Weg sind sie, so schnell wie sie gekommen waren. Verdammt, wie kann denn nur die Zeit so schnell vergehen? Nie war ein Drumsolo ärgerlicher als heute. Aber gut wars, nostalgisch, dennoch frisch. Breitwandsound im Balinger Abendhimmel. Aus für heut.

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