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Judas Priest - Nostradamus

Judas Priest - Nostradamus
Stil: Heavy Metal
VÖ: 13. Juni 2008
Zeit: CD1 50:40 - CD2 48:50
Label: Sony BMG
Homepage: www.judaspriest.com

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Das ist es nun also, das lang erwartete neue Werk von Britanniens liebster Stahlkocher-Zunft neben den Kollegen um Meister Harris. Lange hat man sich Zeit gelassen für ein zumindest von der Spielzeit her monumentales Opus: auf zwei fetten CDs tummeln sich sage und schreibe 23 Stücke - wobei nicht alle mitzuzählen sind, dazu gleich mehr. Vorweg, um die zwei bangen Fragen gleich zu beantworten: ist es eine gute Metal-Scheibe? Ein klares, schallendes, beinhartes...jein. Und, Nummero Due: ist es eine gute Priest-Scheibe? Eher nicht.

Also, dann schauen wir uns das näher an. Nach der eher lau aufgenommenen Comeback/Reunion-Was auch immer-Scheibe Angel Of Retribution von 2005 war man im Hause Halford, Tipton, Downing & Co. auf der Suche nach dem massiven Wurf. Thematisch lokalisierte man dies in der sattsam bekannten Figur des Michel de Nostredame (also nicht von Lönneberga), gemeinhin bekannt als Nostradamus, seines Zeichens ein französischer Apotheker, der vor ca. 500 Jahren allerlei Weissagungen traf, die - zumindest nach Ansicht seiner Fans - viele historische Begebenheiten treffend vorhersahen. So etwa mussten die Prophezeiungen des Herren schon als Ankündigung der Nazidiktatur, des Mordes an John F. Kennedy, der Terroranschläge vom 11. September und der Wiederwahl von Gerd Schröder herhalten.

Man kann nun von diesen Theorien halten, was man möchte (manche berichten auch, er verwandelte außerdem volle Bierflaschen in leere und Strafstöße direkt) - von der in der Tat sagenumwobenen Figur ließen sich die Priester nun zu einem Konzeptalbum inspirieren, um nach Aussagen von Rob Halford "die Lebensgeschichte dieses Mannes mit den Ausdrucksformen des Heavy Metal zusammenzuführen". Ein heroischer Ansatz, der immerhin zu würdigen ist, da man sich an einem komplexen Thema versucht und dieses auch durch ausgiebiges Quellenstudium inhaltlich durchaus bewältigt.

Aber, wie schon Adi Preißler wußte: grau ist alle Theorie, wichtig is auffem Platz. Und dort legen Priest die Messlatte selbst ziemlich hoch: "eine unvergleichliche musikalische Reise" verspricht K.K. Downing, und Rob Halford spricht von neuen Grenzen, die man auslote. Umgesetzt wird das jeweils im Wechselspiel zwischen kürzeren Parts, die jeweils als Intro oder als Bindeglied zwischen den eigentlichen Stücken fungieren. Hier wird gleich zu Beginn mit "Dawn Of Creation" eine in der Tat mythische, magische Atmosphäre geschaffen, die dann in den offiziellen Opener "Prophecy" übergeht. Diese Nummer begeistert sofort mit einem tiefergelegten, schleppenden Riff, das alle Priest-Jünger zum Niederknien bringen dürfte. Halford hält sich hier mit seinem ehemaligen Erkennungszeichen, den spitzen Schreiereien, sichtlich zurück, aber ein gelunger Refrain und ein sofort eingängiger Stampfrhythmus setzen zu Beginn ein massives Ausrufezeichen. So sollte es weitergehen!

Tut es aber leider nicht, zumindest nicht auf der ersten CD. Nach einem weiteren Zwischenpart ("Awakening") kommt mit "Revelations" eine weitere Mid-Tempo-Stampfnummer daher, die zwar immer noch zu gefallen weiß, aber nicht ganz die Stärke des Openers erreicht. Dann geht ein Song um den anderen so dahin, und nachdem Teil 1 schon fast ganz vorüber ist, stellt sich die Erkenntnis ein: so richtig hängen bleiben will außerdem dem ersten Track kein Song. Fast alles spielt sich im Mid-Tempo-Bereich ab, Speedbrecher und Nackenreißer-Riffs sind Fehlanzeige. Priest wandeln oft auf klassisch angehauchten, opernhaften Pfaden (umgesetzt durch Gitarren-Synthesizer), was sie selbst auch durchaus als dem Thema angemessen betonen. Es ist bezeichnend, dass die Ballade "Lost Love" neben "Prophecy" das Highlight auf CD 1 bietet. Auf die Gefahr, dass ich von Nostradamus himself ereilt werde: das ist weniger Painkiller als Nightwish, und das ist ehrlich gemeint.

CD2 marschiert mit "Exile" in die ähnliche Richtung, kann aber mit mehr kompositorischer Klasse glänzen. Auch "Alone" und "Visions" verlassen zwar das Schema "Stampfe im gemächlichen Tempo dahin" nicht, gefallen aber durchaus durch gekonntes Songwriting. Den Höhepunkt der Stilwende markiert dann aber die zweite Ballade "New Beginnings", in der Melodieläufe zu hören sind, eher an Bon Jovi als an Screaming For Vengeance erinnern. Erst gegen Ende, beim Titelsong "Nostradamus", ist man wieder in der gewohnten Priest-Welt angekommen: Speed, aggressives Riffing, ein kreischender Halford. "Future Of Mankind" setzt dann ein bombastisches Ende mit allerdings berauschenden Gitarrenläufen - endlich die Tipton/Downing-Duelle, die man sucht!

Was macht man daraus? Ohne den überwältigenden Priest-Backkatalog und den Status als Metal-Legende würde man konstatieren: ein Konzeptalbum, das musikalisch nicht ganz die epische Breite erreicht, die inhaltlich angestrebt wird, was sind in ein paar Songs zu viel an Bord, vor allem auf CD 1, äußert. Insgesamt aber ganz bestimmt kein schlechtes Metal-Album mit einigen großen melodischen Momenten und stimmiger Atmosphäre. Als Priest-Werk gestaltet sich Nostradamus allerdings wohl eher als folgerichtiger Nachleger zu Angel Of Retribution: Halfords nicht mehr vollumfänglichen Stimmgewalt zollt man mit zurückgenommenem Songwriting Tribut - und die opernhaften Elemente sind bei dieser Band zumindest gewöhnungsbedürftig. Auch ohne als Ewiggestriger ein zweites Painkiller oder Defenders Of The Faith zu erwarten, dürfte man die typischen Priest-Trademarks schmerzlich vermissen.

Holgi

4 von 6 Punkten

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