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Konzert-Bericht

Christoph Maria Herbst (der Papa!)

Freiheitshalle (ehem. Freiheiz), München 18.11.2011

Jeder, der heutzutage in einem Bürrrooo (Aussprache: schön hochdeutsch gutturales "r", langes "ooo") sein Dasein fristet, der kennt, liebt und hasst ihn oder sollte das dringend nachholen. Den (zumindest in seiner eigenen Interpretation) idealen Chef ("Chef is... wie Genie... das kanns nich lernen!"), der seine Mitarbeiter mit einem launigen "Kinder, ganz kurz mal!" zusammentrommelt, öfter mal zu unlauteren Mitteln greift ("Sind die Zahlen endlich fertig?" "Läuft", auch wenn natürlich gar nichts läuft), in brenzligen Situationen gnadenlos versagt ("Haben Sie da nicht Ihre Kündigung...?" "Mmnöö!") und sich in seinen Avancen dem anderen Geschlecht gegenüber etwas ungeschickt verhält ("Wollen wir, ich mein, wir können doch, mal so was Nudliges beim Italiener?"). Die Rede ist natürlich vom PAPAAA (ganz hartes "P", langes letztes "a"), also vom Bernd, Herrscher der Schadensregulierung M-Z bei der Capitol (und die ist, nach seinen Worten zumindest, bekanntlich "innen hohl"), Stromberg - derzeit endlich wieder in neuen Abenteuern zu verfolgen. Zeit wurde es auch, immerhin kennen wir die letzten vier Staffeln längst auswendig und spielen diese auch gern mal im... "Bürrrooo" durch.

Dass Christoph Maria Herbst allzu oft auf den "Bernd" reduziert wird, nervt ihn nicht nur, sondern ist auch höchst unfair - schließlich haucht er auch anderen Figuren unnachahmliches Leben ein, gerne mal für seinen Kumpel Bully (u.a. bei Hui Buh und Wickie) nicht zuletzt dem Butler, der mit Abstand genialste Figur in der wunderschönen Edgar Wallace-Parodie Der Wixxer: "Öch werrrde förrr heute Abend Ihr Föhrrerrr sein". Unbezahlbar.

Und auf dem Traumschiff war er auch. Ja, für eine Reise ist er auf dem Klabautermann-Kahn geschippert, der - unglaublich, aber wahr - der erfolgreichste deutsche Fernsehexport nach der ebenfalls von Produzentenurgestein Wolfgang Rademann ersonnenen und mindestens ebenso unsäglichen Schwarzwaldklinik (nicht wenigen Fernsehserien ist die Ehre beschieden, von den Toten Hosen besungen zu werden) ist und bleibt. Allerdings nur einmal. Denn das Buch, in dem er von seinen haarsträubenden Erlebnissen berichtet, die ihm da widerfuhren, wurde bei den hohen Herren des Zweiten Deutschen Fernsehens und anderen portraitieren Personen - na sagen wir mal eher zurückhaltend aufgenommen. Es kam, wie es in solchen Fällen oft kommt: es musste geschwärzt werden, das Buch wurde zum Beststeller - und der Herr Herbst dürfte wohl nimmermehr im ZDF zu sehen sein.

Wie das der Bernd sagen würde: da haben wir doch einen ganzen Sack voll Gründe, dabei zu sein, wenn der Papa kommt und uns mal "schöööön" was vorliest. Na, hoffen wir mal, dass die alten Säcke da nicht wegknacken... die Freiheizhalle ist bis auf den letzten Platz gefüllt (Publikum: kein Bayern 3, wenige Stromberg-Freaks, das scheinen mehr SZ-Feuilleton-Intellektuelle zu sein), als absolut pünktlich ein Herr die Bühne betritt, der schon Ähnlichkeit mit Stromberg hat, aber eben nur entfernt und eigentlich auch ganz anders ist. Klar schwadroniert er anfangs ein wenig, "München, Bayern 3, da ist ja auch Pro 7, und meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, dass wir nächstes Jahr den Stromberg-Kinofilm drehen." (Applaus!) "Davon bin zumindest ich fest überzeugt". Schweinebacke!! Na dann hoffen wir das mal. Nach einer weiteren launigen Stromberg-Hommage ("Draußen unterschreibe ich dann auch gerne was. Alles. Knick knack. Auch Körperteile"), der lobenswerten Information, dass die Gage des Abends an die Münchner Tafel gespendet wird, und einer lyrischen Anfangspassage ("Ist von Thomas Mann. Der schreibt auch ganz gut") tauchen wir ein in wunderbare Welt des Quoten-Renner-TVs.

Wir erfahren, dass das Traumschiff, die MS Deutschland ("MS" steht übrigens für "Mumienschlepper", wie er erklärt) auch als Wiederholung mehr Zuschauer hat als eine ganze Stromberg-Staffel zusammen (deren Zuschauerschaft sich nach seinen Worten aus Studenten und Studienräten zusammensetzt, also richtig geraten da oben), dass Herr Herbst in den 90ern zwei Pornofilme synchronisiert hat (ähem, gibt's da so viel Text?), und dass das erste Zusammentreffen mit Produzent Rademann durchaus skurrile Züge hatte. Die Rolle, die er zu spielen hatte, habe mit Stromberg nichts zu tun - aber das sei nicht schwer gewesen, die Rolle habe mit nichts etwas zu tun, sondern sei wie die gesamte Sendung eine Aneinanderreihung von Platitüden, die möglichst wenig von der hübschen Kulisse ablenken sollen. Überhaupt erfahren wir im Laufe des Abends, dass der Eindruck nicht trügt: Personen und Handlung sind beim Traumschiff völlig wurscht, es geht um schöne Landschaft, um den "hach Erwin gugg mal ist das malerisch"-Effekt, mit dem auch Ommma Else daheim mal von der großen weiten Welt träumt.

Was hinter der heilen Welt steckt, offenbart sich bei der nächsten Passage, einer Beschreibung des Flugs, auf dem sich die versammelte Darstellerschaft ordentlich wegschädelt und Herr Herbst eine Dame im Team wieder erkennt und endlich draufkommt, woher: die hatte sich nämlich vor acht Jahren bei ihm - und nicht nur dort - gerne mal als menschlicher Staubsauger verdungen. "Und das", erklärt er sogleich verschmitzt, "war eine der Passagen, die geschwärzt werden mussten. Und Sie werden jetzt alle mit verhaftet, weil Sie geduldet haben, dass ich das vorlese". Ja, der weiß, wie es zugeht in Bayern! Nach einer etwas bizarren Traumepisode geht's weiter, er macht sich genüsslich über die Kollegen lustig, über die lispelnde und dabei spuckende Sabine Sassmann, die ihren Namen leider sehr oft sagt, über Abendessen, in denen er in die sechs toten Augen von London seiner Tischnachbarn blickt, über eine "menschliche Kartoffel", die ihn zutiefst schwäbelnd anspricht "a dasch mir unsch emal kennelerned... hanoi..." - und dann auch über das Publikum, denn einer steht auf und hat natürlich verloren. "Wo gehst Du denn hin? Aufs Klo? Groß oder klein? Klein, ok dann warten wir so lange." Was wir auch tun, und bei der Rückkehr des armen Wichtes geht's weiter: "Na, alles gut abgelaufen? Hast auch Hände gewaschen?"

Und weiter im Text, er liest über die bordeigene Krankenstation, in der es wohl Botox to go geben müsse, das Schiff sei eine Art Cafe Kranzler mit angeschlossener Charite - und als hinten eine Dame rumstöckelt, lässt er den wohl besten Spontangag des Abends einfließen: "Mutter? Nicht Mutter?" - versteht außer mir glaub ich aber keine Sau (zumindest lacht sonst keiner), offenkundig hat er auch gefühlte drölfzig Male die wunderbare Klamotte Zwei hinreißend verdorbene Schurken gesehen. "Jetzt schweife ich ab", meint er auch gleich selbst und liest weiter. Ironisch dann, dass beim interessantesten Ausflug (Matschupitschu - wobei für die Reisenden die Ausflüge hauptsächlich nur Störungen vor der nächsten Kuchenpause darstellen) seine zwei (!) Drehtage liegen, bei denen er bedeutungsschwangere Sätze wie "Das muss schwer für Sie gewesen sein, Gisela" äußern darf, die er sich nicht richtig merkt, sondern wahllos reiht - seine Rolle zeichnet sich durch "erfrischende Konturlosigkeit" aus, jeder Satz passt an jeder Stelle. Der Regisseur ist ein dem Panoptikum entsprungener Hosentaschen-Fassbinder, gesichtsbehaart mit Sonnenbrille, eine "bärtige, genmanipulierte Fliege Puck", die in völlig unverständlichem Österreichisch Anweisungen nuschelt, die keiner versteht und braucht.

So schippert sich die Zeit vorüber, und als er plötzlich "Dankeschön" sagt, mag man gar nicht glauben, dass schon 90 Minuten vorüber sind. An den ganzen Amateuren vorbei besetze ich natürlich gleich den Signiertisch (einer vor mir! Unverschämtheit!), lasse mir Buch und natürlich eine Stromberg-DVD-Box signieren, und ein Foto vom Papa gibt's natürlich auch noch. Dann ist Schluss, und wir üben schon mal die nächsten Spielszenen für den Büromontag ein. "Da musst Du... GANZ genau hinschauen" - "Controlling - ganz dickes Ding!" Der Fundus ist schier endlos.

Holgi

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