Konzert-Bericht
Judas Priest & In Flames
Zenith, München 13.03.2005
"It's sunday night and the Priest is back." Ja, das hat er uns zumindest so gesagt. Ob das auch wirklich stimmt, darüber scheiden sich sicherlich nach wie vor die metallischen Geister. Immerhin nehmen Priest im aktuellen Reunion-Zirkus eine nicht gerade glückliche Position ein - sie mussten sich schon ziemlich viel Häme gefallen lassen, und das mit Recht. Halfords abfällige Aussagen über seine Mitstreiter und über Metal im allgemeinen vergisst man ihm wohl nicht so schnell, und da bekommen die üblichen Statements über die plötzlich nun wiedergefundene Magie irgendwie einen komischen Beigeschmack. Auch der schnelle Rausschmiss von Ripper Owens ist nicht gerade die feine britische Stahlart. Aber wir wollen mal nicht so sein.
Das Zenith ist ja bekanntlich eine recht große Angelegenheit, und schon relativ früh bevölkern die Jünger des alten Flaggschiffs die ehemalige Lagerhalle. Schon allein deswegen hat sich die Anreise schon gelohnt: jeder, aber auch wirklich jeder ist da, der in den 80ern zuhaus bei Muttern irgendwo eine Kutte im Schrank hängen hatte. Und genau diese Kutte hat man hervorgezogen, dazu noch das alte verwaschene T-Shirt von anno dazumal, und los geht's. Unfreiwillig lustig, wenn der eine oder andere da aufgrund zugenommener Leibesfülle nicht mehr so ganz hineinpasst. Und so werden die Buchstaben auf den Shirts oft unverhältnismäßig groß - aber die Kutte muss man ja nicht zuknöpfen. Man sieht wunderbare Dinge, Schätze wie ein Running Wild-Shirt "Welcome To The Black Hand Inn" - mehr als zehn Jahre ist das her. Sie ziehen halt nach wir vor, die alten Fahrensmänner.
Dann ist allerdings die Frage, warum man bei einem Metal-Dampfer des Jahrgangs Judas Priest einen Support engagiert, der weder stilistisch noch vom geneigten Publikum her passt. Die alten Schweden von In Flames gehören in ihrem Genre sicherlich ebenso zu den Klassikern, aber ob melodischer Death Metal so wirklich mit den Aushängeschildern der NWOBHM harmoniert, dahinter darf man ein Fragezeichen setzen. Damit kein falscher Eindruck aufkommt: die Göteborger legen ein brillantes Set hin, das sich aus ihren Meilensteinen Reroute To Remain und Soundtrack To Your Escape gleichermaßen bedient. Wer ihnen zuhört, den begeistern sie in jedem Fall, aber in diesem Package wäre stilistische Gleichrangigkeit besser gewesen - siehe Iron Maiden und Gamma Ray. Wie dem auch sei, In Flames schlagen sich prächtig und ziehen zumindest den geneigten Teil des Publikums auf ihre Seite. Gute Band am falschen Ort. In der Umbaupause gibt's dann wieder AC/DC. Das bringt die Kutten zum Schwingen.
Als dann das Licht ausgeht und die ersten Klänge von "Hellion" ertönen, wird eine durchaus gewaltige Bühne sichtbar - rechts und links das Judas Priest-Zeichen, große Stufen, fast schon futuristisch in der Anmutung, metallisch kalt. Die Akteure des Abends besetzen ihre Positionen unter lauten "Priest, Priest" Sprechchören: die Herren Downing und Tipton machen sich rechts und links breit, Basser Ian Hill pflanzt sich in die Mitte. Dann bollern sie los, natürlich mit "Electric Eye", und eben ein solches wird nun weit über der Bühne oberhalb des Schlagzeugs angestrahlt. Mittendrin steht er, der Metal God mit der Kojak-Frisur, und blickt finster in die Runde. Als Opener ist das natürlich gut gewählt, schließlich muss Halford hier noch nicht die höchsten stimmlichen Höhen erklimmen, sondern kann sich erst mal in Ruhe einschießen. Am Ende des Songs saust er in einem Aufzug nach unten und erscheint zu den Stampf-Akkorden von "Metal Gods" auf den Treppen des Bühnenaufbaus. Langsam kommt er die Stufen herab, einen seltsamen staksigen Roboter-Gang hat er drauf - soll wohl zum Titel passen ("dragging heavy feet"). Die Band zeichnet sich nicht gerade durch Dynamik aus: Halford stakst weiter über die Bühne, die restlichen Akteure spielen so treffsicher wie man es erwarten kann und muss. Das ist gut, das ist gekonnt und professionell, aber wegreißen kann das keinen. Bruce Dickinson, jemand? Jetzt kommt mit "Riding On The Wind" ein erster Prüfstein, und schnell wird klar, dass Meister Halford sein Markenzeichen nicht mehr so bringt, wie das mal vor 20 Jahren war. Aber wer kann das schon noch - das kann kein Coverdale, kein Gillan, und über andere wollen wir gleich das Mäntelchen des Schweigens breiten. Allerdings blickt Halford in seinem metallisch verzierten Mantel des öfteren angestrengt auf den Boden - sollte hier etwa nicht alles ganz so sein wie man sich das wünscht? Sollen wir nicht sehen, wenn das Gehörte nicht mit dem Gesehenen übereinstimmt?
Nach standesgemäßer Begrüßung - siehe Anfang - läßt sich Halford erst mal ein wenig abfeiern, bevor mit "Judas Rising" der erste Titel vom neuen Album auf dem Programm steht. Dazu klettert er wieder ein seinen Aufzug und erklimmt wieder die Höhe über dem Schlagzeug. Hier merkt man, dass die neuen Stücke auf eine tiefere Stimmlage abgestimmt sind: keine Probleme. Das neue Material ist live nicht schlecht, aber auch nicht gut. Warten tun wir sowieso auf die alten Knaller. Und die kommen dann auch: "The Ripper", "Diamonds And Rust" (mit akustischen Gitarren klar einer der besten Momente des Abends) und natürlich der alte Gassenhauer "Breaking The Law". Eingesprengt sind immer wieder Songs vom neuen Album, für meinen Geschmack viel zu viele - wenn man schon auf den Reunion-Zug springt, dann sollte man zumindest akzeptieren, dass die Leute die Hits hören wollen. Die Reaktionen sind dabei eindeutig: immer wenn es Klassiker wie "Turbo Lover", "Victim Of Changes" oder "Green Manalishi" gibt, geht die Meute steil. Bei der in stimmlicher Hinsicht gefährlichsten Klippe des ganzen Sets, dem manischen "Painkiller", fixiert Halford dann für die komplette Spieldauer den Boden der Bühne. Also, Freunde, für mich ging es hier nicht mit rechten Dingen zu, zumal das Gekreische hier auf einmal an Ort und Stelle war. Das ist schade und sollte eigentlich nicht sein.
Bei den Zugaben kam dann die Nostalgie-Front doch noch voll auf ihre Kosten: standesgemäß fährt Halford mit der Harley ein, und bei dem Village People-Outfit mit Lederkäppi wird deutlich, wie naiv wir in jungen Jahren doch waren, als wir nicht auf einen Blick erkannten, auf welcher Seite der Straße der liebe Rob shoppt, wie die Engländer so sagen. Aber das ist sein gutes Recht, zumal er auf einmal Spaß an der Sache zu bekommen scheint und eben diese Elemente aufgreift: wie ein Pfau stolziert er zu "Another Thing Comin'" über die Bühne und baut damit einen ironischen Gegenpart zu seinen bierernsten Mitstreitern auf, kokettiert offen mit der kitschigen Ästhetik seiner Kluft, und auch "Living After Midnight" macht endlich wirklich Laune. Einen Mitsing-Teil gestaltet er auch in fast schon komödiantenhafter Manier. Fehlt ihm vielleicht einfach nur der Spaßfaktor, der ja auch sofort aufs Publikum überspringt? Mag sein. In jedem Fall machen die letzten paar Songs jede Menge Boden gut. Ein versöhnlicher Abschluss.
Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, dass mit "Defenders Of The Faith" eines der wichtigsten Priest- und Metal-Alben überhaupt komplett unter den Tisch fiel. Kein "Freewheel Burning", kein "Sentinel", kein "Love Bites". Warum, das bleibt wohl immer das Geheimnis von Rob und seinen Freunden. Also? Als Nostalgieshow für ehemalige Mattenschwinger wunderbar und am Ende doch ein gutes Amüsemang-Element. Wer sich allerdings eine Rückkehr der Götter erwartet hatte: das, liebe Freunde, haben Iron Maiden doch längst erledigt.
Setlist Judas Priest:
Hellion
Electric Eye
Metal Gods
Riding On The Wind
Judas Is Rising
Revolution
The Ripper
Hot Rockin'
Deal With The Devil
Diamonds And Rust
I'm A Rocker
Breaking The Law
Turbo Lover
Victim Of Changes
Green Manalishi
Painkiller
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Hell Bent For Leather
Living After Midnight
You've Got Another Thing Comin'