Konzert-Bericht
Megadeth, Mercenary & Evile
Elserhalle, München 10.03.2008
Ha! Megadave! Wiedergeboren isser, das wissen wir aus verschiedenen Postillen. Nach dem eher enttäuschenden The System Has Failed und der dann doch umjubelten Abschiedstournee kartete der Rotschopf mit United Abominations doch noch mal nach und landete wieder einen gehörigen Erfolg. Knackige Riffs, griffige Melodien und einfach gute Songs machten das Album zu einem lang nicht mehr da gewesenen Deth-Kracher. So schwierig wie früher sei er auch nicht mehr, fast schon höflich und bemüht. Also durfte man sehr gespannt sein, was Dave und seine Kollegen live auf die Bretter zaubern.
Dabei zeigte sich wieder die Wahrheit des alten Volksgut: drum prüfe, wer zum Konzerte gehet. Denn ein Blick auf die Website des ursprünglichen Austragungsortes Zenith zeigt die lapidare Ansage - verlegt in die Georg Elser Hallen. Das freut den Schreiberling, ist das doch deutlich näher an der Homezone, heißt aber auch: der Zuspruch der Massen fiel nicht so hoch aus wie erwartet, ist doch die Elser-Halle um einige Nummern kleiner als das Zenith. Aber sei's drum, das macht ja nix.
Den fröhlichen Reigen beginnen Evile, deren flotten Thrash ich leider nur in den letzten Zügen erleben kann, da es einlassbedingt einige Verzögerungen gab. Kurzfazit: motiviert und kompetent gebracht.
Die alten Nordmänner von Mercenary, die schon 2007 beim Bang Your Head angenehm auffielen, sind die nächsten im Paket heute abend, und sie machen ihre Anheizersache bestens. Der melodische Death Metal der Kollegen, wie immer angereichert durch hervorragenden Gesang von Mikkel Sandager irgendwo zwischen Geoff Tate und anderen, setzt kompositorisch und atmosphärisch immer wieder Glanzpunkte. Stücke wie "Embrace The Nothing", "My World Is Ending", "11 Dreams" und Material vom neuen Album The Hours That Remain machen einfach Spaß, und das Gegenspiel zwischen dem cleanen Gesang Michels (aus Lönneberga) und den Grunzereien von Basser Rene Pedersen sorgt für Abwechslung. Launig auch, wie die Jungs auf die vereinzelten Megadeth-Rufe reagieren. So macht man das!
Lob an dieser Stelle auch an die Security, die Rabauken schon zu diesem Zeitpunkt konsequent des Feldes verweist. Und das noch bei Rauchverbot - wer hätte gedacht, dass das alles so gesittet ablaufen kann?
Aber jetzt genug der Vorrede, wir warten auf den Zeremonienmeister! Der betritt Schlag 10 relativ unspektakulär die Bühne und schreddert das Anfangsriff von "Sleepwalker", dem Opener von United Abominations. Dass er's ist, muss man zunächst vermuten, denn die rote Mähne hängt standesgemäß tief ins Gesicht. Volle Punktzahl gibt's sofort für das Hofbräuhaus-T-Shirt, das ihm irgendjemand für den heutigen Spielort empfohlen haben muss. Cool! Seine Mitstreiter Chris Broderick an der Gitarre, James Lomenzo am Bass und Shawn Drover hinter dem monströsen Schlagzeugset liefern im bestenfalls Sparringspartner - Chef im Ring und Blickfang ist Dave the Man. Und der ist zwar etwas kleiner als ich vermutet hatte, aber versprüht mit süffisanten Blicken jede Menge Charisma.
Weniger cool ist leider der Sound, der irgendwie extrem drucklos daherkommt. Dass Dave und seine Mannen absolute Könner an ihren Instrumenten sind, daran kann es natürlich nicht den leisesten Zweifel geben, aber das Gesamtbild wirkt blass und matschig. Offenbar ist man von technischen Problem geplagt, die Dave immer wieder am Bühnenrand reklamiert. Aber vielleicht renkt sich das ja noch ein.
Weiter im Text geht's mit "Wake Up Dead", und das ohne Punkt und Komma: die große Publikumsinteraktion ist nach wie vor nicht Meister Mustaines Ding, und so feuert er einen Knüppel nach dem anderen in die Menge - die übrigens bei weitem nicht ausreicht, um die Halle zu füllen. Bei "Take No Prisoners" und "Skin Of My Teeth" steigt die Stimmung kontinuerlich an, aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Sound nach wie vor jeder Schmackes fehlt. Dabei hilft es auch nicht gerade, dass Dave nicht gerade als Caruso der Metal-Szene bekannt ist: an manchen Stellen liefert er passable Gesangs-Leistungen ab - kurioserweise gerade da, wo es stimmlich etwas höhere Höhen zu erklimmen gilt -, aber zuweilen schrammt der (Sprech)gesang nah am Grenzwertigen vorbei. Herausragende Songs wie etwa "Washington Is Next", die musikalisch absolut einwandfrei gebracht sind, verlieren so gehörig an Ausdruckskraft. Den ersten absoluten Höhepunkt setzen die Kollegen mit "In My Darkest Hour", das Dave gesanglich durchaus meistert und das die gesamte unvergleichliche Atmosphäre atmet, die die besten Megadeth-Momente ausmacht. Hier stimmt die Magie, hier passt fast alles - außer dem nach wie vor müden Sound.
Bei "Hangar 18", das nach einem melodiösen Beginn bekanntermaßen in ein wildes Gitarrenduell mündet, setzen sich die technischen Probleme fort, und Dave setzt seine Politik der Nichtansprache des Publikums ebenfalls konsequent fort. Mit "Gears Of War" folgt ein weiteres starkes Stück der aktuellen Scheibe, bevor er uns mit "A Tout Le Monde" einen seiner kommerziellsten Songs serviert. Gesanglich geht das in die Kategorie "lassen wirs mal so stehen", musikalisch ist das ohne Fehl und Tadel. Nach der Neueinspielung für United Abominations hat man zwar immer Frau Scabbia mit im Kopf, aber Dave zieht sich auch allein gut aus der Affaire. Beim Megahit "Symphony Of Destruction" beschwert sich der Meister - völlig zu Recht! - über einige Spaßvögel, die ständig Plastikbecher auf die Bühne pfeffern: "This is not fucking cool", erfasst er die Lage richtig und droht damit, dass dies der letzte Song sei, wenn man nicht auf die Einlagen verzichtet. Irgendwie scheint das die Komiker im Publikum zu überzeugen, und man bringt die Sache noch mit Anstand hinter sich. Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte Daves Gemütslage allerdings komplett im Eimer sein.
Den Stimmungshöhepunkt setzt kurz vor Schluss die alte Hymne "Peace Sells - But Who's Buying?", bevor man sich nach einer Gesamtspielzeit von 90 Minuten mit "Holy Wars" verabschiedet.
Tja, was sagt man da? Der Sound hat zumindest dem geneigten Schreiberling das Vergnügen einigermaßen vermiest, Daves nicht gerade kommunikative Art auf der Bühne gehört wohl dazu, aber die starke Setlist, die musikalischen Leckerbissen, auf die Megadaves Ruhm zu Recht gründet, und nicht zuletzt der Verzicht auf Zeitschindereien namens Gitarren- oder Schlagzeugsolo stehen definitiv auf der Habenseite. Also lassen wir die Waage zum Positiven ausschwenken, auch wenn es einige Abstriche in der Haltungsnote zu beklagen gibt.
Setlist Megadeth:
Sleepwalker
Wake Up Dead
Take No Prisoners
Skin Of My Teeth
Washington Is Next
Kick The Chair
In My Darkest Hour
Hangar 18
Gears Of War
A Tout Le Monde
Tornado
Ashes In Your Mouth
Burnt Ice
Symphony Of Destruction
Trust
Peace Sells - But Who's Buying?
Holy Wars