Konzert-Bericht
Meat Loaf & Valentine
Tollwood, München 22.06.2005
Es gibt nur sehr wenige wirklich denkwürdige "Wetten Dass?"-Sendungen. Eine davon war die am 19.01.1994. Das war die Sendung, in der die Scorpions zusammen mit Jeremy Irons "You Look Wonderful Tonight" spielten. Aber viel wichtiger war, dass in dieser Sendung auch der große Heinz Rühmann einen seiner letzten Fernsehauftritt absolvierte. Als sich Rühmann dann zurückzog, nach einer halben Stunde etwa, fand Meister Gottschalk eine schöne Begründung: "Am besten gehen Sie jetzt, Herr Rühmann, gleich kommen Rockmusiker und machen laute Musik." Gemeint war damals Meat Loaf, gerade mit seinem Comeback in aller Munde. Was das alles mit dem Konzert auf dem Tollwood zu tun hat? Na, aber jede Menge. Meat Loaf, das ist ein Grenzgänger zwischen monumentaler Pose und Hausfrauentauglichkeit, zwischen grandiosen Kompositionen und eben - Wetten Dass. Fast muss man sich ja schon entschuldigen, dass man da hin geht, und einmal leise daran erinnern, dass der Mann mit seinem Mentor Jim Steinman mal eben so eines der besten Rockalben der 70er hingelegt hat. Und vor allem dieses Kunststück - das darf man ihm nie vergessen - schlappe 20 Jahre später genau noch mal so gemacht hat. Wer sonst hätte Anfang der 90er den bombastischen symphonischen Rock wiederbeleben können, unter den entsetzten Augen aller Grunger? Der Bayern 3-Abgrund lauert aber immer bei dieser Stilrichtung, zu nahe liegt der reine Kitsch und das weichgespülte Melodiechen - siehe Bon Jovi und was aus ihm wurde.
Die bange Frage bei einem Konzert wie am letzten Mittwoch muss also sein: wohin schlägt das Pendel aus? Gibt es einen bunten Strauß voller netter Weisen, auf das normalverbrauchende Publikum gemünzt, oder traut er sich über seine Balladenhits hinaus auch an die Klassiker heran? Na schauen wir mal.
Das Tollwood an sich ist eine wunderliche Angelegenheit. Tief in Batik-Flair gehüllt, schlendet hier alljährlich ein buntes Völkchen über den Olympiapark, macht einen auf alternativ und lädt sich jeden Abend auch einen Sangesbruder in die große Arena. Die heißt mittlerweile "Saturn Musik-Arena", der Kommerz hat also auch hier Einzug gehalten, und am Publikum, das da Richtung Zelt marschiert, merkt man schon, dass das Tollwood längst auf seine Art "in" ist. Zur Vorgruppe läßt sich leider keine Aussage treffen, da wir die schlicht und einfach verpassen. Schließlich ist es - wie es sich für das Tollwood gehört - recht haaaas, und deshalb muss ein Zwischenstopp beim Stiergarten (jaja, hier ist man halt a biss anders) sein. Dann hineingetaucht ins bestens gefüllte, weißbedachte Rund. So etwa 4000 Zuhörer sind unter dem Zeltdach versammelt, und eine der ganz großen Tugenden der Veranstaltung kommt sofort zum Tragen: es geht pünktlich zu. So pünktlich, dass um exakt fünf nach Acht unser Held gemeinsam mit seiner Begleitband die Bühne entert. Ganz in schwarzer Lederkluft kommt er daher, schaut drohend in die Menge, die Sonnenbrille fest auf die Nase geschraubt. Gut sieht er aus, wenn man bedenkt, über wie viele Bühnen er seine Pfunde schon gehievt hat - aber, mein lieber Freund, noch besser sieht das aus, was er uns da mitgebracht hat! Die Backing Sängerinnen allein sind das Eintrittsgeld wert. Später mehr.
Nach dem Einstieg mit einem Song neueren Datums, den kein Mensch so richtig braucht, starten die Drums den Stampfrhythmus von "Life Is A Lemon". Meat legt sich gehörig ins Zeug, variiert die Gesangslinien immer wieder, und wenn ihm in den ganz hohen Parts manchmal die Luft ausgeht, macht er das mit immer neuen Schlenkerern an anderer Stelle wett. Nix zu hören von Samples oder Back up oder wie immer man Playback noch beschönigen kann - das ist live, und er bringt's voll und ganz. Dass er ein Kind der 70er ist, zeigt Meat dann mit einem rauchenden Cover von "Black Betty" (ihr wisst schon, Röm De Döm). Bislang geht das alles in beste Ordnung. Wir dürfen weiter gespannt sein. Dann schließt sich prompt das Gitarrenriff an, dass einen seiner ganz großen Reißer einleitet, unterstützt von wunderbarem Drumgeholze. Er zieht sich ein Geldbündel aus der Jacke, informiert uns dass er dies jetzt verjubeln wollte, und ab geht's mit "Dead Ringer". Und hier zeigen die beiden Sangesdamen, dass sie nicht nur hübsche Deko sind: der Song wird in bester Weise inszeniert, sie locken ihn an, luchsen ihm sein Geld ab und kichern sich dann eins. Natürlich nicht, ohne dass er vorher ein wenig auf seine Kosten kommt. Wir natürlich auch. Das deutet schon an, was die Steinman-Alben so unerreicht macht: jeder Song ist eine kleine Story, sicher, durchtränkt von Highschool-Romantik und white trash-Ästhetik, aber wenn man sich auf diese Welt einlässt, dann hat Meat jede Menge Geschichten auf Lager. Und auch wenn der "Dead Ringer" musikalisch etwas schwach daherkommt - die Gitarre muss viel mehr sägen bei diesem Song - , so wird doch deutlich, dass er uns heute diese Geschichten alle erzählen möchte. Gleich im Anschluss folgt eines der musikalischen Glanzlichter des Abends, das schöne "Out Of The Frying Pan Into The Fire", das er stimmlich stark in Szene setzt, unterstützt von einer sauberen Darbietung seiner Mitstreiter. Sagen tut er allerdings immer noch nix zu uns - dabei haben wir ihm eigentlich nichts getan. Aber so isser halt. Mit großer Freude wird "You Took The Words Right Out Of My Mouth" empfangen, wobei allerdings der Vorspann ("On A Hot Summer Night...") komplett fehlt und auch die zweite Strophe unter den nicht vorhandenen Tisch fällt. Das muss nicht sein und gibt Punktabzug. Den Leuten ist's egal, wobei schon angemerkt werden darf, dass der Applaus zwar stimmt, aber so rechte Stimmung nicht aufkommen möchte. Vielleicht ist man hier als Metaller mehr gewohnt? Ich bin kein einziges Mal angerempelt worden. Enttäuschend.
Jetzt, ja, jetzt spricht er zu uns: "From Bat III". Das war die ganze Ansage, so wortkarg könnte er in einer Black Metal Kombo mitmachen. Da angekündigte Stück stellt sich als balladesker Anfang mit massiver Steigerung heraus - das gefällt. Dafür kommt jetzt der ganz große Griff in die Vergangenheit, endlich zurück zu Bat I - "All Revved Up With No Place To Go", die Story jedes Teenagers, der Samstags abends in seinem Kaff hockt und denkt, das Leben spielt sich überall nur nicht hier ab. Das bringt er gut, das ist der Meat, der nicht im Radio läuft. Dann gibt's noch ein neueres Titelchen für das gehobene Bürgertum, bevor man mit einer brillanten Aufführung von "Paradise By The Dashboard Light" das Glanzstück erlebt. Das Ganze wird auf der Bühne zu einem Musical in bester West Side Story Manier - Meat wirft sich die College-Football-Jacke (standesgemäß mit einem schönen "M" verziert) über, eine seiner Mitstreiterinnen wirft sich in Pose, und so führen sie uns die Geschichte vom Football-König und seiner Abschluss-Ball-Königin vor: schon fühlt er sich am Ziel, er sieht schon das Paradies im Lichte des Armaturenbretts, als sie ihm plötzlich mit dieser peinlichen Frage nach seiner ewiglichen Treue kommt. Nach einigem Hin und Her lässt er sich drauf ein, und es kommt wie es kommen muss: nach ein paar Jahren keifen sie sich nur noch an, und sie versetzt ihm einen ordentlichen Tritt dahin wo's wirklich weh tut. Freunde, das war ganz großes Kino, und der Beweis, wie intelligent und schmissig populäre Musik mal war und immer wieder sein kann.
Dafür steht er nämlich eigentlich, für die Verteidigung des Zehn-Minuten-Songs, und so lange er diese Flagge hochhält, sind ihm auch die Balladenheuler verziehen. Damit die Fans derselben nicht leer ausgehen, schmettert er uns natürlich noch den ganz großen Radioreißer "I Would Do Anything For Love (But I Won't Do That)" entgegen, wobei er auch dieses Mal wieder die Antwort schuldig bleibt, was genau er denn nun eben nicht tun will. Zum zünftigen Abschluss der regulären Spielzeit dann natürlich, unvermeidlich, unverzichtbar, der wunderbare "Bat Out Of Hell" himself, den er in wirklich bravouröser Manier meistert. Die Menge dankt's mit lauthals mitintonierten Strophen und Refrengs. Wie ein geölter Blitz haut er dann auch tatsächlich ab, lässt sich allerdings nicht lange bitten und kommt für einen flotten Rock'n'Roller auf die Bühne zurück, bevor er uns mit einem "Don't you ever stop rocking!" in die laue Nacht entlässt. Das hätte er sich selbst vielleicht auch zu Herzen nehmen sollen: klar gehen 90 Minuten Spielzeit generell in Ordnung, aber bei einer durchschnittlichen Songlänge irgendwo zwischen 7 und 10 Minuten springen da nicht viel Stücke heraus. Ein "Modern Girl" hätten wir noch gern gehabt, und bei den "Rock'n'Roll Dreams" hätten wir uns an die wunderbaren, aus dem Boden schießenden Musikboxen aus dem Video erinnert. Aber was hilfts, Schluss war doch. Unterm Strich: deutlich, und zwar massiv deutlich rockiger, unkonventioneller und retro-orientierter als man befürchten musste.
Aber eines noch: ein paar Worte an die Anhänger schaden nie. Vielleicht nächstes Mal wieder gesprächiger, lieber Marvin?
Setlist Meat Loaf:
Irgendwas neues
Life Is A Lemon
Black Betty
Dead Ringer For Love
Out Of The Frying Pan (Into The Fire)
You Took The Words Right Out Of My Mouth
"From Bat III"
All Revved Up With No Place To Go
Irgendwas neues
Paradise By The Dashboard Light
I Would Do Anything For Love
Bat Out Of Hell
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Irgendwas Rock'n'Roll