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Interview

Interview mit Earth Flight (04.05.2011)

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Die Musik der Nürnberger Earth Flight lässt sich in keine Genre-Schubladen verfrachten. Soviel vorweg. Wer eine Ahnung davon bekommen will, wie man diverse Einflüsse von stilistisch völlig verschiedenen Combos wie Radiohead, Psychotic Waltz, Porcupine Tree, The Cure oder David Bowie zu etwas völlig Eigenständigem vermengt und das Ganze in einem äußerst ansprechenden, künstlerischen Gesamt-Konzept zusammenfasst und Musikliebhabern (auch aus dem metallischen Bereich) anbietet, der sollte sich Blue Hour Confessions, die neueste Platte Earth Flights, besorgen. Als Appetitanreger kann dabei das folgende Interview mit Sänger Tobias Brunner dienen, in dem er das "Gesamt-Paket" Earth Flight über mehrere Fragen hinweg, wie ich denke, treffend beschreibt. Wer außerdem neugierig ist, welche Songs eine solch gegenüber mannigfaltigen Stilrichtungen überaus offene Band schon immer gern covern wollte oder wie es um zukünftige Live-Aktivitäten bestellt ist, der wird in den nächsten Zeilen ebenfalls fündig.

HH: Beste Grüße die paar Kilometer Luftlinie nach Bamberg bzw. Nürnberg und zuvorderst meine Gratulation zu Blue Hour Confessions. Die Scheibe war für mich eines von diesen Überraschungspaketen, die einem ein extra-dickes Grinsen ins Gesicht zaubern, da man sich vom ersten Song an darüber im Klaren ist, eine tolle neue Band entdeckt zu haben..., die dazu noch aus der "Nachbarschaft" kommt!

Tobias: Hallo! Zuerst einmal Verzeihung, dass das Ganze [die Beantwortung des Interviews - Kara] so lange auf sich warten ließ... Dieses Rockstar-Ding nimmt doch bei weitem mehr Zeit in Anspruch, als wir immer dachten. Zwischen den ganzen Fotoshootings und all den Drogen fallen solche Dinge eben manchmal durch *lacht* Spaß beiseite... schön, dass dir unser neues Album gefällt und wir dich zum Grinsen bringen konnten ...

HH: Probt, werkelt und komponiert ihr noch im Frankenlande oder sind die Bandmitglieder eher übers ganze Erdenrund verstreut?

Tobias: Wir proben, werkeln und komponieren in Nürnberg und sind zumindest physisch dort auch alle anzutreffen.

HH: Die Veröffentlichung eures 2007er-Debüts liegt nun auch schon knappe vier Jahre zurück. Zwar ist den neuen Songs die Grundschwere von Tracks wie "A Romance Of Souls" oder "My Sun" (von denen es feine Youtube-Mitschnitte gibt!) immer noch zu eigen, der Sprung jedoch - beispielsweise, und vor allem im kompositorischen Bereich - erscheint mir allerdings immens. Wie würdet ihr selbst eure Entwicklung vom ersten zum zweiten Album hin einschätzen und was waren die wichtigsten Stationen in den letzten vier Jahren Earth Flight?

Tobias: Diese Frage wird nicht zum ersten Mal gestellt. Sie wird spontan mit Verweis auf die Besetzungswechsel beantwortet. Ganz klar: eine umstrukturierte Band (es hat sich ja in den letzten Jahren einiges getan), quasi eine neue Konstellation, heißt, für eine demokratisch geführte Band auch neue Einflüsse und andere Arbeitsweisen. An dieser Stelle sei auch unser Produzent Markus Kühn aka Darth Vader...Fader erwähnt. Die äußerst konstruktive Arbeit mit ihm spielt sicherlich eine Rolle. Es liegt darüber hinaus zudem auf der Hand, dass Entwicklung (bestenfalls: Weiterentwicklung) einfach stattfindet. Ob man es will oder nicht, Dinge sind im Fluss, Vorlieben ändern sich, oder wie konstatierte einst ein talentierter Philosoph: "Zeiten ändern Dich" (Hat nicht der unsägliche Bushido einen Film gleichen Namens in die Kinos gebracht? Fuxx). Das Ganze dann pro Bandmitglied, kann schon mal einen immensen Sprung zur Folge haben. Mit der Entwicklung sind wir einfach nur hochzufrieden, und wie im richtigen Leben: Alle Stationen waren auf irgendeine Art und Weise wichtig.

HH: Bekommt man ein Album wie Blue Hour Confessions vorgelegt, dürfte einem recht schnell einleuchten, dass das ganze Paket mit seiner Liebe zum Detail (Cover-Art, Layout, Verpackung, Lyrics und Musik) als Gesamtkunstwerk aufzufassen ist - was aber noch nicht den Terminus "Konzeptalbum" impliziert. Versuchen wir einen Anfang auf hermeneutischem Wege und gehen vom Einzelnen in Richtung Ganzes; und da bietet sich zunächst die Frage nach dem Titel an: die Blaue Stunde - Morgen- bzw. Abenddämmerung - (noch) unklare Lichtverhältnisse - sind jene Bekenntnisse, die dieser Zeit entspringen, nun mit seltenem emotionalen Nachdruck formuliert, hängen sie in der Schwebe oder lösen sie sich gar nach Eintritt in den Tag/die Nacht auf und können nur in dieser speziellen "Stunde" verstanden werden?

Tobias: Entschuldige bitte, aber DEN Spaß muss ich mir erlauben und diese Frage mit einem schlichten "JA" beantworten... Dem ist quasi nichts mehr hinzuzufügen! Du scheinst unser Album in seiner Gesamtheit fast mehr begriffen zu haben als wir es tun!

HH: Daran anschließend erscheint mir der auffällig, dass die Titel der ersten beiden Tracks - "I By The Light Of The Moon" und "Noonday Demon" - zunächst ganz im Gegenteil auf geklärte (Licht-) Verhältnisse hindeuten mögen. Steigt man in die Lyrics ein, scheint sich in ersterem Fall der Deutungsansatz etwa bis drei Viertel der Nummer aus zu gehen, denn "klare" Statements wie "you' ll see, I need nobody else", "talking to you is like a shot in the dark" oder "being alone is what I want" beherrschen das Bild. Die letzten beiden Verse jedoch - "there's nothing I wanna care / to be in the shade it protects me from charge" - zeugen meines Erachtens dann doch von hoher, fast trotziger emotionaler Betroffenheit und einem etwaigen "Rückzug ins Zwielicht". Wärt ihr bereit, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, und wer könnte denn der ominöse Adressat im Song sein?

Tobias: Als erstes müssen wir einmal "Danke" sagen. Es ist uns wirklich eine wahre Freude zu sehen, dass Blue Hour Confessions anscheinend wirklich so viel Potential bietet, einzutauchen, Dinge zu hinterfragen, und dass davon auch so ausgiebig Gebrauch gemacht wird... Licht ins Dunkel zu bringen ist da schon etwas schwieriger, weil gerade diese Interpretationssache ja einen Teil unseres Schaffens ausmacht. Und so würde es, unserer Meinung nach, das "Sich Einlassen" auf unsere Musik eventuell sogar ein Stückchen entzaubern, würden wir die Lyrics nicht mehr nur für sich stehen lassen. Was definitiv nicht heißen soll, dass sich hinter unseren Texten irgendein Geheimnis verbirgt, oder wir grundsätzlich ein Problem damit haben, darüber zu reden/philosophieren... Nur wirklich tiefer eintauchen ist da eher schwierig. Zumindest in Form von ein paar Interview-Antworten! Aber unsere Telefonleitungen sind stets offen, also wenn jemand Näheres wissen will, kann er/sie gerne anrufen und wir nehmen uns dann auch die Zeit. Genauso wie live, wo wir, wenn nicht zu betrunken, uns immer gerne austauschen.
Eines vielleicht dennoch. Die Sache mit dem Lösungsansatz und dem Hoffnungsstreifen am Horizont kann so fast universell auf all unsere Texte angewendet werden, denn jeder unserer Songs, so melancholisch, manchmal auch traurig er anfangs wirken mag, öffnet sich doch zum Ende hin immer und relativiert somit ein Stück weit fast jede ausweglos erscheinende Situation... quasi: Traurig sein + glücklich sein = melancholisch!
Die Antwort bezieht sich übrigens auch auf nachfolgende Frage...

HH: In "Noonday Demon" häufen sich die Doppelbödigkeiten, Ambivalenzen und schemenhaften, in "Zwischenbereichen" angesiedelten Sprachbilder von Beginn an: "stay away from sleep at night / get your dreams by day", "first you see me, no you don't" oder natürlich im Chorus "my heavenly and dark mind", was sich im Fortgang stetig in Richtung eines (verzweifelten? "let's go outside if you want... it's a lone ghost walk") Wunsches nach Auflösung der Dissonanzen entwickelt: "help me to feel what it's all about me". Schimmert in der letzten Strophe eine gewisse Art von Lösungsansatz, ein Hoffnungsstreif am Himmel, wie nimmt sich dieser im Rahmen des Songs aus und noch mal ähnlich gefragt: wer spielt hier die Rolle des "Noonday Demon"?

Tobias: Siehe oben!

HH: Im Promosheet zum Album rufst du im Zusammenhang "Melancholie - Kreativität" keinen Geringeren als Friedrich Schiller in den Zeugenstand. Zufall, besonderes Faible für den Klassiker? Oder hatte der Verfasser der "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen" gar an der einen oder anderen Textstelle die Finger im Spiel?

Tobias: In diesem Falle ein klares "Nein"! Schiller steht hier eher für einen Künstler unter Vielen, welcher es geschafft hat, aus einer wie auch immer gearteten psychischen, ich nenne es einmal Problematik heraus etwas Kreatives zu schaffen, oder noch besser, etwas in kreative Energie umzumünzen. Einfluss auf unsere Texte oder so gibt es nicht. Da muss ich dich enttäuschen... Die lyrischen "Ergüsse" stammen einzig und allein aus der Feder des Sängers!

HH: Musikalisch wiederum seid ihr zumindest meiner Meinung nach, im positiven Sinne, schwer greifbar. Metal? Durchaus: die Gitarrenwände sind da und der hohe Energielevel der Rhythmus-Sektion (bspw. in "Deadheads - A Love Song?") spricht eine hartmetallische Sprache. Diese ist jedoch nur ein Faktor in einem Sammelsurium verschiedenster musikalischer Einflüsse, die jedoch bei aller Stilvielfalt stimmig einander angenähert werden und letztlich ein homogenes Klangbild ergeben. Wie hart hat sich unsereiner die Arbeit an solch einem Findungsprozess (in Bezug auf den Gesamtsound) vorzustellen, wie zufrieden seid ihr mit der Scheibe als Etappenziel und inwieweit deckt sich Blue Hour Confessions mit den ersten Ausgangsvorstellungen bzw. dem Wunschbild, das oder die ihr vom Earth Flight-Sound hattet bzw. habt?

Tobias: Der Prozess der Soundgestaltung ist in der Tat ein extrem langer und müßiger, der wohl auch nie zu Ende sein kann, er ist vielmehr als eine andauernde Entwicklung zu sehen. Es fängt mit gewissen Ideen an, Experimentieren, Verwerfen, Festhalten, bis schlussendlich im Studio in Zusammenarbeit mit Markus Kühn (Tinitus Studio) dieser Sound steht. Ich persönlich bin absolut von diesem Sound zu dieser Scheibe überzeugt und ich denke, dass er sich durchaus mit der Ausgangsvorstellung deckt. Wie eine folgende Platte klingen wird, muss noch entwickelt werden.

HH: Es ist nicht ganz einfach, andere Bands zu Vergleichen heranzuziehen. Bezüglich der verspielten ruhigen Passagen (vor allem in "The Day That Was The Day" und "Tideland") kämen mir die erste Solo-Platte von Chris Cornell (Euphoria Morning; 1999) oder Pink Floyds Dark Side Of The Moon in den Sinn. Eigentlich weniger die im Promomaterial kolportierten Querverweise zu Anathema und Porcupine Tree. Echte Parallelen gibt es in meinen Augen allerdings zum Schaffen von Psychotic Waltz; und zwar nicht nur in der Ähnlichkeit deiner Stimmfarbe und der Devon Graves', sondern darüber hinaus im kompositorischen Charakterzug, musikalische Finesse und überraschende Rhythmus-Wechsel an eingängige Melodien zu binden, im lyrischen Anspruch und im Willen, etwas Ganzes und dabei noch Neues zu erschaffen. Würdet ihr mir in diesen Punkten beipflichten?

Tobias: Parallelen gibt es zu allen oben Genannten, ohne dabei einen Künstler speziell herausgreifen zu wollen, eher im Gegenteil. Im Punkte Komposition gebe ich dir absolut recht. Wir haben bis zu den Aufnahmen viel an den Songs und der Stimmung, die diese vermitteln sollen, gearbeitet und arrangiert, allerdings ohne ein Sound- oder Kompositions-Vorbild.

HH: Was geht bei euren Konzerten ab? Gibt es eine eingeschworene Anhängerschaft? Lässt sich diese beschreiben? Lauschen die Leute andächtig, fallen manche (überspitzt formuliert) bei Nummern wie dem superben "The Organ" gar in Trance oder bildet sich auch hin und wieder ein "Anything Goes"-Moshpit?

Tobias: Es gibt schon den ein oder anderen Sympathisanten. Im Großen und Ganzen ist sie mit 90/60/90 ganz gut beschrieben. Ok, den typischen geneigten Earth Flight-Zuhörer zu definieren, ist wohl nicht ganz so einfach. Da ist es besser das Ausschlussverfahren anzuwenden. Unsere Musik wird beim Typ "Schalala-, Seicht-, und/oder Partymusikliebhaber" eher nicht so punkten. Wer sich mit Rockmusik der melancholischen Sorte schwer tut, wird uns auch nicht ständig hören wollen. Der glückliche Rest, sofern beim Konzert anwesend, steht meist da und schaut höchst interessiert. Manche tanzen ihre Namen, andere verfallen in ausgelassenes Zappeln, die Betrunkenen tun was sie immer tun, naja, und nen echten Moshpit gab's bisher leider noch nicht. Wer uns also eine Freude machen will...

HH: Um bei der Live-Performance zu bleiben: nach welchen Kriterien geht ihr beim Zusammenstellen der jeweiligen Setlist vor? Einem durchgehenden künstlerisch-textlichen Roten Faden? Publikums-Faves? Oder improvisiert ihr gar je nach Stimmung, Venue, Atmosphäre?

Tobias: Es gibt keinen künstlerisch-textlichen Roten Faden. Wir machen das eher vom zu erwartenden Publikum, der Location, dem Event etc., kurz: von den zu erwartenden Gegebenheiten abhängig. Somit vor allem vom Spannungsbogen, welchen wir zum jeweiligen Gig erzeugen wollen. Improvisiert kann da schon mal werden...

HH: Da ich bis dato noch auf keinem eurer Konzerte vor Ort war (wird alsbald nachgeholt!), sei mir die Unwissenheit darüber, ob ihr live das eine oder andere Cover-Stück bringt, hoffentlich verziehen. Anyway: könntet ihr eventuell eine Liste von zehn Nummern anderer Künstler zusammen stellen, die ihr schon immer mal spielen wolltet?

Tobias: Es sei dir verziehen *grinst*
Momentan haben wir keine Cover-Nummer im Programm.
Ist wohl eher schwierig, da eine Einigung auf nur zehn Nummern zu kriegen... Ok, aber wir versuchen es dennoch:

King Crimson - "Epitaph"
The Doors - "Waiting For The Sun"
The Fugees - "Ready Or Not"
Talk Talk - "Renee"
Radiohead - "Karma Police"
Manowar - "Bridge Of Death"
Pentagram - "Earth Flight"
The Cure - "Lullaby"
David Bowie - "Starman"
Midryasi - "Hypnopriest"
PS: so aus dem Nähkästchen; einer davon ist es bereits geworden!

HH: Wie sehen die Pläne für mögliche Touraktivitäten in naher und mittlerer Zukunft aus? Auf eurer MySpace-Seite herrscht unter der Rubrik "Konzerte/Events" leider gähnende Leere.

Tobias: Da es uns unglaublich wichtig ist, Blue Hour Confessions live optimal zu präsentieren, lassen wir uns da etwas Zeit, bis wir wirklich mit dem Ergebnis zufrieden sind. Aber versprochen, da kommt noch einiges!

HH: Am Ende steht zunächst unser und mein persönlicher Dank, dass ihr zur Beantwortung dieser kleinen Liste von Fragen zu Verfügung gestanden habt. Die allerletzten Worte gehören jedoch euch:

Tobias: Gern geschehen. Statt einer immer angebrachten Danksagung an alle, die uns supporten (wie auch immer), soll hier mal die Freude zum Ausdruck gebracht werden, die wir über Blue Hour Confessions empfinden können. Ein verdammt gutes Gefühl ist das, wenn wir wiederum authentische Freude, Annerkennung und Wertschätzung für dieses Album, unsere Musik, erfahren... und wichtig: Earth Flight... Vergiss nie Wein.

Fuxx

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