Notice: Undefined variable: zaehl in /kunden/101209_82152/heavyhardes/webseiten/include/include_livefest.php on line 177
Notice: Undefined variable: zaehl in /kunden/101209_82152/heavyhardes/webseiten/include/include_livefest.php on line 300
Festival-Bericht
Wacken Open Air
mit Iron Maiden, Slayer, Mötley Crüe, Alice Cooper, Skyline, Red Hot Chilli Pipers, Mambo Kurt, Dew-Scented, Amorphis, Orphaned Land, Mad Max, The BossHoss, The Other, Frei.Wild, Lizzy Borden, Kamelot, Tarja Turunen, Arch Enemy, Broilers, Grave Digger, Slayer, Ihsahn, Atrocity, Raven, Corvus Corax, Ektomorf, The New Black, W:O:A Firefighters, Caliban, Degradead, Kampfar, Crucified Barbara, Overkill, Die Kassierer, Delain, W.A.S.P., Varg, Tyr, Cannibal Corpse, Solstafir, Edguy, Immortal, Orden Ogan, Fear Factory, Tiamat & U.D.O.
Festivalgelände Wacken, Wacken 05.-07.08.2010
(Fotogalerien: Wacken2010 Donnerstag, Wacken2010 Freitag, Wacken2010 Samstag)
Mittwoch, 04.08.2010
Prolog
Wenn man künftig über das Jahr 2010 spricht, erinnert man sich bestimmt an den verregneten Frühsommer, den heißesten Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen oder aber an gewaltige Flächenbrände auf russischem Boden. Ja, so ein Jahr ist doch wie eine Schachtel Pralinen - man weiß eben nie, was man kriegt. Diese Weisheit mag zwar auf Vieles zutreffen, nicht aber auf das Wacken Open Air. Denn wer sich auf Pilgerfahrt in das kleine Nest Wacken im Schleswig-Holstein'schen begibt, der weiß schon ziemlich genau, was ihn dort erwartet: das größte Heavy Metal-Festival des Globus. Und das heißt sechs Bühnen und scheinbar endlose Camping-Plätze auf einer Fläche von etwa 200 Hektar! Dazu kommt ein Dorf, das vollkommen in das Festival integriert wurde, dessen Einwohner sich mit dem Mega-Event identifizieren und sich als Gastgeber für über 80.000 angereiste Metalheads aus aller Welt begreifen. Auch heuer ist das Heavyhardes mit zahlreichen Schreiberlingen inmitten dieser Masse vertreten. Während Alex und Fuxx irgendwo auf den weitläufigen Camping-Gründen ihr Domizil bezogen haben, sind Sebbes, Ray, Gastschreiber Jason und meine Wenigkeit, der Dagger, wie schon im letzten Jahr im Backstage-Bereich zuhause. Im Wechselspiel werden wir euch unsere Eindrücke schildern, von den Bands, von den Geschehnissen am Rande des Festivals, kurz: vom Land der Wackinger.
Im Land der Wackinger...
...scheint das Angebot an Freizeitaktivitäten unerschöpflich. Neben den Auftritten von knapp 90 Bands kann man sich seine Zeit in einem Mittelaltermarkt, bei Highland-Games, bei professionellen Wrestling-Shows, im Biergarten, im Metal-Markt oder im Open-Air-Kino vertreiben, um nur einige Stationen auf dem Festivalgelände zu nennen. Obwohl die Veranstalter stets auf Altbewährtes zurückgreifen und man als langjähriger Besucher mit keinen allzu großen Überraschungen rechnen muss, gibt es dennoch jedes Jahr die eine oder andere Neuerung. So wird heuer beispielsweise die im letzten Jahr erstmals eingeführte Wackinger-Stage, die sich als Bestandteil des Wikinger- und Mittelalter-Areals außerhalb des so genannten Festival Infields mit den großen Hauptbühnen befindet, deutlich vergrößert und mit namhaften Acts bestückt. Bis zu 10.000 Besucher werden sich dort in den kommenden drei Tagen aufhalten und somit das Getümmel auf dem Gelände etwas entzerren.
Zudem beginnen die ersten Auftritte des Metal Battle, einem Wettbewerb für Nachwuchs-Bands, dessen Gewinner ein Plattenvertrag winkt, heuer schon am Mittwoch um 12:00 Uhr.
So ist es auch kein Wunder, dass die Heavyhardes-Crew am Mittwoch-Nachmittag vollkommen staufrei in Wacken eintrifft - die meisten Besucher sind bereits vor Ort und die Zeltplätze prall gefüllt. Die haben nämlich schon am Montagmorgen um 8:00 Uhr ihre Pforten geöffnet. Von Anwohnern erfahren wir jedoch, dass viele Gäste bereits am Wochenende angereist waren und ein oder zwei Nächte im Auto geschlafen haben. Das führte schließlich dazu, dass das kleine Örtchen für zwei Tage vollkommen zugeparkt war. Wir schlagen also unsere Zelte auf dem Presse-Zeltplatz auf, genehmigen uns die ersten Bierchen und dann führt uns unser Weg schnurstracks in die Wackener Hauptstraße, deren Anwohner ihre Vorgärten zu Zwecken des Alkoholausschanks sagen wir ein wenig umfunktioniert haben. Natürlich gibt es dort auch allerhand Fleischwaren vom Grill und dergleichen. In diesem Jahr halten sich auf der kleinen Partymeile allerdings kaum noch Menschen auf. Die sind alle längst auf dem Gelände, genau genommen im Wackinger Village, wo seit 18:00 Uhr die ersten Bands zu sehen sind. Als wir dort kurz vor 23:00 Uhr eintreffen, bekommen wir gerade noch die letzten Songs der Red Hot Chili Pipers zu hören. Das ist eine lustige Truppe von Dudelsackspielern, die sich darauf spezialisiert haben, bekannte Rocknummern auf ihren Instrumenten zu blasen. "We Will Rock You" oder "Eye Of The Tiger" bekommt der ungewohnte Anstrich jedenfalls gar nicht schlecht. Im Anschluss daran verschlägt es einige von uns - man darf es ja gar nicht laut sagen - zum Mambo Kurt vor die W.E.T. Stage. Dessen unsägliche Blödelei an der Heimorgel zehrt jedoch zügig an den Nerven und so wird der Abend im nächtlichen Biergarten sein Ende finden.
(Dagger)
Donnerstag, 05.08.2010
A Night To Remember
Wie jedes Jahr lassen wir auch 2010 den Donnerstag eher ruhig angehen. Während sich unser Ray zum Geo Caching begibt, weil irgendwo am Ortsrand ein kleines Schatzkästchen mit einem Logbuch vergraben liegt, und Sebbes auf die Zeltplätze steuert, besuchen Jason und ich - wie jedes Jahr - einen Bekannten im Ort. Zufällig bekommen wir dabei mit, dass Uli Jon Roth gerade einige Video-Aufnahmen in der Wackener Friedhofskirche absolviert, nachdem uns die ungewohnten Gitarrensounds, die zu früher Stunde in dem Gotteshaus erschallen, aufgefallen sind. (Dagger)
Den Donnerstagnachmittag nutze ich, um mir das Wackinger Village genauer anzusehen, in dem unter anderem auch die Wackinger Stage untergebracht ist. Umsäumt wird diese von allerlei Ständen, wo man sich kulinarisch oder textiltechnisch mittelalterlich eindecken kann. Auch gibt der eine oder andere Künstler auf dem "Marktplatz" seine Darbietungen zum Besten wie zum Beispiel jonglieren mit brennenden Fackeln und dergleichen. Dieser Platz sollte im Laufe des Festivals ein ums andere Mal überlaufen werden (ja, das ist wörtlich gemeint), denn bei Equilibrium oder Tyr platzt dieses Areal aus allen Nähten. Hier muss für das nächste Jahr noch dringend nachgebessert werden. Gleich nebenan befindet sich das Veranstaltungszelt Bullhead City, in dem vor allem drei Veranstaltungen ablaufen: Wrestling, Oil Catching Girls und der Wet T-Shirt-Contest. Und da ich schon mal da bin - was für ein Zufall - schau ich mir doch gleich mal das Ende des Wrestlings und den folgenden Wet T-Shirt-Contest an. Das Wrestling kennt man ja aus dem Fernsehen, auch hier in Wacken gibt es einen guten und einen bösen Wrestler, die mit allerlei Action den Gegner zu Fall bringen. Das Zelt ist sehr gut gefüllt und die Luft kann man schneiden. Danach bitten zwei nicht gerade unansehnliche Damen in Bikini fünf freiwillige weibliche Fans aus dem Publikum zum anstehenden Wet-Bewerb auf die Bühne. Nach anfänglichem Zögern bekommt man doch noch die Runde voll und unter lautem Beifall werden die Mädels dann gewässert. Per Beifall wird die Gewinnerin gekürt und als Prämie gibt es ein Wacken-Shirt. Allerdings sollte man meiner Meinung nach nur volljährige Mädels mitmachen lassen, denn unter den fünf ausgewählten Teilnehmerinnen befanden sich doch zwei (nach eigener Aussage) Minderjährige. Hier wäre etwas mehr Verantwortung seitens der Veranstalter wünschenswert.
(Ray)
Schnell sind sie dann vorüber, die wenigen Stunden der Erholung. Auf der W.E.T. Stage im Zelt ist der Nachwuchs im Rahmen des Metal Battle zwar schon seit 12:00 Uhr fleißig am Musizieren, doch um 16:00 Uhr startet das Programm auf den beiden Hauptbühnen, der Black Stage und der True Metal Stage. Für diesen ersten Festivaltag konnten die Veranstalter in der Vergangenheit ja stets namhafte Bands engagieren, das diesjährige Billing lässt jedoch alles bislang da gewesene weit hinter sich. Alice Cooper, Mötley Crüe und schließlich Iron Maiden - da bleibt einem glatt die Spucke weg, was sicherlich nicht nur am knochentrockenen Festivalareal liegt, dessen Staub einem allmählich in alle Ritzen kriecht.
Doch zunächst betreten Skyline, quasi als kleiner Aperitif, die Black Stage. Skyline ist die Band, mit der vor vielen vielen Jahren auch Veranstalter Thomas Jensen anlässlich des ersten W:O:A 1990 auf einer selbst gezimmerten Bühne in der so genannten Sandkuhle auftrat. Heute steht er zwar nicht mehr auf der Bühne, dafür begrüßt uns Doro Pesch in gewohnt euphorischer Manier und schmettert die offizielle Wackenhymne "We Are The Metalheads" durch die Boxen. Danach gibt sie noch "All We Are", ihre eigene Hymne an den Spirit des Heavy Metal, zum Besten - wenn das mal kein gelungener Einstieg in das Showprogramm ist. Die Band widmet sich nun einigen Coversongs, nämlich "Breaking The Law" von Judas Priest, "Shot Down In Flames" von AC/DC und natürlich darf auch eine Hommage an den kürzlich verstorbenen Ronnie James Dio nicht fehlen: "Holy Diver". Schließlich betritt mit Udo Dirkschneider ein weiteres Urgestein des deutschen Heavy Metal die Bühne, präsentiert uns die Wackenhymne 2010 "Heavy Metal W:O:A" und anschließend den großen Accept-Klassiker "Balls To The Wall" - was für ein Auftakt!
Jason und ich nutzen nun die Umbauzeit und begeben uns mit der Jägermeister-Gondel in luftige 40 Meter Höhe, wo einem das Ausmaß des Festivals erst so richtig bewusst wird. Zum Glück steht ein eisgekühlter Jägermeister bereit, um den großartigen Ausblick gebührend zu begießen. Also nich' lang schnacken, Kopp in Nacken! Zur gleichen Zeit können wir beobachten, wie unter uns die Massen ins Gelände und vor die True Metal Stage strömen.
Das hat natürlich seinen Grund, denn dieses Podium beansprucht nun der Großmeister des Schock-Rock, Mr. Vincent Damon Furnier alias Alice Cooper. Im klassischen Rocker-Outfit mit Lederjacke eröffnet er seinen Gig mit drei ganz großen Nummern, nämlich "School's Out" (passend zum Ferienbeginn in vielen Bundesländern), "No More Mr. Nice Guy" und "I'm Eighteen". Grandios! Was nun folgt ist eine lange Reise durch seine Diskografie, in der die meisten seiner bislang 25 Studioalben Berücksichtigung finden. Währenddessen verwandelt er nicht nur mehrmals sich selbst, tritt in Uniform, Zwangsjacke oder im Spinnenkostüm auf, sondern auch die True Metal Stage in eine Theaterbühne, in den Schauplatz eines Horror-Musicals. Dort bringt er verschiedene Protagonisten eigenhändig und auf spektakuläre Weise um die Ecke, wird aber auch selbst gerichtet - gleich dreimal: mit der Guillotine, am Galgen und in einer Art eisernen Jungfrau. Die Musiker, die er für den Auftritt um sich geschart hat, leisten ausgezeichnete Arbeit und servieren uns die makaberen Stories mit jeder Menge Power. Schon bald findet der Gig und auch das gesamte Festival mit dem allseits bekannten "Poison" einen ersten Hochpunkt, zu dessen Anlass Alice Cooper von einer Krankenschwester mit einer gewaltigen Giftspritze ein weiteres Mal getötet wird. Währenddessen stimmen Tausende Fans den bekannten Refrain an und Gänsehaut ist garantiert. Balladesk ertönen kurz darauf "Only Women Bleed" und "I Never Cry". Schließlich wirft sich Cooper im Sinne seines aktuellen Albums Along Came A Spider in bereits erwähntes Spinnenkostüm, lässt sich mit der Hebebühne etwa fünf Meter in die Höhe befördern und erzählt uns von dieser symbolisierten Mitte eines Spinnennetzes aus in "Vengeance Is Mine" seine jüngst ersonnene Geschichte eines Serienmörders. Gegen Ende jagt schließlich ein Klassiker den nächsten: "Billion Dollar Babies", "Killer", "I Love The Dead", "Under My Wheels" und "Feed My Frankenstein". Zu Letztem gesellt sich ein übergroßer und gar hässlicher Zyklop zu den Musikern und scheucht sie einmal quer über die Bühne. Dann ist erstmal Schluss. Nach kurzer Pause kehrt der Meister aber zurück und serviert uns "Elected" und ein zweites Mal "School's Out". So endet nach 90 Minuten und 24 Songs das beeindruckende und unterhaltsame Schauspiel eines Künstlers in Topform. Mit seinen 62 Jahren hat uns Alice Cooper noch einmal gezeigt, was in ihm steckt - Golf, Drogen und Rock 'n' Roll scheinen eben doch auf ewig jung zu halten.
(Dagger)
Noch völlig vercoopert versuchen wir uns an einem Standortwechsel, um für den nächsten Act ein Plätzchen möglichst nah am Geschehen zu ergattern, müssen aber feststellen, dass the Alice das Areal sozusagen "voll gespielt" hat und es einiges an Energie kostet, sich diagonal einen Weg bis vor die Black Stage zu bahnen. Unsere 12-köpfige Crew schrumpft dabei auf drei Headbanger zusammen, aber wir schaffen es letztlich bis in die ca. zehnte Reihe. Gerade rechtzeitig: Dragcar-Sound... "Kickstart My Heart". Das kann nur eines bedeuten: Mick Mars, Vince Neil, Tommy Lee und Nikki Sixx. Die echten Mötley Crüe. Wogen gehen durchs Publikum, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe, und nachdem ein weiteres Mal Motorengeräusche ertönen und Mick Mars das Riff von "Wild Side" vom Stapel lässt ist klar, dass die Crüe mehr als gewillt ist, den Höchst-Level der Cooper-Show zu halten. Wer "Shout At the Devil" im Repertoire hat, dem sollte das auch nicht sonderlich schwer fallen. Von einem Moment auf den anderen springen die Menschen wie Gummibälle auf und nieder und zeigen die obligatorischen Hörnchen. In diesem Moment shouten alle! Vince erweist sich als recht agil und nutzt die Bühne vollends aus, Tommy verausgabt sich wie gewöhnlich hinter seinem Monster-Kit, Mick sieht besser aus als zuletzt und da ist ja auch einer der letzten Rockstars schlechthin. Alle Augen auf Nikki Sixx! Überraschenderweise gehen die mittlerweile sicher 65.000 bei "Saints Of Los Angeles" genauso steil wie bei den ersten drei Nummern, als es aber danach heißt "She's got the Looks That Kill" kommt noch eine Nuance mehr an Bewegung in die ohnehin elektrifizierten ersten Reihen. Kurzes Hendrix-Zwischenspiel seitens Herrn Mars und weiter im Mötley-Text mit "Live Wire". Logisch, dass die Menge aus dem Bangen, Moshen, sich um die eigene Achse drehen oder Luft-Gitarre-Spielen nicht mehr raus kommt. Aha, Vince holt die Akustische raus und ich schrei meinen australischen Kumpel Wilson an: "Girl, Don't Go Away Mad"! Oh ja, eine meiner Jugend-Hymnen und noch nie live gehört. Ganz spezieller Moment; erst beim ersten Refrain habe ich mich wieder einigermaßen gefasst. Genial! Die Mötley-Party nimmt ihren Fortgang weiterhin im "Dr. Feelgood-Dress" und die Hollywood-Ikonen zocken "Same Ol' Situation", bevor mit "Motherfucker Of The Year" der zweite Track vom letzten Output zu Ehren kommt. Eventuell gemünzt auf die Steel Panther-Einspielungen, die das ganze Festival über auf den Screens zu sehen sind, erklärt uns Mr. Sixx: "This ist the real shit. Mötley f***in Crüe!", als ob wir das nicht längst wissen. Für die langjährigen Die Hard-Fans greifen die Jungs tief in die Sleaze-Schatzkiste und kramen "Ten Seconds To Love" hervor, so dass erst gar kein Gedanke daran verschwendet werden kann, unsere zappelnden Glieder in Ruhepositionen zu bringen. "Primal Scream" wird danach gern genommen, aber erst beim nächsten Song kommt es zu einer weiteren Explosion: "Dr. Feelgood". 1675-mal gehört und keine Verschleißerscheinungen. Manche mögen sich immer noch an Vince' exklusivem Gesang stören, aber hey, das ist Vince Neil! Micks Gitarre hatte schon vorher im Ace-Stil zu rauchen angefangen und als es da heißt "Everybody put your right fist in the air and do it like this" (Motorrad-Anlasser-Pose) wird allen deutlich vorgeführt, dass Mötley zum Grande Finale ausholen und mit der Stripper-Hymne schlechthin ein denkwürdiger Auftritt ans Ende gelangt: "Girls, Girls, Girls"! In den Tagen vorher zigmal gesungen, jetzt live und wahrhaftig. Noch mal eine letzte Band-Vorstellung und die vier L.A.-Rocker räumen die Bühne. "Home Sweet Home" fällt dabei Mr. Cooper zum Opfer, der ein wenig überzogen hatte, aber was für ein Start ins Festival. Ein Package aus Alice Cooper und Mötley Crüe. Besser geht es kaum.
(Fuxx)
Nass geschwitzt. Staublunge. Bierstand. "Wilson, it's your turn." "Of corpse!" Wir beschließen, uns nach der erlebten Extravaganza die nächste Band aus der Ferne anzusehen, haben aber von der Cocktail-Bar aus einen vorzüglichen Blick auf das Geschehen, das sich auf der True Stage ankündigt, und auf der Eddie bereits um die Ecke zu grinsen scheint. Wie gewöhnlich aufwendige Bühnenaufbauten, heute im "Final Frontier"-Look. Schon im Vorfeld war klar, dass das Gelände beim nächsten Act voll, und ich meine voll, werden würde, denn, es genügen hierzu nur zwei Worte: Iron Maiden! Nach dem bekannten UFO-Intro legen die Eisernen mit "The Wicker Man" los. Top-Sound, auch von unserem Platz aus. Da haben die Veranstalter und die verantwortlichen Ton-Techniker im Gegensatz zu früheren Jahren ganze Arbeit geleistet. Schon beim Opener die typischen Oh-Oh-Oh-Maiden-Publikumschöre und ich freue mich, dass die Band gleich an zweiter Stelle genau den Song spielt, der mir in den Tagen zwischen HOA und WOA ständig im Kopf herum spukte: "The Ghost Of Navigator". An den Reaktionen der Menge ist abzulesen, dass das Brave New World-Album längst einen Logen-Platz in der Maiden-Klassiker-Reihe inne hat, als jedoch Mr. Steve Harris das Bass-Intro zu "Wrathchild" intoniert, herrscht für mehrere Augenblicke selbst hier im Rückraum komplettes Chaos. Nur glückliche, völlig austickende Menschen und ich muss tatsächlich meinen "Pin-Hat" festhalten, dass er mir nicht vom Kopf gefegt wird. Aber: mit der neuen, sicher hörenswerten Single "El Dorado" und dem in meinen Augen ein wenig überflüssigen "Dance Of Death" gibt es danach zwei Nummern die das Ganze, sagen wir mal, beruhigen. Maiden setzen also nach dem vor zwei Jahren präsentierten Klassiker-Set heute vornehmlich auf neueres Material. Daran werden sich die Geister scheiden. Für eingefleischte Fanatiker, die bei jeder Tour Gewehr bei Fuß stehen, ist das Dargebotene eine höchst interessante Geschichte, da es im Anschluss "The Reincarnation Of Benjamin Breeg" und das großartige "These Colours Don't Run" gibt. Für den, der Maiden noch nicht so oft oder noch nie sehen durfte, könnte die Set-List eine kleine Enttäuschung darstellen. Da wir uns zur ersten Gruppe zählen dürfen, feiern wir zusammen mit einem hyperaktiven Bruce Dickinson, der wieder einmal nachdrücklich unter Beweis stellt, dass es nur eine Hand voll Sänger gibt, die ihm annähernd das Wasser reichen können, dem immer zu Späßen aufgelegten Nicko McBrain, Janick Gers im Final Frontier-Shirt, einem ultra-lässigen Dave Murray, einem Adrian Smith in absoluter Top-Form (Gott, wie froh waren wir damals über seinen Wieder-Einstieg) und Meister Harris himself, an dem der Zahn der Zeit einfach nicht zu nagen scheint, eine "moderne" Maiden-Party. "Dedicated to our beloved brother we lost this year. His spirit is everywhere among you. Among us. The spirit of one Ronnie James Dio. He's everywhere." Die Band gibt der Menge "Blood Brothers" und mir läuft es den ganzen Song über kalt den Rücken herunter. Das ist einer der Momente für die Ewigkeit und selbst die Hartgesottensten unter den Anwesenden können nicht umhin, eine Träne zu verdrücken. Um uns herum liegen sich alle in den Armen. Überragend. Mit "Wildest Dreams" und "No More Lies" nimmt die Band danach die Emotionen wieder ein Stück weit heraus; vielleicht ganz gut so... der Versuch zu verschnaufen, zu verarbeiten. Cheerz! Maiden schleudern uns aber schon "Brave New World", vielleicht einen der stärksten Songs aus neuen Zeiten, entgegen (exzellent!) und blasen anschließend zur Mega-Party. Ich denke, dass selbst im Gasthof "Zur Post", in Wacken Stadt, das Intro - ach was - der ganze Song, inklusive Gitarren-Soli mitgegrölt wird: "Fear Of The Dark". Es wird Zeit Eddie von der Leine zu lassen: "When you come into my room, well, I'll show you all the wares..." Wie schon seit gut dreißig Jahren liefert sich Eddie in neuen Final Frontier-Kleidern sein privates Duell mit Bruce und Janick zum zeitlosen "Iron Maiden", bevor die Band zusammen mit ihrem Maskottchen kurzzeitig verschwindet. Jedoch nur um mit dem legendären Intro "... It's a human number. It's number is sixhundredandsixtysix" glorreich zurückzukehren. "Number Of The Beast" gefolgt von "Hallowed Be Thy Name". Da braucht man nicht viel Worte verlieren, nur einfach mitsingen und gleichzeitig dem Chor aus bestimmt 80.000 Kehlen lauschen. Da es mit "Running Free" am Schluss des Sets noch eine kleine Überraschung gibt, die uns dazu verleitet nochmals alle Energien zu mobilisieren, werden wir mehr als zufrieden entlassen. Wie erwartet sorgt das Set sogleich für Diskussionen, uns lief es jedoch, vielleicht mit Ausnahme der Dance Of Death-Nummern runter wie das sprichwörtliche Öl. An Spielfreude, Bühnenpräsenz und musikalischer Perfektion macht Maiden auch anno 2010 keiner was vor. Up the Irons!
(Fuxx)
Nach diesem Auftakt der Superlative gilt es, den Abend sachte ausklingen zu lassen. Und was wäre dafür besser geeignet, als das Moviefield, wo ab 24:00 Uhr die Ronnie James Dio Memorial Movienight beginnt? Im Jahr 2004 wurde er hier in Wacken mit einer Trophäe für sein Lebenswerk und das Engagement in den Bands Elf, Rainbow, Black Sabbath und natürlich Dio geehrt. Letztes Jahr durfte man den Ausnahmesänger im Rahmen des Heaven And Hell-Konzerts in der Night To Remember noch livehaftig auf der True Metal Stage erleben, schon heute wird sein Vermächtnis auf Leinwand projiziert. Ja, so ein Jahr ist eben wirklich wie eine Schachtel Pralinen. Den Anfang der Vorführung bildet eine Videobotschaft von Ronnies Ehefrau Wendy an die Fans, die viele, viele zu Tränen rührt. "Ronnie would have loved it." Dem Anlass entsprechend finden Hunderte von Metal Heads den Weg hierher, um die "Dio-Night" nicht zu verpassen. Los geht's mit "Stand Up And Shout", welchem wir selbstredend Folge leisten. Emotion pur als des Meisters Gesicht über die Leinwand flimmert. Wir sind uns einig, einen historischen Moment zu erleben. Der Spirit, der zwischen allen Anwesenden herrscht, ist geradezu greifbar. Es mag pathetisch klingen, aber ich denke, genau dieser Spirit ist eben letztlich nur im Metal zu finden. Ein Band. Einen Geist, den Ronnie James Dio zu einem großen Teil mitkreiert hat; und so erzählen wir uns gegenseitig endlose Dio-Anekdoten aus den letzten 20 Jahren, bangen zu "Rainbow In The Dark", "Bible Black" oder "Night People" und singen lauthals "Man On The Silver Mountain", "Don't Talk To Strangers" oder "Heaven And Hell" mit. Als Ronnie während "Holy Diver" auf einmal "WHAT!?" brüllt, genauso wie wir es die ganzen Tage in jedem zweiten Satz gemacht hatten, ist das Wunder perfekt. Wir wussten um die Magie, aber dass sie selbst über den Tod hinaus so stark sein würde, können wir kaum fassen. "There's a crack in the rainbow. There's a hole in the sky..." Wir schwören uns, den Spirit an die nächste Generation weiterzureichen und lassen uns selbst durch einen technischen Defekt, der den Film jäh unterbricht, nicht die Laune nehmen. Nach diesem Intermezzo gibt es noch "Die Young" und "Time Machine" und als sich die Ebene vor der Leinwand langsam leert, schlurfen wir (fast) geschlossen ins Party-Zelt zur Metal Hammer Chose. A night to remember indeed. The Alice, Mötley, Maiden, Dio. Es war alles da. Wie Poison es schon früh in Worte fassten: "No, it can't get better than this."
Oder vielleicht doch? Zu später Stunde verschlägt es einen einsamen kleinen Redakteur, der den Luxus der V.I.P.-Lounge gewohnt ist, dann doch noch in die Weiten der Campingplätze. Davon sei jedoch ein anderes Mal erzählt. Viel Schlaf wird er in dieser Nacht jedenfalls nicht abbekommen.
(Fuxx / Dagger)
Freitag, 06.08.2010
Cervisia Et Circenses - Bier und Spiele
Nach gefühlten zehn Minuten Schlaf fällt das Aufstehen zugegeben schwer. Wenn man jedoch mitbekommt, dass die Kollegen draußen unterm Pavillon schon mit der ersten Guten-Morgen-Halben anstoßen, hält den pflichtbewussten Metalhead natürlich nichts mehr im Zelt. Also lasset die Spiele beginnen!
Entgegen der Wetterprognosen, die ein sehr durchwachsenes und durchaus regnerisches Wochenende angekündigt hatten, erfreuen wir uns besten Sonnenscheins. Und als um 11:00 Uhr Dew-Scented die Bretter der Black Stage betreten, hat das helle Rund am Firmament schon eine gewaltige Kraft entwickelt. Es hat ja lange Tradition in Wacken, dass sowohl der Freitag, also auch der Samstag mit einem zünftigen Krachmaten angepackt werden und mit den norddeutschen Thrashern Dew-Scented ist man da auch bestens bedient. Die feuern in aller Herrgottsfrühe ein messerscharfes Riffgewitter nach dem nächsten durch die PA und zeigen dem Sandmännchen, das den einen oder anderen Schaulustigen noch fest in seiner Gewalt zu haben scheint, wo der Haken hängt. Zu gnadenlosen Nackenbrechern der Marke "Have No Mercy", "Soul Poison", "Locked In Motion" und natürlich "Cities Of The Dead" sollte auch das letzte Restchen Kater verflogen sein. Sogar ein erster Pit kann sich vor der Bühne etablieren und wirbelt ersten Staub auf. Mit "Act Of Rage" endet schließlich ein ebenso kurzweiliger wie brachialer Gig, bei dem Fans der Band voll auf ihre Kosten gekommen sein dürften. Und da wir nun alle fit und munter sind, bleiben wir auch gleich auf dem Gelände und spazieren rüber zur Nachbarbühne...
(Dagger)
Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Death Metal und Progressive Rock einerseits sowie finnischen und arabischen Folkloreeinflüssen andererseits haben Amorphis seit nunmehr 20 Jahren einen unverwechselbaren Sound kreiert und damit eine entsprechend große Anhängerschaft um sich versammelt. Nach den Krach- und Wachmachern Dew-Scented eröffnen die Finnen um 11:45 Uhr den ersten kompletten Festivaltag auf der True Metal Stage. Da es bei den Mannen um Sänger Tomi Koivusaari ja eher etwas ruhiger zu Werke geht, kann man es einigen Fans auch nicht verdenken, dass sie nach Iron Maiden und der anschließenden Metal-Karaoke am Vortag zu so unchristlicher Stunde noch ziemlich in den Seilen hängen. Meiner Stimmung tut dies aber keinen Abbruch, erkenne ich doch die meisten Songs schon nach den ersten Takten. Mit Stücken aus nahezu allen Alben, wie "Silver Bride" und "Sky Is Mine" gleich zu Beginn vom aktuellen Album Skyforger oder "Alone", "Against Widows" und "The Castaway" liefern die Finnen einen grandiosen Mix ihrer inzwischen sehr beachtlichen Bandhistorie ab. Zur Abrundung des Ganzen dürfen natürlich der Klassiker "Black Winter Day" sowie das abschließende "My Kantele" keinesfalls fehlen. Insgesamt ein recht guter Auftritt, wenngleich sich mein Musikgeschmack in der letzten Zeit eher in die etwas härtere Richtung entwickelt hat und mir das eine oder andere somit etwas zu balladesk rüber kam, aber das ist nun mal Geschmackssache und dafür können die Jungs ja auch nichts, handwerklich war's jedenfalls einwandfrei.
(Jason)
Wie immer geht es in Wacken Schlag auf Schlag. Es ist gerade mal zwei Uhr, nach Dew-Scented und Amorphis schreiten wir nun zu einer Art Religionsunterricht der anderen Art und Weise. Mit orientalischen Rhythmen und Chören im Gepäck besteigen Orphaned Land aus Israel die Bühne und werden schon von Beginn an sehr wohlwollend aufgenommen, was man deutlich an den blau-weißen, israelischen Fahnen im Publikum erkennen kann. Auch wenn ich mich selbst und insbesondere Kollege Jason nach dem teilweisen Genuss eines Orphaned Land-Videos mit der Annahme, dass es sich dabei um eine Female-Fronted-Formation handeln könnte, gehörig veralbert habe, werde ich mir die Show der Gäste aus dem Nahen Osten zu Gemüte führen. Im Gegensatz zu den erwarteten weiblichen Trällergesängen heizen Orphaned Land der Meute vor der Bühne mit ihrer progressiven Mischung aus überraschend hartem Death- und Doom-Metal mit Grunts und den schon erwähnten prägnanten, orientalischen Melodien gehörig ein. Besonders der Song "Jom Kippur", der offensichtlich der allerersten Orphaned-Land-Scheibe entspringt, wurde schon sehr freudig erwartet und führt dazu, dass die Bühne durch ungezügeltes und massenhaftes Hüpfen in eine nicht gerade kleine Staubwolke gehüllt wird. Gut, dass Sänger Kobi Farhi dem Publikum irgendwann mitteilt, dass er nicht Jesus Christus sei, denn für diesen könnte man den in einen weißen Kaftan gehüllten Lockenkopf tatsächlich halten. Weiter geht es mit "Sapari", ein wohl ebenfalls sehr bekannter Song der Band, der zur Freude des Publikums von einer Bauchtänzerin begleitet wird. Mit der gelungenen Show, den gefälligen Melo-Death-Stücken, den orientalischen Zwischenteilen, die einem schon Vorfreude auf den nächsten Urlaub machen, und einer gesunden Portion Härte haben sich Orphaned Land, die ja inzwischen definitiv keine Unbekannten mehr sind, sicherlich heute noch ein paar neue Fans erspielt.
(Sebbes)
Wir schwenken kurz zu den Plastikstühlen und -tischen vor dem Kaffee- und Essensstand der alteingesessenen Familie Harder, der sich schon seit Jahren am Eingang zu den B-Campingplätzen befindet. Wie immer lässt es sich hier ganz hervorragend aushalten und wir verbummeln die Zeit mit nie enden wollenden Jokes und dem zigmal wiederholten Singen der ungekrönten Camping-Platz-Hymne "Scorpion In My Shoe". Ein Kerry King-Look-a-like - Terry King - schaut kurz vorbei und meint: "Mensch, ich hab doch schon gestern gespielt." Ah ja, da war was. Haben wir etwa Slayer verpasst? Kurzer Blick auf die Uhr: "No. It's Friday. Hell Awaits! And: it's the night of the Raven, again." Aber der Reihe nach: ein schneller Aufbruch mit kurzzeitigen Laufeinheiten, Hut hoch am Einlass und wir stehen in Null Komma nichts im Ballroom der W.E.T. Stage. Genau im gleichen Moment beginnt eine in vielen Kreisen kaum bekannte, aber in meinen Augen legendäre Band ihr Set: Mad Max. Die Mannen rund um Sänger und Gitarrist Michael Voss haben in den Achtzigern vier absolute Klassiker (Mad Max, Rollin' Thunder, Stormchild, Night Of Passion) abgeliefert, allerdings war alles, was danach kam, sagen wir mal, ein Stück weit anzweifelbar. Die neue Scheibe Welcome America bietet beispielsweise eher ruhigen Radio Rock, der keinem weh tut und so hatte ich im Vorfeld ziemlich Bedenken, ob der Max entsprechend "mad" in die Gänge kommen würde. Diese wurden aber in einem Augenblick weg gewischt, denn die Band haut als Opener tatsächlich "Burning The Stage" vom Night Of Passion-Album raus. Ja, da schau her! Wie so viele andere Combos dieses Jahr wissen Mad Max, wo sie sich befinden und wie sich die (noch überschaubare) Anhängerschar sogleich auf die Seite derer, die da auf der Bühne stehen, ziehen lässt. Nämlich mit einem Old School-Set par excellence. Dieses wird spätestens beim zweiten Song offensichtlich, denn es gibt - indeed - "Night Of Passion". Herr Voss zeigt sich nach all den Jährchen stimmlich voll auf der Höhe, der Sound erschallt schön transparent und laut genug, um uns bei "Rollin' Thunder" das erste Mal an diesem sonnigen Freitag-Mittag richtig ausrasten zu lassen. Genügend Platz, um einen kollektiven Helicopter-Bang zu proben, inklusive folgender schwindliger Verwirrung, wo rechts, links, oben und unten ist. Fein, fein. Die Uptempo-Nummer "Stormchild" hält die Temperatur hoch, ich entledige mich kurz meiner Lederjacke (ha!) und versuche die Energie, die von der Bühne ausgeht, aufzusaugen. Das Zelt füllt sich nach und nach und mein Buddy Will meint: "I really have to check out that band when I get home to Australia." Dem kann man nur zustimmen, denn mit ihrem Melodic Metal bzw. Heavy Metal angelehnt an die NWOBHM stellen Mad Max für die Achtziger-Metal-Szene in Deutschland so etwas wie ein Unikat dar. Weiter geht's mit "Never Say Never" (noch mal von Stormchild), bevor Mad Max genau das abliefern, was ich am wenigsten erwartet (aber insgeheim gehofft) hatte. Sie schütteln sich das bandeigene Coverstück No. 1 aus dem Ärmel: "Fox On The Run"; und das für ganze sechseinhalb Minuten, inklusive einem tollen Gitarren-Solo und diversen Publikums-Mitsing-Parts. Angesichts des Titels können mein kleiner Bruder und ich nicht umhin, im Laufschritt und die Luft-Gitarre an der Seite durch die Reihen zu jagen. "Fox On The Run" eben. Dank gebührt natürlich auch den Erfindern The Sweet, aber vor allem Mad Max, die uns so einen weiteren Wacken-Moment bescheren. Leider ist danach schon Schluss. Natürlich viel zu kurz, aber die Band hat aus der (sehr) begrenzten Spielzeit ohne Frage das Beste gemacht. Seitens der Organisatoren sollte man sich endlich überlegen, ob es im Sinne der Fans ist, die Bands im Zelt immer wieder dieser Massenabfertigung zu unterziehen. Halbstündige Gigs können einfach nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Aber egal: Der Max zeigte sich "mad as hell". Mit einem wohligen Gefühl verlassen wir das Zelt.
(Fuxx)
Durch einen Bekannten inspiriert, der von den Live-Auftritten der Berliner Country-Rock-Truppe schwärmte, schaffe ich es nun endlich, mir The BossHoss anzusehen. In Wacken ist ja für jede Rocknische Platz, was man aus der Running Order alle Jahre aufs Neue ablesen kann. So ist es auch recht passend, dass das Berliner Septett zwischen den Aporeitern und Frei.Wild auftritt, die sich ja mit ihrer Art des Musizierens ebenfalls aus der Masse herausheben. In bestem amerikanischen Slang präsentieren die beiden Fronter Alec "Boss Burns" Voelkel und Sascha "Hoss Power" Vollmer ihre groovigen Songs, angefangen mit "Stallion Batallion" und "Rodeo Radio" bis hin zu "Last Day (Do Or Die)" und dem Klassiker "Jee Haw", zu dem extra ein paar hübsche Mädels aus dem Publikum auf die Bühne geholt werden. Da die Western-Anhänger ja mehr oder weniger als Cover-Band begonnen haben, werden auch hiervon ein paar Kostproben zum Besten gegeben, wie etwa "Ca Plane Pour Moi" von Plastic Bertrand und "Jesus Built My Hotrod" von Ministry. Beim Beastie Boys-Klassiker "Sabotage" kommt auch richtig viel Bewegung in die zahlreiche Anhängerschaft. Es wird gehüpft, was das Zeug hält. Ein spaßiger Auftritt, doch bereits kurz vor dem Ende der Show zieht es mich dann irgendwie zu Frei.Wild, die ich ja auch noch nicht gesehen hatte und von denen mir auch mein Mitstreiter Ray schon länger vorschwärmt.
(Jason)
Doch vorher noch ein kurzer Schwenk zur W.E.T. Stage im Zelt: dort machen sich zur selben Zeit die Horror-Punk-Rocker The Other aus Köln bereit, den Zuschauern zu dieser doch noch recht frühen Stunde das Fürchten zu lehren. Nein, das soll jetzt keineswegs eine Anspielung auf die musikalische Umsetzung sein. Denn die weiß sehr gut zu gefallen. Nach dem Opener "New Blood" und dem folgenden "Back To The Cemetery" folgt mit "Der Tod Steht Dir Gut" der erste der beiden deutschsprachigen Songs im Set. Das Areal im Zelt ist sehr ordentlich gefüllt und die Stimmung top, jeder Song wird gut mitgesungen und bei "Lover's Lane" gibt es auch den ersten Moshpit zu beturnen. Der Horror-Punk-Rock läuft sehr gut rein und macht einfach Laune, auch wenn mich der Sound und die Art der Darbietung doch ab und zu an Powerwolf erinnert, wie bei "Beware Of Ghouls". Jedoch erreichen The Other mit ihren Melodien nicht die Eingängigkeit der genannten Vergleichsgruppe. Das soll jedoch nicht den Gesamteindruck der Darbietung schmälern, denn Spaß macht der Set auf jeden Fall, so dass ich mir mit Sicherheit noch das ein oder andere Scheibchen der Kölner zulegen werde.
(Ray)
Gleich im Anschluss marschiert dann eine kleine Delegation der Heavyhardes-Crew vor die Party Stage. Der Andrang und die Präsenz dort sind wirklich enorm. Der Andrang der Fans und die Präsenz der Polizei, die sich gleich neben der Bühne in Hab-Acht-Stellung gebracht hat. Denn der Auftritt der Südtiroler Frei.Wild steht nun unmittelbar bevor! Und kaum betritt Sänger/Gitarrist Philipp die Bühne, bricht ein wahres Inferno los. Mit dem Bandsong "Freiwild" macht man gleich mal klar, wer hier die Meute zum Kochen bringt (als ob das noch nötig wäre). Weiter geht es mit der Ode an die Heimat "Südtirol", dem "Sie Hat Dir Nen Arschtritt Gegeben" folgt. Es ist unnötig zu sagen, dass die Meute vor der Bühne komplett austickt, ein Pit jagt den anderen, was man unschwer an der Staubwolke erkennen kann, die ständig über den Fans liegt. Mit "Dieses Jahr Holen Wir Uns Den Pokal" wird der einzige Song gespielt, der nicht auf der CD Hart Am Wind enthalten ist. "Stück Für Stück" geht es "Weiter Immer Weiter", denn "Irgendwer Steht Dir Zur Seite". Alle Songs werden lauthals mitgesungen und bejubelt, was Philipp immer wieder zu Danksagungen an die Fans und die jahrelange Unterstützung hinreißen lässt. Man merkt den Jungs an, dass sie mächtig Spaß bei diesem Auftritt haben. Das inzwischen obligatorische "Land Der Vollidioten" darf natürlich nicht fehlen, bevor es mit "Sieger Stehen Da Auf, Wo Verlierer Liegen Bleiben" den letzten Song eines viel zu kurzen Sets gibt. So schnell kann eine Stunde Spaß vergehen. Leider bleiben die Zugabe-Forderungen auch bei Frei.Wild unerfüllt, so dass sich das Feld vor der Party Stage langsam aber sicher leert. Alle sind glücklich und zufrieden. Wirklich alle? Nicht ganz, ein kleiner Redakteur betrauert sein Objektiv, das diesen intensiven Auftritt nicht überlebt hat.
(Ray)
Eine Viertelstunde später, es ist nun 19:20 Uhr, gelingt es meinem australischen Kollegen Paul (The Runner) mich aus meinem Wacken-Stuhl zu hieven, um ihn zur "American Metal"-Party im Zelt zu begleiten, was sich als ganz hervorragende Entscheidung erweist. Als wir in den Ballroom rutschen, werden wir von einem Höllenlärm empfangen und die Leute sind völlig aus dem Häuschen. Geradezu eine Wand aus Energie, die von der Bühne aufs Publikum übertragen wird, gilt es zunächst zu überwinden und bald befinden wir uns inmitten eines fast das ganze, zu drei Vierteln gefüllte Zelt erfassenden Moshpits wieder. Brachial! Außer einer Hand voll Songs, die ich kenne, bin ich mit dem Material von Lizzy Borden nicht wirklich vertraut. Wir kommen aber im richtigen Moment an, denn die Band im modernen Zombie-Outfit, angeführt von Lizzy mit Snuff Movie-Maske, zockt gerade "Redrum", dem ein oder anderen vielleicht aus dem Streifen "Steinzeit Junior" bekannt. "Tomorrow Never Comes" haben wir verpasst, aber schon beim nächsten Track, "Me Against The World", spielt das keine Rolle mehr. Schnell finden wir die anderen aus unserem Camp im Gewühl und gehen mit der Menge mit. Hatte ich so nicht erwartet; aber schon in den letzten eineinhalb Jahren haben sich Lizzy Borden durch energetische Auftritte mit neuer Optik und Show-Elementen (Fire!), zu denen die beiden leckeren, mit Kunstblut überströmten Stripperinnen nicht gehören - die gab es schon immer -, ihren Ruf als Shock Rock-Vorreiter-Combo zurück erspielt. Nach "There Will Be Blood Tonight" (wie ich mich aufklären lasse) blasen Borden mit der Band-Hymne "American Metal" die Menge fast um. "We love it loud!" Allerdings, kann man da nur sagen. Lauteste Band des Festivals. Indeed. Genial kommt dann die Live-Version von "We Got The Power" und als Schmankerl legen Lizzy und die Bordens "Long Live Rock n' Roll" im Gedenken an Dio nach. Die Brutalo-Version - versteht sich von selbst. Wow. Richtig starker Auftritt. American Metal!
(Fuxx)
Zur gleichen Zeit spielen Kamelot auf der True Metal Stage. Als ich die Truppe 2008 das erste Mal auf dem W:O:A sah, war ich hinterher total begeistert von deren Mucke. Auch diesmal sind die Jungs um den charismatischen Frontmann Roy Khan wieder ganz dick vermerkt auf meiner Bandliste. Zwar leidet die ganze Euphorie etwas unter meiner Vorfreude auf Tarja, aber dafür kann die norwegisch-amerikanische Combo ja nichts. Mit ihrem Double-Bass-lastigen, melodiösen Progressive Metal treffen Kamelot auch diesmal wieder voll den Geschmack des zahlreich versammelten Publikums. Mein Lieblingssong "Center Of The Universe" darf hierbei natürlich nicht fehlen, ebenso wenig wie "The Haunting", "The Human Stain", "Karma", "Ghost Opera" und "Forever", um nur einige Titel zu nennen. Beschlossen wird der Gig, den ich leider nicht bis zum Ende miterleben kann, da ich mir doch einen guten Platz vor der Party Stage ergattern will, traditionell mit dem mächtigen "March Of Mephisto". Ach ja: eine prominente Gastsängerin für einzelne Songs, wie dies vor zwei Jahren mit Simone Simons von der befreundeten Band Epica praktiziert wurde, gibt's diesmal nicht. Dafür hat man eine feste Toursängerin dabei.
(Jason)
Vor der Party Stage angekommen erkämpfe ich mir auch einen guten Platz, so Reihe 7 Mitte, einwandfrei. Dort muss ich mich erst mal von einem älteren Fan belehren lassen, der gar nicht wegen Tarja, sondern wegen des Drummers da ist. Gut, es handelt sich um Mike Terrana, ein zweifelsohne begnadetes Exemplar seiner Zunft, der schon bei Bands wie Yngwie Malmsteen, Rage, Axel Rudi Pell und Masterplan spielte, doch liegt mein Augenmerk ganz klar bei der hübschen Frontfrau. Und die rockt und bangt auch gleich mächtig los. Ganz in schwarz gekleidet, wie es sich für einen Rockstar gehört, geht die Finnin schon bei den ersten Stücken richtig ab und hat sichtlich Spaß dabei. Wer angesichts des doch etwas ruhigeren Erstlingswerks in Tarjas Solokarriere dem Wacken-Auftritt etwas skeptisch begegnete, muss sich nun eines Besseren belehren lassen, denn auch die übrigen Bandmitglieder beherrschen ihre Instrumente (darunter auch ein E-Cello) ausnahmslos perfekt. Höhepunkte stellen natürlich die verträumte Ballade "I Walk Alone" vom Longplayer My Winter Storm sowie die Nightwish-Nummern "Sleeping Sun", "Over The Hills And Far Away" und "Wishmaster" dar. Aber auch das Material vom neuen Album What Lies Beneath, wie z.B. die erste Single-Auskopplung "Falling Awake", gehen durch Mark und Bein. Dieser überaus gelungene Auftritt macht wirklich Lust auf mehr. Nur gut, dass Tarja während ihrer Tour (als Vorband von Alice Cooper) noch in diesem Jahr in München aufschlägt. Allen Leuten, die sich vorher gefragt hatten "Tarja ohne Nightwish, geht das?" müssen nun unisono zugeben "Und wie!".
(Jason)
Und weil's so schön ist, bleiben wir auch gleich bei Bands mit attraktiven Frauen an ihrer Spitze. Zur fatalerweise selben Zeit spielen nämlich Arch Enemy drüben auf der Black Stage. Die sind stets ein Publikumsmagnet und so verwundert es auch nicht, dass sich in Wacken eine riesige Schar versammelt, die die Mannen um Angela Gossow sehen und hören will. Geboten wird das, was man von Arch Enemy immer erwarten darf: Qualität. Alte Kracher und neue Songs werden mit Leidenschaft und Präzision wiedergegeben und auch das Publikum hat mehr als nur seinen Spaß. Der Moshpit kocht und der Staub der trockenen Erde vor der Bühne steigt beim Puls der Maden so dicht auf, dass man stellenweise kaum noch die Bühne sieht. Wer das Gemetzel vorne miterleben darf, ist sicherlich nicht weniger befriedigt als jemand, der Songs wie "We Will Rise" oder "Revolution Begins" in etwas ruhigeren Abschnitten lauscht. Alles in allem bleibt ein schöner Auftritt, der leider viel zu schnell vorbei ist.
(Alex)
Da sich meine Kollegen Arch Enemy annehmen und ich die Band schon diverse Male livehaftig erlebt habe, verschlägt es mich wieder einmal zur Wet-Stage, diesmal um mir die Broilers anzusehen. Diese Idee haben auch zahlreiche andere Fans, denn das Zelt ist sehr sehr gut gefüllt, die Broilers sind wahrlich keine Unbekannten. Kein Wunder also, dass die Stimmung vom ersten Ton an prächtig ist: es wird getanzt, gebangt und gemosht, jeder, wie ihm beliebt. Von diesem Empfang sind die Jungs und das Mädel am Bass sichtlich überrascht und legen sich noch etwas mehr ins Zeug. Der Punk-Ska-Rock mit teilweiser Akkordeon-Unterstützung trifft aber auch genau den Nerv der Anwesenden und lädt zum Abgehen ein. Fronter Sammy Amara bedankt sich mehrfach für diesen überwältigenden Empfang, mit dem die Band laut eigener Aussage nicht gerechnet hat. Wie dem auch sei, mit diesem energiegeladenen Set haben die Broilers mit Sicherheit nicht nur mich auf ihre Seite gezogen und als neuen Fan gewonnen.
(Ray)
Um 21:45 Uhr kehren schließlich ein paar altbekannte Gäste auf die True Metal Stage zurück. Die Rede ist von Grave Digger. Chris Boltendahl und seine Mannen feiern heuer ihr 30-jähriges Bandbestehen und zu diesem Anlass haben sie sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Im Jahre 1996 erschien das Album Tunes Of War, das nicht nur der Band zu ihrem endgültigen Durchbruch verhalf. Es ist darüber hinaus auch eines jener Alben, das vermutlich neun von zehn Metalheads in ihrem Regal stehen haben. Wer nun feststellt, dass er der eine Querulant ist, sollte an diesem Umstand schleunigst etwas ändern, denn alle elf Songs sind absolute Kracher. Dieses Album, das im Übrigen die Geschichte Schottlands erzählt, wird heute in voller Länge dargeboten, doch zunächst erscheinen drei traditionell gekleidete Dudelsackspieler und stimmen "Scotland - The Brave" an. Zu einem zweiten Durchlauf der bekannten Melodie marschiert schließlich eine etwa 30 Mann starke Kapelle aus schottischen Trommlern und Bläsern auf, ehe Boltendahl, selbst in Kilt und Tartan sowie Kriegsbemalung, auf die Bühne stürmt und mit "Scotland United" den Metal auf dieselbe bringt. In einer kurzen Ansprache erzählt er vom Anlass dieses besonderen und einzigartigen Konzerts, worauf hin im Publikum ein aus tausend Mündern angestimmtes Happy-Birthday-Lied erschallt. Die Stimmung während der nun folgenden 75 Minuten ist umwerfend, einfach unbeschreiblich. Jeder einzelne Song wird von den unzähligen Fans euphorisch zelebriert und nahezu in ganzer Länge mitgesungen. Doch auch auf der Bühne wird einiges geboten. So stellt die A-Capella-Truppe Van Canto einen beachtlichen Chor, zur Herzschmerz-Ballade "The Ballad Of Mary" tritt Doro Pesch in schönem Kleid gewandet mit Boltendahl ins Duett und Hansi Kürsch von Blind Guardian zum Überhit "Rebellion" an seine Seite - natürlich ebenfalls in Tracht der Highlands. Im Anschluss an Tunes Of War gibt es noch eine Zugabe, bestehend aus dem neuen Song "Ballad Of A Hangman", der geradezu geschaffen ist für einen Abend wie diesen, dem Klassiker "Excalibur" und zuletzt natürlich "Heavy Metal Breakdown". Sagenhaft! In einem Feedback (nachzulesen auf der Wacken-HP) bezeichnet die Band selbst den Auftritt übrigens als ihr bisheriges Karriere-Highlight. Wenn das mal keine Ansage ist. Zum Glück gibt's das Konzert auch bald auf DVD.
(Dagger)
Während der Totengräber so etwas wie der Headliner der True Metal Stage an diesem Abend war, erfüllen Slayer ab 23:15 Uhr die gleiche Aufgabe für die Black Stage. Slayer in Wacken, das erinnert mich immer an den Auftritt der Thrash-Götter anno 2003, der soooo geil hätte werden können, aber aufgrund miserabler Abmischung und zu geringer Lautstärke bislang zu den schlechtesten Gigs von Slayer zählt, denen ich beiwohnen durfte. Mit etwas ungutem Gefühl und der Hoffnung, dass es diesmal besser wird, geht es zeitig vor die Black Stage, um einen guten Platz zu ergattern. Die Spannung steigt, der Ton geht an und Slayer steigen mit "World Painted Blood" in ihr Set ein. Wie schon bei der vor kurzem absolvierten Hallentour beschränkt sich Tom Araya (Bass, Vocals) aufgrund seiner Rückenprobleme aufs Spielen und Singen, das Bangen wird der Gitarrenfront überlassen. Kerry King wurde ja tags zuvor als God Of Riffs vom Metal Hammer ausgezeichnet und bestätigt an diesem Abend, dass er diesen Titel zu Recht erhalten hat. Eine Riffwand nach der anderen wird zusammen mit Jeff Hanneman aufgebaut. Tom hat mächtig Spaß an diesem Auftritt, das merkt man am Dauergrinsen zwischen den Songs. Was folgt, ist eine musikalische Best-Of-Zeitreise, die natürlich auch länger hätte ausfallen können. Über die Frühwerke "Hell Awaits", "Chemical Warfare", das nahtlos in "Raining Blood" übergeht, dann "South Of Heaven", "Seasons In The Abyss" und "Dead Skin Mask" (diesmal mit etwas verkürzter Ansage), bis zum neuem Material "Hate Worldwide" wird fast alles bedacht. Leider wird dabei u.a. das Debutalbum Show No Mercy außen vor gelassen. Schade. Natürlich darf hier in Deutschland "Angel Of Death" nicht fehlen, das den Schluss des Sets markiert. Slayer liefern an diesem Abend eine souveräne Show ab, jedoch fallen seltsamerweise die Reaktionen des Publikums nicht ganz so euphorisch aus, wie erwartet. An den anfänglichen Soundproblemen zu Beginn des Sets kann das ja wohl nicht liegen.
(Ray)
Es ist schon eine bittere Pille, wenn man zeitgleich mit den Initiatoren des Thrash Metal und dann noch dazu im Zelt der W.E.T. Stage auftreten muss. Aber Großmeister Vegard Sverre Tveitan, alias Ihsahn, kann dennoch genügend Gefolgsleute vor die Bühne locken, um dort eine angemessene Atmosphäre für sein Set zu schaffen. Mit seinem Solo-Projekt hat der ehemalige Emperor-Frontmann im Rahmen dreier Alben neue Maßstäbe gesetzt, wenn man denn von progressivem Schwarzmetall spricht. Nach etlichen Minuten Verspätung steht er nun dort oben, seriös gekleidet, sogar mit Brille auf seiner Nase, und begrüßt das ungeduldig wartende Publikum. Für den Auftritt in Wacken stehen zwei weitere Gitarristen, ein Mann am Bass, sowie Schlagzeuger und Keyboarder an seiner Seite. Gemeinsam demonstrieren sie nun auf beeindruckende Weise, dass die komplizierten Stücke nicht nur auf Polycarbonat funktionieren. Dabei rollt Ihsahn seine Diskografie von hinten auf, beginnt mit "The Barren Lands" und dem hektischen "A Grave Inversed" vom aktuellen Album After, spielt sich durch das komplexe "Scarab" von angL, hin zu den eingängigeren Nummern "Invocation" und "Called By The Fire" von Adversary, die vom Publikum dankend angenommen werden. Beim folgenden "Unhealer" übernimmt Keyboarder Einar Solberg, der auch schon für Emperor tätig war, anstelle Mikael Akerfeldts die Zweitstimme und tritt mit Ihsahn ins Duett. Den krönenden Abschluss bildet schließlich das treibende "Frozen Lakes On Mars". Zugegeben, das ist nicht unbedingt eine Mucke zum Abschädeln oder Ausrasten, der Konsum bereitet zu so später Stunde allerdings sehr viel Freude. Es ist zwar schade, dass Ihsahn seinen Saxophonisten nicht dabei hatte, der gerade auf After eine tragende Rolle spielen durfte, ich bereue es aber dennoch nicht, Slayer zu deren Halbzeit den Rücken gekehrt zu haben.
(Dagger)
OK - es folgt der Endspurt für den ersten Abend. Um 2:00 Uhr hat sich unsere Crew noch einmal vor alle Bühnen verteilt. Aber der Reihe nach...
Atrocity hatten im Vorfeld eine 80er-Show für Wacken angekündigt und das hat dann auch ein paar mehr Leute auf den Plan gerufen, als eigentlich zum Auftritt der Band auf der Party Stage zu dieser späten Stunde gegangen wären. Die Band um Axel Krull präsentiert zu Beginn Songs aus verschiedenen Atrocity-Epochen, um sich dann nach gut der Hälfte den Hits ihrer beiden Werk 80-Alben zu widmen. Zwar ist die Stimmung von Beginn an gut und das trotz fortgeschrittener Zeit, doch so richtig steigt der Stimmungspegel erst mit den Coversongs, die auch vom Publikum eifrig mitgegrölt werden. Die Show mit vier GoGo-Tänzerinnen ist typisch für Atrocity und die Gesangsparts der allseits bekannten Gastmusikerin Liv Kristine sind einfach nur beeindruckend. Hut ab vor einer solchen Stimmgewalt im Live-Bereich, die die Show noch um ein paar Qualitätslevel erhöht. Ein schönes Konzert, das durchaus eine bessere Zeitplatzierung verdient hat.
(Alex)
Zeitgleich mag sich für den einen oder anderen ein weiteres Highlight an diesem Freitag anbahnen. Denn "It's the Night of the Raven". Meine australischen und kanadischen Freunde und ich dürfen uns glücklich schätzen, waren wir doch vor genau einer Woche Zeugen eines Gigs wie von einem anderen Stern geworden: Raven auf dem HOA war definitiv mit das Beste dieses Jahr, vor allem vor dem Hintergrund, dass ich John und Marc, die Gebrüder Gallagher, und Mr. Hasselvander (on the drums) noch nie zuvor live und in Farbe gesehen hatte. Nun also noch mal und meine Vorfreude steigt und steigt. Im Ballroom angekommen feiern wir eine Art Reunion mit vielen Bekannten vom Headbanger's wie dem japanischen Raven-Loonatic Shu-Shu Mo, der der Band überall hin nachreist oder Ulysses aus Mexiko, der extra wegen Raven über den großen Teich geschippert ist. Der Boden ist also bereitet für den Athletic Rock der NWOBHM-Legende. Licht aus und los geht's mit "Take Control". Yep, they're back. Back for more. Überflüssig zu sagen, dass wir kollektiv vom ersten Akkord an wieder unter Strom stehen. Da waren sie wieder: "Two little boys making noise." Meinem kleinen Bruder, der gleichzeitig Gitarrist in unserer Combo ist, klappt angesichts der Tatsache, was man alles mit einer Axt veranstalten kann, wenn man Marc Gallagher heißt, die oft zitierte Kinnlade herunter. "Live At The Inferno" und es gibt kein Halten mehr. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass der Gitarrensound aus der linken Box recht übersteuert, was aber bei der Show, die die beiden Brüder abliefern, kaum ins Gewicht fällt. Eigentlich ist es unfassbar, dass sich John nach seinem Unfall, nach dem er mehrere Monate kaum gehen konnte, wieder zu solchen "athletischen" Höchstleistungen aufrappeln kann. Das nenne ich mal Metal! "All For One?" - "One for all!" lautet die Antwort aller feiernden Headbanger unisono. Das Zelt ist etwa zu zwei Dritteln gefüllt und es bildet sich schon jetzt ein schnuckeliger Mosh-Pit, dem wir den ein oder andren Besuch abstatten. Und sieh an: die Gallaghers nutzen die Chance in Wacken einen Song von ihrem neuen Album Walk Through Fire zu zocken: "Breaking You Down", nachdem es auf dem HOA noch hieß "We got a new album out, but we don't wanna bore you. So let's play some more old stuff." Letzteren gibt es dann wieder mit "Lambs To The Slaughter" und einer endgeilen Version von "Rock Until You Drop", bei dem sich jeder die Kehle wund schreit. Die Jungs sind einfach eine Klasse für sich und die beiden Brüder wechseln sich mit völlig verdrehten Solo-Einlagen kontinuierlich ab; Medley-Time mit "Speed Of The Reflex/Run Silent, Run Deep/Mind Over Metal", wobei der letzte Titel durchaus in umgekehrter Form als Motto des Abends heran gezogen werden kann. Metal over Mind! Gut so. Raven liefern noch mal voll ab, so der übereinstimmende Tenor noch während "Don't Need Your Money" und als es anschließend mit "On And On" einen meiner Alltime-Faves obendrauf gibt, scheint der Abend schon perfekt zu sein. Ohne "Breakin' The Chains" zu spielen, dürfen die ultra-sympathischen Briten aber keinesfalls entlassen werden. Dessen sind sie sich jedoch natürlich auch selbst bewusst und so heißt es im Folgenden "Breakin' the what?" - "Breakin' The Chains!" Vollbedienung, obwohl der Band nicht ganz soviel Spielzeit wie auf dem HOA eingeräumt wird ("Faster Than The Speed Of Light" fällt bspw. weg; leider.). Da uns aber Raven mit "For The Future" noch ein exklusives Abschiedsgeschenk bescheren, können wir letzten Endes ein mehr als positives Fazit ziehen. Unglaublich überzeugender Auftritt. Athletic Rock, dargeboten von den Erfindern. Kam ganz nah an den Gig auf dem HOA ran. Extraklasse.
(Fuxx)
Zu guter Letzt berichten wir zu absolut unchristlicher Zeit noch einmal von der True Metal Stage. Ich habe mich dort eingefunden, um zu sehen, was die selbsternannten Könige der Spielleute, nämlich Corvus Corax, für ein ausgefallenes Programm zu bieten haben. Angetrieben von den Erzählungen vieler, die bei dem, was nun kommen mag, mit Adjektiven wie magisch, gigantisch, monumental und atemberaubend um sich werfen, wird die Müdigkeit von inzwischen sechzehn Stunden Heavy Metal noch etwas verschoben und ich warte gespannt auf den Beginn des Cantus Buranus, der von Corvus Corax vertonten Texte der Carmina Burana. Ach ja, bevor ich es vergesse: Wer denkt, dieses Orchesterwerk hätte etwas mit den bekannten Werken eines Herrn Orff zu tun, ist komplett auf dem Holzweg.
Wenn man sich im Publikum umschaut, so fällt auf, dass sich die mit Fellen, Ritterrüstungen und mittelalterlichen Kostümen bekleideten Jungs und Mädels, die sich den ganzen Tag im Wackinger-Dorf herumtreiben, inzwischen alle aufs Hauptgelände des Festivals getraut haben, denn mit Metal und Gitarren wird die kommende Stunde wiederum auch nur sehr wenig zu tun haben.
Als es dann wirklich losgeht, wird man erstmal erdrückt von der Massivität, mit der die Eindrücke über einen hereinbrechen. Riesige Trommeln und Pauken, pompöse Kostüme, perfekt in Szene gesetzte Lichtshow, Feuer, Flammen sowie gregorianische Chöre beschwören innerlich tatsächlich Superlative herauf und verwandeln das W:O:A in ein mittelalterliches Spektakel aus Mondenschein und Inquisition. Die Akteure ziehen dabei alle Register des nicht strombetriebenen Instrumentariums: Dudelsäcke, Harfen und ein komplettes klassisches Orchester geben sich genauso den düsteren Melodien und Themen des Cantus Buranus hin wie die unglaublich stimmgewaltige Sopranistin, die hin und wieder über die Bühne schwebt. So langsam, aber sicher verfestigt sich der Eindruck, dass man das, was hier auf der Bühne geboten wird, mit Worten kaum wird beschreiben können. Diese Show muss man wirklich selbst erleben, da geht kein Weg dran vorbei. Auch ich werde wohl in Zukunft ebenfalls von einer bombastischen, monumentalen und gigantischen Vorstellung sprechen, wenn ich über diesen Abend sinnieren werde.
(Sebbes)
Die letzten Posaunen sind verstummt. Es ist jetzt drei Uhr nachts, der Himmel ist sternenklar und die Temperaturen sind deutlich unter 10° C gefallen. So schön kann man seinen Atem jedenfalls sonst nur im Winter sehen. Man weiß ja eh, dass es im Norden so kalt werden kann, dennoch wird man jedes Jahr aufs Neue überrascht. Für das Einschlafen ist die Kälte jedenfalls alles andere als förderlich, da hilft auch der reichlich konsumierte Schlummertrunk nicht aus, um die Glieder zu betäuben. Aber man soll die Dinge ja immer von der positiven Seite betrachten. Morgen früh werden wir ein ausgezeichnet kaltes Bierchen zum Frühstück genießen können!
(Dagger)
Samstag, 07.08.2010
Gesagt, getan! Am Morgen ist die Kälte verflogen, Tante Klara klettert immer höher und mit ihr auch die Temperatur. Ein lecker Egger - eisgekühlt - hilft beim Munterwerden und ehe man sich versieht, ist es auch schon wieder Mittagszeit und die ersten Kapellen warten auf unsere Gesellschaft. (Dagger)
Die Aufgabe des Openers an diesem zweiten Festivaltag fällt den Ungarn Ektomorf zu. Und soviel kann schon mal verraten werden: die Jungs wirbeln mächtig Staub auf. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Denn vor der Black Stage haben sich zur Mittagsstunde schon einige Tausende versammelt, um mächtig steil zu gehen. Da braucht es eigentlich keine Aufforderungen von Fronter Zoltan Farkas (Vocals, Guitars) zum Springen - Circle Pits sind ja dieses Jahr verboten - das macht die Meute vor der Bühne von ganz allein. Was aber auch angesichts von Songs wie "Show Your Fist", "Gypsy", "Outcast", "Fuck You All" oder dem finalen "I Know Them" kein Wunder ist. Es wird gehüpft, bis der aufgewirbelte Staub wie eine Dunstglocke vor der Bühne hängt. Ein schöner Einstieg in den zweiten Festivaltag.
(Ray)
So, jetzt schnell den letzten Staub, den Ektomorf vor der Bühne aufgewirbelt hat, aus den Klamotten schütteln und ab in das Zelt, das die W.E.T. Stage beinhaltet, um den Beginn der Durchstarter aus Würzburg, The New Black, mitzuerleben. Nach dem allseits bekannten Colt-Seavers-Intro kommt eine Handvoll adrett in schwarz gekleideter Männer auf die Bühne, unter denen Sänger Fludid mit einer sauberen Ladung Pomade in den Haaren gehörig hervorsticht. Auf die Ohren bekommt man von den Jungs aus Franken sauber gespielten Biker- und Stoner-Rock, der irgendwo zwischen Zakk Wylde und Monster Magnet angesiedelt ist, manchmal aber auch deutliche Nickelback-Anleihen durchscheinen lässt. Den offensichtlich extra für diesen Gig zahlreich erschienenen Damen vor der Bühne scheint der treibende und groovende Sound sehr zu munden. Aber auch die restliche Hörerschaft vertreibt sich mit leichten Tanzbewegungen und dem Mitsingen diverser Refrains, wie beispielsweise bei "Welcome To Point Black", die Zeit, die dank vorbildlicher Bühnenpräsenz von The New Black deutlich zu schnell vergeht. Ach ja, falls jemand denkt, den Typen da links an der Gitarre, den hab ich doch schon mal irgendwo gesehen, dann hat er damit wahrscheinlich Recht, denn Herr Cristoph Leim schwingt nicht nur ebenfalls bei den Schwaben von Sinner die Axt, sondern ist inzwischen zum Chefredakteur bei unserem kleinen Konkurrenzmagazin Metal Hammer aufgestiegen und somit der beste Beweis dafür, dass man es auch heutzutage im Metallbusiness doch noch zu was bringen kann.
(Sebbes)
Während Sebbes, Ray und Jason noch den Tönen von The New Black lauschen, zieht es mich zum Biergarten, wo die W:O:A Firefighter, so nennt sich die Blaskapelle der Wackener Feuerwehr, mit zünftiger Musik die Metalheads zum Singen, Schunkeln und natürlich Aufgießen ihres gestrigen Rausches animieren - ein Spektakel, dessen Bilder im Fernsehen regelmäßig weite Verbreitung finden, und ohne das man sich das W:O:A mittlerweile gar nicht mehr so recht vorstellen kann. Von hier aus geht's weiter in den weitläufigen Metalmarkt, wo man wirklich seine ganze hart verdiente Kohle lassen kann, denn hier gibt es schlicht und ergreifend alles, was das schwarze Herz begehrt. Ein Hut muss her, schließlich gilt es auch heute noch einmal, der Sonne zu trotzen!
(Dagger)
Neben Heaven Shall Burn bilden Caliban sicher die deutsche Speerspitze des in der Szene nach wie vor so populären Metalcore und versetzen bei ihren Live-Auftritten ihre Anhänger regelmäßig "in Bewegung". Dies war als Wachmacher zur früher Stunde nach Ektomorf auch sicher wieder so geplant. Dumm nur, dass die Wacken-Veranstalter in diesem Jahr ausdrücklich Mosh Pits, Circle Pits und vor allem die berühmt-berüchtigte Wall of Death kategorisch untersagt haben. Ich denke die Verantwortlichen wollten einfach so kurz nach den tragischen Ereignissen bei der Loveparade - auch wenn man diese beiden Events von der Organisation, der Menschenmenge und der zur Verfügung stehenden Fläche her sicher nicht miteinander vergleichen kann - mit aller Gewalt vermeiden, dass etwas passiert, was dem Festival in der Öffentlichkeit schlechte Publicity bereiten könnte. Da ist man doch gleich doppelt gespannt, was sich dann bei den Jungs aus dem Ruhrpott so vor der Bühne tun wird. Bereits nach dem dritten Song, als sich die Vorboten zur zitierten "Todeswand" bilden, muss Sänger Andreas Dörner - sichtlich widerwillig - auf das auferlegte Verbot hinweisen und die Menge um deren Einhaltung bitten. Es gehe eben um die Sicherheit und man könne ja noch Springen und der "gute alte Pogo" sei ja schließlich auch erlaubt. Passend dazu schließt der Song "No One Is Safe" an, gefolgt von Hits wie "I Will Never Let You Down", "I've Sold Myself" und "Caliban's Revenge". Insgesamt bringen Caliban einen Querschnitt durch ihre letzten fünf Alben und schaffen es schließlich trotz aller Verbote, eine gute Stimmung im schon zu dieser Uhrzeit zahlreich erschienen Publikum zu erzeugen.
(Jason)
Gegen Caliban auf der True Metal Stage treten auf der W.E.T. Stage nun Degradead aus Schweden an, um den Nachmittag hier im Zelt etwas sportlicher zu gestalten. Warm genug ist es dank genügend Stauluft unter dem Zeltdach zwar ohnehin, aber das hindert die hochmotivierte Melo-Death-Kapelle auf der Bühne nicht im Geringsten daran, die Temperatur noch etwas weiter in die Höhe zu treiben. Man muss schon zugeben, die Songs der Jungs ballern live gewaltig und grooven wie Sau. Kein Wunder, dass sich vor der Bühne in Windeseile allerlei verbotene Sachen wie Circle Pits und Mini-Wall-of-Deaths bilden. Die Growls des mit langen, braunen Haaren gesegneten Sängers Mikael Sehlin passen genauso gut in das Gesamtkonzept der Songs wie die fast immer vorhandenen melodischen Refrains und die fetten Zementgitarrenriffs, die mit den typischen Schweden-Death-Licks aufgefrischt werden. Wenn man sich das Ganze so ansieht und -hört, kann man durchaus verstehen, wieso In Flames' Jesper Strömblad die Werbetrommel für Degradead mit so viel Hingabe rührt. Zwar ist auch bei diesem Auftritt das Zelt noch nicht bis in die letzten Reihen gefüllt, aber man darf Degradead durchaus konstatieren, dass sie eine sehr solide, schweißtreibende und angenehme Wackennachmittagsunterhaltung auf die Bretter legen. (Sebbes)
Begleitet von einer wirklich unangenehmen Hitze geht es gleich im Anschluss hinüber zur Party Stage, wo die Norweger Kampfar beweisen können, dass ein echter Wikinger auch der Sonne gewachsen ist. Der dürfte es zumindest zu verdanken sein, dass noch nicht allzu viele Schaulustige den Weg hierher gefunden haben. Die gelichteten Reihen können aber auch durchaus darauf zurückzuführen sein, dass Unleashed zeitgleich die Black Stage zerlegen. Nach Introitus mit Gjallarhorn vom Song "Valgalderkvad" starten die Nordmänner mit "Inferno" gleich mächtig durch. Wie so oft, wenn Black Metal in Wacken gespielt wird, ist auch hier der Sound nicht gerade optimal und viele der Gitarrenmelodien werden von den zu lauten Bass-Drums verschlungen. Sänger Dolk nörgelt zwar ein wenig über die Sonne, die ja gar nicht zur Atmosphäre seiner Songs passen will, kämpft sich aber wacker durch ein Set aus "Norse", "Dodens Vee" und den alten Klassikern "Bukkeferd" und "Hymne". Am Ende steht das obligatorische "Ravenheart", zu dem ein eigenes Banner gelüftet wird. Nun geben alle Fans noch einmal ordentlich Gas, ehe sie in den Nachmittag entlassen werden.
(Dagger)
Und schon geht's wieder zurück zur W.E.T. Stage. Huch - jetzt ist es aber voll geworden hier im Zelt! Woran liegt's? Nix los auf den großen Bühnen draußen? Davon kann eigentlich keine Rede sein, denn auf der Black Stage toben sich gerade Unleashed aus. Nein, nein, Grund dafür, dass man sich jetzt hier gegenseitig auf den Füßen steht, sind vier Damen aus Stockholm, die punkigen 80er-Jahre-Rock im Stile von Vixen und Co. - aber durchaus noch 'ne Ecke härter - präsentieren und dazu noch recht nett anzusehen sind. Nachdem die Mädels von Crucified Barbara Songs wie "Sex Action" oder "Play Me Hard" angestimmt haben, haben sie die versammelte Männerschaft natürlich komplett in der Hand. Jeder, der im Publikum ein videofähiges Handy sein Eigen nennt, kann, zum Unmut derer in der Reihe dahinter, nicht davon lassen, diese Funktion einmal ausgiebig zu testen. Aber man sollte sich definitiv davor hüten, Crucified Barabara alleine auf die visuellen Reize zu reduzieren, denn der schwedische Rock'n'Roll tritt durchaus in den Arsch, geht straight nach vorne und Sängerin Mia Coldheart weiß ihre Stimme extrem gut einzusetzen, ohne dabei eine der Nightwish-Trällerelfen zu kopieren. Die wilden, punkigen Stücke werden dabei von ihrer inbrünstigen, rauen Stimme genauso gut getragen wie die melodischeren Sachen, in denen sie das Mikro mit zartem Hauchen liebkost. Daneben post Miss Klara Force in Hot Pants und Leopardenstrumpfhose mit ihrer roten Gibson-Explorer-Axt wie Poisons C.C. DeVille in seinen besten Tagen. Mit Sicherheit ist dieser Auftritt einer der gelungensten Stimmungsaufheller an diesem Tag und eine nicht weniger perfekte Vorbereitung auf eine knappe Stunde Thrash mit Overkill, der in Kürze auf der True Metal Stage folgt.
(Sebbes)
Vor dem Hintergrund, dass diese nächste Combo auf der Speisekarte vor drei Jahren am Donnerstag auf der Party-Stage ein wahres Inferno entfachte, zieht es uns dann doch bis weit vor die Bühne, wo wir ungeduldig auf Bobby Blitz samt Mannschaft, Overkill, warten. Nicht lange. Ich hatte mir schon im Vorfeld gedacht, dass dieses wild werden würde, aber dass die ganze Crew noch mal so in die Gänge kommen würde, hatte ich nicht erwartet. Aber es braucht eben nun mal nur ein wenig guten, lauten Thrash Metal, um das metallische Feuer von neuem zu entfachen. Der Opener "The Green And The Black" geht noch als Aufwärmphase durch, damit ist es aber beim zweiten Song schlagartig vorbei: "Rotten To The Core" so früh im Set und das ganze Areal steht wie auf Kommando auf, während um uns herum in den ersten Reihen die Thrash Metal-Hölle losbricht. Wow, kann vor Staub kaum was sehen, finde mich aber in einem von meinen australischen Kumpanen, die Overkill noch nie live gesehen haben, angeleierten Mosh-Pit wieder, aus dem es so schnell kein Entrinnen gibt. Warum? "'Cause we are the wrecking crew!" "Wrecking Crew" - Overkill tun aber auch alles dazu, dass einem Hören und Sehen vergeht. Bobby, der ein ums andere Mal sein ganzes Charisma ausspielt und ein kaum vom Winde verwehter Sound tragen ihren Teil dazu bei, dass der Gig schon früh zur nächsten Party avanciert. Wie kann es auch anders sein, wenn einem da nacheinander "Hello From The Gutter" und "Coma" verabreicht werden. Auch Overkill kramen fast ausschließlich die alten Hymnen hervor, was uns natürlich taugt ohne Ende. Ein Extra-Goodie aus den Anfangstagen bietet uns die Band in Form des Feel The Fire-Klassikers "Hammerhead" gefolgt von "Ironbound" an. Aber gern doch! Bei "In Union We Stand" umarmen wir uns alle geschlossen und stehen wie die "rotten" Nationalelf da und bei "Bring Me The Night" wird flugs ein Bierchen für die malträtierte Staublunge ersteigert. Ein Bild während der Overkill-Sause fräst sich besonders in mein Gehirn ein: mein Freund Paul, der bei den ersten Akkorden des nächsten Tracks wie von der Tarantel (oder doch dem Skorpion?) gestochen, die Beine angezogen bestimmt 1,5 Meter in die Höhe springt und sich noch im Sprung um die eigene Achse dreht. Der Song hört auf den Namen "Elimination"! Danach heißt es dann "We don't care what you say...", 80.000: "Fuck You!" Extra-coolerweise flechten Overkill in die Schlussnummer "Overkill" von Motörhead als Special-Gimmick ein und so verabschieden sich Bobby Blitz und Co. stilecht. Junge, Junge, rotten to the core. Zwar nicht ganz so over the top wie vor drei Jahren, aber immer noch in einer Liga für sich spielend.
(Fuxx)
Samstagnachmittag, die Sonne brennt. Als Zufluchtsort scheint die W.E.T. Stage als ideales Ziel, u.a. auch um sich dort Die Kassierer anzusehen. Sehen kann ich sie auch, hören jedoch nur kurzzeitig. Warum? Nun, das Zelt ist brechend voll und auch vor dem Zelt hat sich eine nicht ganz unbeträchtliche Menge an Fans versammelt, die wohl alle die gleiche Idee haben wie ich. Es ist absolut kein Durchkommen machbar. Einige versuchen, crowdsurfender Weise ins Zelt zu gelangen, ein paar haben es sich auf dem Dach der Mobiltoiletten bequem gemacht, werden jedoch nach kürzester Zeit von den Securitys wieder nach unten befördert. Nachdem auf den beiden Hauptbühnen gerade kurzzeitig Pause ist, kann man den "tiefgreifenden" Texten der Songs "Blumenkohl Am Pillemann", "Mach Die Titten Frei" und "Im Sauerland Kann Man Teleportieren" lauschen. Warum erinnert mich das ganze an A.O.K.??? Vielleicht liegt es auch am Adamskostüm von Sänger Wölfi, der so wie Gott (oder wer auch immer) ihn schuf über die Bühne fegt. Den Grund werde ich nicht mehr erfahren, denn inzwischen haben Lock Up auf der Black Stage ihren Set eröffnet und überdröhnen alles, was aus der W.E.T Stage nach draußen kommen könnte. (Ray)
Nach alternden Punk-Rockern braucht's nun wieder etwas Balsam für die Augen. Die Quelle niederländischer Female Fronted Gothic/Symphonic Metal-Bands scheint ja schier unerschöpflich. Im Fall von Delain liegt die Begründung jedoch recht nahe, zeichnet doch Martijn Westerholt (Ex Within Temptation) für die meisten Songs verantwortlich. Mir fällt in erster Linie natürlich wieder einmal die hübsche Frontfrau Charlotte Wessels auf, nicht nur optisch mit ihren langen dauergewellten roten Haaren, sondern auch sangestechnisch. Die Newcomer, wenn man eine Band nach zwei veröffentlichten Alben überhaupt noch so bezeichnen darf, bewegen sich musikalisch in etwa bei alten The Gathering und Within Temptation, nur noch einen Tick härter. Mit überwiegend Stücken ihres Erstlings Lucidity wie "Sever", "The Gathering" und "Sleepwalker's Dream" im Gepäck rocken die Holländer bei ihrem ersten Wacken-Auftritt richtig die Stage. Zu den Songs "A Day For A Ghost", "Silhouette Of A Dancer" und dem abschließenden "Pristine" erhält die schöne Charlotte dann noch tatkräftige Unterstützung von George Oosterhoek (Ex-Orphanage), der mit seinen Grunts die nötige Härte ins Spiel bringt. Natürlich darf auch "April Rain" vom gleichnamigen aktuellen Album sowie das extrem melodische "Virtue And Vice" nicht fehlen. Auch wenn der Sound nicht ganz optimal ist, da Charlottes Gesang sowie die Keyboards und somit die Hauptbestandteile der Melodie leider etwas hinter Bass und Drums zurückstehen, ist dieser Gig für mich als Liebhaber dieses Genres einer der Höhepunkte beim diesjährigen W:O:A.
(Jason)
Es ist schon Klasse, wenn man vier seiner fünf Lieblingsbands auf einem Festival sehen darf, denn nach Cooper, Mötley und Maiden ist die Zeit gekommen Herrn Lawless meine alljährliche Aufwartung zu machen. Zeit für W.A.S.P.! Neues Intro: eine Überlagerung der größten Hits der Band, plus Video-Zusammenschnitte, was im totalen Lärm- und Bilder-Chaos endet. Kein schlechter Einfall. Mit einem Schlag stürmen Mike Duda und Doug Blair auf die Bühne.
Double-Bass-Attacke, "On Your Knees" und Blackie kommt in Wacken an. Ganz in schwarz, Spiegel-Brille und die lässigen Achtziger-Fransen-Stiefel. "Dancin' with danger right until dawn...". Eben. Viel Bewegung auf der Bühne und auch im Publikum. Wir stehen etwa in der zwanzigsten Reihe und haben, wenn wir uns auf die Zehenspitzen stellen, einen überragenden Blick auf die Menge vor der True Stage. Dass Blackie ein Faible für Medleys hat, ist bekannt und so wird die im Ursprung von The Whos Quadrophenia stammende Nummer, "The Real Me", ohne Bruch angeschlossen. Sehr fein. Irgendwie befinden wir uns jetzt schon quasi "in the zone", dabei hat Mr. Lawless doch gerade erst angefangen. "I don't need no doctor, all I need is my love machine." Yep, genau so habe ich mir das vorgestellt und es geht ein Ruck durch die Menge, ein Aufbäumen und 80.000 Metal Heads schreien um die Wette "L. O. V. E. all I need's my Love Machine". Sagenhafterweise hat sich Blackie vom neuen Album den stärksten Song heraus gepickt und wir zelebrieren mit einer Gruppe Mexikanern "Babylon's Burning", das durchaus das Zeug zum zukünftigen Klassiker hat. Einen solchen Status hat "Wild Child" längst inne und ich schwelge in Erinnerungen, wie ich einst Herrn Lawless bei meinem ersten W.A.S.P.-Gig (früher, ganz ganz früher) während des Solos von "Wild Child" einen seiner Fransen vom Stiefel abgerissen habe. Der böse Blick war mir damals gewiss. Ha! Das ist lange her, aber nach einer kurzen Durststrecke Anfang des vergangenen Jahrzehnts präsentiert sich die Band nun schon seit dem Dominator-Album in Höchstform, was auch für den Frontmann selbst gilt, der sogar den "Wild Child"-Schrei in der Mitte der Nummer wieder gepackt hat. Die nächste Explosion steht an, als die Band "Hellion" zum Besten gibt, das lange nicht mehr im Set gestanden hat und über das sich wohl jeder langjährige Fan mehr als freut. Gleiches gilt für "I Don't Need No Doctor", das wieder innerhalb eines Medleys mit "Hellion" verknüpft wird und auf das die letzte Strophe samt Refrain von "Scream Until You Like It" folgt. Danach kurze Stille, bevor kreischendes Kettensägengeratter das Areal überflutet. Siebeneinhalb Minuten Chainsaw Massacre. Siebeneinhalb Minuten "Chainsaw Charlie", also die lange Album-Version mit allen Mitsing- und Abgeh-Parts. Immer wieder großartig. Emotion pur als die ersten gezupften Töne von "The Idol" angespielt werden. Als Blackie dann "If I could only stare, stare in the mirror, would I see, a fallen hero with a face like me." zu singen beginnt, stellt sich auch Ruck Zuck die voraussehbare, aber gern erlebte Gänsehaut ein. Man fällt sich in die Arme und holt trotz Tageslicht die Feuerzeuge (Handy-Verbot!) raus. Doug Blair übertrifft sich mit dem Schluss-Solo selbst. Sackerdi, was ein Gitarren-Hexer. Wie erwähnt können wir die Szenerie gut überblicken und ich habe nur darauf gewartet 80.000 bei der letzten Nummer völlig außer Rand und Band zu sehen. "I Wanna Be Somebody", inklusive "Audience Participation", bei der das Publikum in zwei Hälften geteilt wird und gegeneinander ansingt. Ganz wie anno 1984. Gut, dass sich manche Dinge nie ändern. Sehr gut sogar. Danach ist Schicht im Schacht. Ganz starke Performance, vielleicht ein bisschen zu kurz, aber in dieser Besetzung ist mit W.A.S.P. in den nächsten Jahren auf alle Fälle zu rechnen. "Live... in the Raw" eben.
(Fuxx)
Etwa zur selben Zeit im Zelt der W.E.T. Stage: Dort spielen nun Varg und die sind ja inzwischen in aller Munde, vor allem aufgrund der Hetzkampagne der Antifa. Wo genau man die Band nun einzuordnen hat, ist meiner Meinung nach noch nicht abschließend geklärt. Den Anwesenden vor der Bühne ist das jedoch egal. Denen geht es nur ums Feiern und die Zahl der Fans spiegelt sich in all den Varg-Shirts wider, die im Publikum zu sehen sind, als die Band loslegt. "Viel Feind Viel Ehr", "Skal", "Blutaar" und "Schildfront" werden nun durch die PA gejagt und von den Fans vor der Bühne begeistert aufgenommen. Respekt an dieser Stelle an den Schlagzeuger Fenrier, der ständig seinen Haarpropeller eingeschaltet hat und dauerrotierend sein Schlagzeug bearbeitet. Im Publikum wird ebenfalls viel gebangt oder sich im Moshpit vergnügt. Zum Abschluss folgt "Wolfzeit", bevor die Band unter viel Beifall die Bühne verlässt. Was ich an diesem Auftritt vermisse, ist, dass man die Gelegenheit, sich noch einmal klar und deutlich zu den vorgebrachten Nazi-Vorwürfen zu äußern bzw. Stellung zu beziehen, nicht genutzt hat. Wo, wenn nicht auf Wacken, kann man als Band so viele gleichzeitig erreichen? Schade, Chance verpasst.
(Ray)
Inmitten des Zirkeltrainings, das man absolviert, um von A nach B zukommen, vergisst man glatt, dass sich auch im Wackinger Village noch eine Bühne befindet. Ich erinnere mich noch gut an den Auftritt von Tyr anno 2007, damals noch auf der W.E.T. Stage. Nun stehen die Färöer Jungs zwar auf der viel kleineren Wackinger Stage, jedoch vor definitiv mehr Leuten. Dicht drängen sich die Fans schon gute 45 Minuten vor Beginn der Show. Gut, wer schon so früh da ist, denn die Spätankömmlinge hinten müssen sich aufgrund des unebenen Geländes nur mit der Musik begnügen, zu sehen gibt es von den hinteren Reihen leider nicht mehr viel. Auch optisch hat sich einiges getan, trat man 2007 noch mit nacktem Oberkörper auf, so hat man sich für heute in den feinen Zwirn begeben, mit Kettenhemd und aufwändiger Panzerung betritt man die Bühne und legt gleich mit "By The Sword In My Hand" mächtig los.
Der Song wird begeistert mitgesungen und eine riesige Welle der Euphorie brandet den sympathischen Jungs entgegen. Nach "Trondur I Gotu" muss ich den Fotograben verlassen und schnell wird mir klar, dass das Wackinger Village definitiv zu klein ist für eine Band wie Tyr. Diese Band gehört mindestens auf die Party Stage, wenn nicht sogar auf die Black Stage. Und so bleibt mir nichts anderes über, als mir die restlichen Songs nur anzuhören, von sehen kann nur noch sporadisch die Rede sein. "Regin Smidur" und "Olavur Riddararos" folgen, ehe es dann beim allseits erwarteten "Hail To The Hammer" ein Mitsingspielchen gibt, dem wohl alle Folge leisten. Über das flotte "Hold The Heathen Hammer High", bei dem sich einige Surfer auf den Weg in Richtung Bühne begeben, geht es weiter bis zum "Northern Gate", bei dem die Fans ebenfalls mächtig abgehen. Eines bleibt fest zu halten: Wacken 2010 ist für Tyr ein wahrer Triumphzug und wie schon erwähnt: diese Band gehört auf eine größere Bühne. Hail to the Hammer!!!
(Ray)
Es ist nun 19:30 Uhr, die Hitze der Nachmittagsstunden ist angenehmen Temperaturen gewichen und vor der Black Stage beginnen sich die Massen immer dichter zu drängen. Der Grund: Floridas Old-School-Institution in Sachen Todesblei, Cannibal Corpse, ist nach Wacken zurückgekehrt und wird gleich mit der Wucht einer 100-Tonnen-Dampflok auf der Bühne wüten. Dabei ist es gar nicht weiter schlimm, wenn man nicht jeden einzelnen Titel kennt - die hören sich für ungeschulte Lauscher eh alle gleich an - aber schon diesem halslosen Hünen namens George "Corpsegrinder" Fisher beim Röhren und Hochgeschwindigkeitspropellern zuzusehen bereitet mächtig Freude. Die Fans gehen steil zu Titeln, wie "I Will Kill You", "Death Walking Terror", "Make Them Suffer" oder "Priests Of Sodom", das allen weiblichen Fans gewidmet wird. An mehreren Stellen entbrennen Circle Pits, die von Herrn Fisher noch angefeuert werden. Nach "Staring Through The Eyes Of The Dead" und "Hammer Smashed Face", quasi der Visitenkarte der Kannibalen, die hierzulande lange Zeit nicht gespielt werden durfte, ist vorerst mal Schluss. Als Zugabe wird uns schließlich "Stripped, Raped And Strangled" serviert - heiß und fettig!
(Dagger)
Zu dieser Nummer kämpfe ich mich allerdings schon durch die Reihen in Richtung W.E.T. Stage. Dort schlagen nun die Isländer Solstafir deutlich ruhigere, aber dennoch ausgesprochen intensive Töne an. Diese genrefreie Mixtur aus elegischem Black Metal, Rock und Ambiente ist nicht geschaffen, die breite Masse zu erreichen. So ist im Zelt auch herzlich wenig los. In der Spielzeit schaffen es die Ausnahmekünstler, nur drei ihrer überlangen Songs voller Hingabe zu zelebrieren: "Köld", "Pale Rider" und "Ritual Of Fire". Man muss vermutlich Fan sein und mit dem Material vertraut, um hier auf seine Kosten zu kommen. Ich für meinen Teil behalte diesen schwermütigen, fast schon meditativen Auftritt in bester Erinnerung.
(Dagger)
Doch hinfort mit all der Schwermut, schließlich spielen nun Edguy auf der True Metal Stage. Und der Name Edguy ist ja gewissermaßen gleichzusetzen mit Party! Auch wenn ich von der Kollegenschaft dafür verpönt werde, mache ich mich nun auf den Weg zur Bühne, um mir die Vorzeige-Brave-Buben-Metal-Kapelle reinzuziehen. Immerhin belustigt die Videoleinwand die Zuschauer schon mal mit dem Hinweis, bei der nun folgenden Band keine Circle-Pits zu organisieren. Verglichen mit Maiden am Donnerstag ist fast bis kurz vor den Bühnenrand noch genügend Platz, um gemütlich herumzustehen und gleichzeitig einen guten Blick auf das Geschehen zu bekommen. Als Opener liefern Tobias Sammet - fröhlich as ever - und seine Jungs "Dead Or Rock" vom aktuellen Tinnitus Sanctus-Album ab, um die noch zaghaften Gäste vor der Bühne so langsam auf Tour zu bringen. Während "Speedhoven" und des bombastischen "Tears Of A Mandrake" sieht man zwar so langsam immer mehr Leute mit den Füßen wippen, aber so richtig will das Eis erst brechen, als Toby das obergeniale "Vain Glory Opera" vom gleichnamigen Album anstimmt. Auch nach über zehn Jahren ist dies immer noch eine unglaubliche Stadion-Hymne, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Weiter geht es mit dem Gute-Laune-Rocker "Lavatory Love Machine", bei dem eine circa 400-Mann-starke Polonaise vor meinen Füßen vorbeizieht. Ich sag's euch, Metaller darf man an diesem Wochenende nicht ernst nehmen! Jetzt tut sich aber auf der Bühne auch was... Markus Großkopf, seines Zeichens Helloween-Basser, übernimmt den Platz am Bass (was sonst?) und schäkert mit Toby, oder besser gesagt Toby mit Markus. In dieser Besetzung wird "Superheroes" zum Besten gegeben, was natürlich auch wieder herrlich zum Mitsingen einlädt, bevor mit "Save Me" die Ballade des Abends auf dem Programm steht. Also, alle Mann Feuerzeuge raus und ab in die Luft damit. Auch wenn "Save Me" lange nicht an die emotionalen Qualitäten eines "Scarlet Rose" heranreicht, ist die Stimmung im Publikum, wenn Edguy Balladen anstimmen, durchaus beeindruckend. Inzwischen hat Tobias auch das Geheimnis gelüftet, warum Herr Großkopf heute auf der Bühne aufgetaucht ist: Edguy-Basser Tobias Exxel hatte seinen Lümmel nicht unter Kontrolle (O-Ton Tobias Sammet) und sorgt somit dafür, dass irgendwann in diesen Tagen Edguy-Nachwuchs auf die Welt kommt. Markus Großkopf ist quasi als Ersatzmann hier angestellt, falls Toby II plötzlich unabkömmlich werden sollte. Mit "Sacrifice" und dem Rauswerfer "King Of Fools" nehmen Edguy nochmal etwas Fahrt auf, bevor ein richtig gelungener Gig viel zu früh zu Ende geht. Ja, ich hätte der Musik von Edguy tatsächlich noch etwas länger lauschen können, aber dafür sind die vereinzelten Zugaberufe dann doch etwas zu zurückhaltend.
(Sebbes)
O.K. - nun reicht es auch wieder mit Jux und Tollerei. Die Sonne ist verschwunden, die Dunkelheit heraufgezogen - Bühne frei für Immortal! Nach ihrer Reunion-Show im Jahr 2007 kehren die drei Düsterheimer mit Abbath an ihrer Spitze zurück auf die Bretter der Black Stage und haben ein neues Album im Gepäck: All Shall Fall. Mit dessen Titeltrack steigen die Norweger sogleich in ihr Set ein. Doch was da viel zu leise und unausgewogen aus den Boxen kriecht, ist alles andere als zufrieden stellend. Erst zur Halbzeit der zweiten Nummer "Sons Of Northern Darkness" kann der Klang verbessert werden und die Stücke entfalten ihre eigentlich grimmige, wie erhabene Atmosphäre. Es ist wirklich beeindruckend, wie Abbath und Apollyon den großen Raum der Black Stage nutzen - Drummer Horgh ist ja an seinem Platz fixiert - und sich ständig in Bewegung befinden, posen was das Zeug hält, Grimassen in die Kameras schneiden oder synchron headbangen. Gerade Abbath scheint sich so einiges von Gene Simmons abgeschaut zu haben und züngelt, wie der Kiss-Bassist zu seinen besten Zeiten. Mit "The Rise Of Darkness", "Hordes Of War" und "Norden On Fire" ist die aktuelle Scheibe bestens repräsentiert. Es reiht sich Hymne an Hymne. So folgt auf "Damned In Black" und "Withstand The Fall Of Time" das erhabene "Beyond The Northwaves", das dank massivem Einsatz von Pyrotechnik zum absoluten Highlight des Konzerts avanciert. Den Schlusspunkt setzt das infernale Trio mit "One By One", zu dem noch einmal jeder seine Matte kreisen lassen kann. Ein starker und routinierter Auftritt! Leider kamen nur die letzten vier Alben zum Zug, älteres Material wurde dieses Mal völlig außen vor gelassen.
(Dagger)
Wer nun nicht unbedingt der Dunkelkunst frönt, für den steht eine attraktive Alternative parat: Orden Ogan auf der Wackinger Stage. Dumm nur, dass diese sich außerhalb des Hauptgeländes befindet und gerade circa 40.000 Edguy-Fans ebenfalls das Areal verlassen wollen. Also lässt man sich halt gemächlich zu den Toren des W:O:A hinausspülen, wobei ich, während ich gerade so an der W.E.T. Stage vorbeigedrückt werde, überraschenderweise ein paar bekannte Töne vernehme: "Raven Land - Misteltoe". Ach, wie geil, Lake Of Tears haben die alten Songs von der III-Platte ausgegraben. Eigentlich würde ich mir das gerne anschauen, aber Orden Ogan ruft und das darf ich erst recht nicht verpassen.
Den ersten Song habe ich dann, als ich endlich vor der brutal vollen Wackinger Stage angespült werde, doch schon verpasst. Sofort fällt auf, dass ein beißender Knoblauchgeruch in der Luft liegt. Was machen die eigentlich hier den ganzen Tag? Hexen verbrennen? Vampire jagen? Keine Ahnung! Trotzdem ist die Stimmung, die von Sänger Seeb mit diversen Blödel-Spielen immer weiter angefeuert wird, auf und vor der kleinen Bühne erstaunlich ausgelassen. Überhaupt ist die stark bebartete Melodic-Metal-Truppe recht lustig anzuschauen und kann auch musikalisch voll überzeugen. Wer die aktuelle Platte Easton Hope kennt, weiß, dass man diese Songs nicht mal so einfach aus dem Ärmel schüttelt, und so brauche ich einige Zeit, bis sich in meinem Kopf ein stimmiges Bild aus den rauen Gesellen auf der Bühne und der filigranen Musik in meinen Ohren bildet. Einer der Höhepunkte des Auftritts ist mit Sicherheit der an Blind Guardian'sche Epen erinnernde Titelsong des aktuellen Albums, "Easton Hope", der aus den angeblich 10.000 Kehlen vor der Wackinger Stage mit Inbrunst mitgesungen wird. Auch wenn Orden Ogan felsenfest behaupten, dass sie nicht mit Blind Guardian verglichen werden wollen - wenn man Songs mit gefühlten 400.000 Spuren und Begriffen wie Nightfall im Refrain macht, muss man sich das wohl gefallen lassen. Auch mit Running Wild wollen sie nicht verglichen werden, die Ogans, deswegen holen sie für den Song "We Are Pirates" gleich mal Ex-Running-Wild-Klampfer Majk Moti und X-Wild-Sänger Frank Knight auf die Bühne. Na, ob das mal hinhaut?! Egal, stimmungsmäßig trifft der Song jedoch voll ins Schwarze, denn wieder bemüht sich wirklich jeder, so laut wie möglich den Ohrwurmrefrain "We are pirates! And we are free!" mitzusingen. Und dann passiert noch etwas, was ich dieses Jahr in Wacken noch überhaupt nicht erlebt habe: Zugabe-Gesänge, die man einfach nicht ignorieren kann. Fast melancholisch fühle ich mich um sieben, acht Jahre zurückversetzt, als in Wacken alles noch kleiner, aber dafür der Geist des Publikums noch konzentrierter und fordernder war. Die kleine Bühne, der Heißhunger von Orden Ogan nach Erfolg, der volle Platz, die überglückliche Menge - das alles macht diesen Abend unvergesslich und irgendwie viel schöner als viele der ausgelutschten Auftritte auf den großen Bühnen des W:O:A. Als Dank für den tollen Abend wird noch der Song "Mystical Symphony" als Bonus für das Re-Release des vergriffenen Orden Ogan-Erstlingswerkes Vale live aufgenommen, auf dem ihr dann auch den Redakteur klatschen hören könnt. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, wie toll mir, und mit Sicherheit auch den 10.000 anderen Piraten um mich herum, diese Vorstellung gefallen hat.
(Sebbes)
Doch nicht nur vor der Wackinger Stage herrscht einiges an Bewegung. Als wenig später die sphärischen Klänge und die Bassdrum von Fear Factory den Beginn der Show einläuten, ist der Bereich vor der Black Stage brechend voll und die Stimmung steigt schlagartig an. Man eröffnet das Spektakel direkt mit "Mechanize", gefolgt von "Shock". Rechtzeitig zum "Edgecrusher" ist der Sound schön ausgehfertig gemacht, sodass dieser auch so saftet wie er saften soll. Was folgt ist ein gelungenes Potpourri aus alten und neuen Songs. Einige Stücke von Mechanize sind zu hören und so Klassiker wie "Demanufacture", "Resurrection", "Linchpin", welcher meines Erachtens ja Pflicht bei jeder Setlist sein sollte, "No One", "Replica" oder "Acres of Skin". Musikalisch sind die vier wieder auf sehr hohem Niveau unterwegs und besonders vor Gene Hoglan und seinem anscheinend grenzenlosen Talent muss man ehrfürchtig den Hut ziehen. Dennoch gibt es auch Schattenseiten während des Abends. Das immer wiederkehrende Problem mit Mr. Bells klarem Gesang, der live einfach nicht sauber ist und einem gerade bei solchen Stücken wie "Linchpin" ordentlich in die Suppe spuckt. Generell können die Herren auch etwas mehr Bühnenpräsenz zeigen, aber das ist alles Meckern auf hohem Niveau, wenn man an solch einem Abend nach Fehlern suchen muss. Es bleibt ein genialer musikalischer Vortrag von Fear Factory, der mir und vielen verschwitzten Moshern wohl in Erinnerung bleiben wird.
(Alex)
Zur selben Zeit auf der Party Stage werden doch deutlich ruhigere Töne angeschlagen. Meine persönlich letzte Band beim W:O:A 2010 sind Tiamat, zumal es am nächsten Tag schon um halb acht Uhr morgens heißen sollte: Zelte abbauen, um dem großen Rückreiseverkehr zu entgehen. Die Mannen um Johan Edlund sind nach 1995 erst zum zweiten Mal beim größten Metal-Festival der Welt vertreten und auch ich habe sie eine Zeit lang nicht mehr gesehen. Entsprechend neugierig bin ich noch mal zum Abschluss. Inmitten sich deutlich gelichteter Reihen - bei der Konkurrenz Fear Factory auf der Black Stage auch nicht verwunderlich - erkenne ich mit Freude die ersten Klänge des Wildhoney-Albums mit dem gleichnamigen Intro und den beiden Hammer-Nummern "Whatever That Hurts" und "The Ar". Wenn das kein Auftakt nach Maß ist?! Was ich allerdings zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß: die Schweden planen - ähnlich wie bereits am Vortag Grave Digger - ein komplettes Album - in diesem Fall eben Wildhoney - von A bis Z durchzuspielen. Wer das Album kennt, weiß natürlich, dass es hierbei auch viele Längen mit diversen Soli und Keyboard-Instrumentals gibt. Ob dieser Tatsache dann doch etwas enttäuscht, zumal ich mir zu dieser späten Stunde ein paar mehr Hits zum Wachbleiben erhofft habe, verlasse ich die Party Stage nach den Songs "25th Floor", "Gaia" und "Visionaire" und schleppe mich in mein Zelt. Da hatte sich das Aufbleiben wohl nicht ganz gelohnt - leider.
(Jason)
Es stünde nun noch U.D.O. auf dem Betriebsplan der True Metal Stage, und der Boandlkramer sei mein Zeuge - nur zu gern würde ich das Festival mit dem "German Tank" beenden. Der Geist ist willig, aber der Körper ist schwach. Und meine Füße zitieren mich zum Zelt, wo ich zumindest aus der Ferne den Nummern des Herrn Dirkschneider lauschen kann. Dass ich mich gründlich in den Allerwertesten beiße, wenn der Wind die Noten von "Balls To The Wall" in mein Refugium trägt, braucht nicht weiter erwähnt zu werden. Aber, wie schon erwähnt, ist morgen ein früher Aufbruch geplant. Es ist also besser so, und ich bin mir sicher, dass sich U.D.O. nicht zum letzten Mal die Ehre auf den Brettern der Wacken-Bühne gegeben hat.
(Dagger)
Erinnerungen
So sind, ehe man sich versieht, die Tage im Land der Wackinger auch schon wieder gezählt. Es bedarf ja bekanntlich nur ein wenig Spaß und Beschäftigung und die Stunden verfliegen geradezu. Obwohl wir heuer zu sechst unterwegs waren, um euch werten Lesern einen möglichst ausführlichen Bericht zu liefern, haben wir längst nicht alles sehen und beschreiben können. Aber wer schon einmal ins Land der Wackinger gereist ist, der weiß eh, was man hier alles erleben kann. Und wer noch nicht hier war muss sich sputen, wenn es an den Vorverkauf für 2011 geht, denn die Tickets sind bekannter Maßen schnell vergriffen. Mit Blind Guardian, Apocalytica, Avantasia und Suicidal Tendencies sind bereits die ersten Bands für Runde 22 bestätigt. Es dürfte allerdings ein schwerer Job für die Firma werden, an das diesjährige Billing, vor allem an den grandiosen Donnerstag, anzuknüpfen. Aber lassen wir uns überraschen.
Pünktlich zum Ende des Festivals verlässt uns das gute Wetter. Sonntagmorgen stehen wir sehr bald auf, verzichten auf ein Frühstück und versuchen, auf dem schnellsten Weg die Autobahn Richtung Hamburg zu erreichen. Und siehe da, in diesem Jahr entgehen wir sogar dem obligatorischen Stau vor dem Elbtunnel. Ausgezeichnet! Als wir uns schließlich kurz nach Hamburg in einer Raststätte zum ausgiebigen Frühstück einfinden, ereilen uns dank einer Mattscheibe über dem Tresen Bilder von reißenden Fluten in Sachsen, Tschechien und Polen, wo die Neiße über ihre Ufer getreten ist und dort das schlimmste Hochwasser seit 2002 verursacht hat. Wenn die Leute also künftig über das Jahr 2010 sprechen, werden sie sich mit Sicherheit auch an diese Naturkatastrophe erinnern. Der Wackinger hat davon nur wenig mitbekommen. Er wird sich daneben an ein wunderbares Wochenende im Schleswig-Holstein'schen erinnern, an ein tadellos organisiertes "Familientreffen", an viele wunderbare Bands und all die individuellen Eindrücke, die einem niemand wieder nehmen kann.
Wir berichteten live vom Wacken Open Air 2010, Faster Harder Louder, Rain Or Shine - bis zum nächsten Mal! (Dagger)