Konzert-Bericht
Hypocrisy, Survivors Zero & Dust Bolt
Backstage, München 14.02.2010
Stichwort: "Hirschgarten". Seit Mitte Dezember hält die S-Bahn komfortablerweise direkt an der Friedenheimer Brücke und so nimmt man lässig den Treppenaufgang, schlendert die Brücke entlang und steht innerhalb von zwei Minuten vor den Toren des Backstage. Vor allem für Auswärtige, die nach einem gediegenen Konzertbesuch die letzte Regionalbahn gen Norden nehmen müssen, stellt sich die neue Haltestelle als optimale Einrichtung dar.
Stichwort "Elchtod": Der Grund, meinen Sonntag-Abend im Backstage zu verbringen, hört auf den Namen Peter Tägtgren, der sich mit seiner Stamm-Combo Hypocrisy diesmal einige Jährchen Zeit gelassen hat, den Süden Deutschlands zu bereisen, liegt doch die Veröffentlichung von Virus und die entsprechende Tournee nun schon fast fünf Jahre zurück. Da machten zwischenzeitlich schon böse Gerüchte über Auflösungserscheinungen die Runde, die der "Herr der Augenringe" jedoch mit dem kürzlich erschienenen Hassbrocken schwedischer Schule - A Taste Of Extreme Divinity - locker sämtlichst vom Tisch fegte. Gespannt waren da der Kollege Sebbes (der sich bereit erklärt hatte, die Talente seiner niegel-nagelneuen Luxus-Kamera - wir verschweigen mal, was das Ding gekostet hat - einem Testlauf zu unterziehen) und ich, wie sich das neue Material im Hypo-Klassiker-Umfeld schlagen würde.
Das Münchner Publikum scheint Tägtgren und Co. richtig gehend vermisst zu haben, denn obwohl der Gig bereits vom "Backstage-Club" in die größere "Halle" verlegt worden war, standen die Metal Heads schon bei der ersten Vorband dicht an dicht und so wurde das Konzert eine schnuckelig enge Angelegenheit, bei der einem der Schweiß des Vordermanns oder wahlweise dessen Bierchen nicht selten Flecken auf den Lederkittel machte. Nix für Dressmen und Kontaktscheue, aber wir sprechen hier schließlich von einer Metal-Show!
Die im Vorfeld angekündigten Hatesphere hatten die Tour aufgrund des Wechsels auf dem Schlagzeughocker von Dennis Buhl zu ex-Mercenary-Drummer Mike Park abblasen müssen und so bekamen die Landshuter Nachwuchs-Metaller von Dustbolt die genuine Gelegenheit, ihre Künste vor mehreren hundert hungrigen Headbangern zu präsentieren - und die Jungspunde machten ihre Sache erstaunlich gut. Am Sound gab's nix zu mäkeln, so dass die elegante Riff-Arbeit und die kurzweiligen Soli sich in aller Transparenz entfalten konnten. Dustbolt fischen tief im Kill Em All-/Ride The Lightning-Teich - jeder, den man nach der Vorstellung nach einem Urteil fragte, führte das Wörtchen "Metallica" im Munde, aber kollektiv in positiver Art und Weise, denn sowohl was die Abstimmung der Musiker aufeinander als auch die vermittelte Spielfreude anbelangte, zockte die Band einen mehr als soliden Gig. Beifall blieb nicht aus und ich wette, dass die Jungs von Dustbolt noch Stunden nach ihrem Auftritt ein breites Grinsen im Gesicht hatten. Einen Tick mehr Eigenständigkeit hätte man sich gewünscht, aber man darf auf die neue EP Chaos Posession, von der es den ein oder anderen Song gab, gespannt sein.
Survivors Zero rutschten also einen Platz im Billing nach oben und nach dem Thrash-Auftakt stand nun dem Zeitgeist entsprechender Death Metal, allerdings ebenfalls mit reichlich Thrash-Versatzstücken durchsetzt, auf dem Plan. Die Finnen rund um Tapio Wilska - ehemaliger Grunzer bei Finntroll, der bei Survivors Zero den Viersaiter bedient - und Bandgründer Sami Jämsen, der sich die Gitarrenarbeit mit Jani Luttinen (ex-The Wake) teilt, hatten anders als Dustbolt von Beginn an mit Sound-Problemen zu kämpfen, so dass der hauptsächlich vom letzten Album CMXCIX stammende Todesblei, der mal an Dismember, dann wieder an Unleashed und vor allem God Dethroned zu Lair Of The White Worm-Zeiten erinnerte, kaum seine eigentlich vorhandene Power transportieren konnte. Schon anfangs gab das Gesangs-Micro seinen Geist auf und auch die Gitarrenwände verschwammen fortgesetzt ineinander. Am Auftritt selbst aber gab es kaum was auszusetzen. Sänger Tommi Virranta hatte die Menge im Griff und überzeugte mit derben Growls, während sich die Helicopter-Bang-Einlagen seiner Mitstreiter nach und nach auf's Publikum übertrugen. Survivors Zero gereichte es dabei zum Vorteil, richtig starke Songs in der Hinterhand zu haben: beispielsweise "Bury Them Deeper", "I Am The Gun" oder "Reclaim My Heritage" stellten sich als feine Death-Hymnen heraus und als die Band "People Of The Lie" von Kreator intonierte, wurde stante pede der erste Moshpit des Abends eröffnet. Da auch der Abgang mit dem Brecher "Embrace The Inferno" gelang, lässt sich bis auf die erwähnten soundtechnischen Schwierigkeiten ein positives Fazit ziehen - allerdings war der Tenor danach, dass sich Dustbolt mindestens genauso gut geschlagen hatten.
Umbauphase ..., die genutzt wurde, um auf der Bühne Horghs mächtiges Schlagzeug zu enthüllen, neben dem apokalyptisch wirkende Gitteraufbauten inklusive dem umgedrehten Hypo-Kreuz platziert worden waren, so dass die Optik einen nicht geringen Teil dazu beitrug, die richtige Atmosphäre für Peter und seine Mannen zu kreieren.
Kurzes "Die Außerirdischen sind da!"-Intro und Knüppel aus dem Sack: Doppelschlag vom neuen Album mit "Valley Of The Damned" und "Hang Him High"! So hat man sich das vorher gewünscht. Die zuvor in blauen Tönen ausgeleuchtete Bühne explodierte in passenden Lichtgewittern und auch der Sound blies einem nun wieder von Anfang an mit allem nötigen Druck die Gehörgänge durch. Schon bei den ersten beiden Stücken fraß die Menge Herrn Tägtgren aus der Hand und als sich anschließend die Eingangsakkorde von "Fractured Millennium" düster ausbreiteten, war klar, dass sich Hypocrisy bärenstark zurückmeldeten und daher entsprechend abgefeiert wurden. Für die besonders loyalen Fans gab es schon früh im Set zwei Schmankerl in Form des absolut genialen "Adjusting The Sun" von The Final Chapter und "Eraser" von The Arrival - das war so nicht zu erwarten gewesen und stellte für mich einen der, wenn nicht den persönlichen Höhepunkt der Show dar. Die Oldschool-Fraktion kam anschließend mit einem aus "Pleasure Of Molestation", "Osculum Obscenum" und "Penetralia" zusammen gefrickelten Medley auf ihre Kosten und noch ein Mix, diesmal aus "Apocalypse" und "Fourth Dimension", sorgte dafür, dass auch die Überhits der Schweden nicht fehlten. Letzteres setzte sich nahtlos mit einem schön brutal vorgetragenen "Killing Art" und - yes - "A Coming Race" fort. Unnötig darauf hinzuweisen, dass die sprichwörtlichen Nackenmuskeln schon an diesem Punkt recht strapaziert wurden. Mit Freuden nahm Kollege Sebbes den Groover "Let The Knife Do The Talking" von seinem Favourite Virus auf und nachdem es mit "Weed Out The Weak" noch mal Uptempo-Stoff von der neuen Scheibe und "Fire In The Sky" als obligatorischen Schlussakkord des regulären Sets gab, durfte man schon hier mehr als zufrieden aus der mittlerweile nass geschwitzten Wäsche schauen.
Aufgrund der Tatsache, dass Hypocrisy aber noch mal triumphal mit "Roswell 47" zurückkehrten, mit dem Highspeed-Nackenbrecher "Warpath" die letzten Tropfen Adrenalin zu Tage förderten und sich stimmig und Gott sei Dank wie immer mit "The Final Chapter" verabschiedeten, kann der Rezensent letzten Endes mit Fug und Recht von einem der besten Hypo-Gigs, an denen er in den letzten 15 Jahren teilnehmen durfte, sprechen.
Die Band zeigte sich in erstklassiger Verfassung, so dass die fünfjährige Verschnaufpause augenscheinlich dazu genutzt wurde, die Alien-Batterien aufzuladen, um die neue Invasion vorzubereiten. Diese begann schon mit dem jüngsten Output und setzte sich im Backstage nachdrücklich fort. Richtig starke Vorstellung - den Elchtod stirbt man gerne wieder!
Setlist Survivors Zero:
Armageddon Cult
Thorns Of Rapture
Scavengers Of Christ
Bury Them Deeper
Trail Of Fears
I Am The Gun
People Of The Lie (Kreator)
Reclaim My Heritage
Embrace The Inferno
Setlist Hypocrisy:
Intro
Valley Of The Damned
Hang Him High
Fractured Millennium
Adjusting The Sun
Eraser
Pleasure Of Molestation/Osculum Obscenum/Penetralia
Apocalypse/Fourth Dimension
Killing Art
A Coming Race
Let The Knife Do The Talking
Weed Out The Weak
Fire In The Sky
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Roswell 47
Warpath
The Final Chapter
Sebbes & Fuxx