Konzert-Bericht
Deep Purple & Gotthard
Olympiahalle, München 15.11.2008
Es ist eine beschauliche Samstagnacht im November. Erste Eiskristalle bilden sich auf Autoscheiben und ein Sophos stolziert aufgepumpt mit Adrenalin, einem hohen Surren in den Ohren und einem glücklichen Lächeln auf den Lippen durch den Olympiapark in München. Und das alles nur, weil Deep Purple sein 40jähriges auf der Bühne gefeiert hat.
Ja, ich war da und es war geil. Pünktlich um acht Uhr wurde es dunkel in der Halle und es erklangen die ersten Klänge von Gotthard, die an diesem Abend als Special Guest geladen waren. Warum die Briten von Deep Purple gerade die Schweizer Gotthard als Support genommen haben, wurde sehr schnell klar. Präzision, Spielfreude und geile Songs zeichnen die Band und ihre Erscheinung auf der Bühne aus. Hier stimmt so ziemlich alles. Zumindest was das Musikalische anbelangt. Die Musik hätte von CD kaum besser sein können, die Band verfügt mittlerweile über ein beachtliches Repertoire an hitverdächtigen Krachern und so wurde die Stunde, die Gotthard sich dem Publikum präsentieren durfe, sehr kurzweilig. Zugabe gabs keine, war aber auch nicht das Problem, da die Stunde Spielzeit so wirklich gut von den Jungs genutzt wurde. Ein kleiner Wermutstropfen bringt die Art von Sänger Steve Lee mit, der sehr abgeklärt und recht fanfern agierte. Seine Moderationen kamen nicht unbedingt rüber. Aber darüber konnte man ganz gut hinwegsehen.
Dann war Pause. Vielleicht 15 Minuten. Auf keinen Fall wesentlich länger.
War die Stimmung bei Gotthard ordentlich bis ausgelassen, dann flog jetzt bereits zu Beginn bei Deep Purple so manches Toupet in der Schar angegrauter Fans hoch. Es ist bisher selten vorgekommen, aber ich habe das Durchschnittsalter im Fanblock sicherlich gut verringert. Die alten Herren und Damen gaben bis zum Ende der über zweistündigen Show keine Ruhe mehr. Da wurde getanzt, gegrölt, die Gehhilfe geschwungen und das Gebiss samt Stützstrümpfe auf die Bühne geworfen. Okay, das letzte war jetzt etwas gelogen, aber die Halle hat in einer Form gekocht, das hätte ich den Alten nicht zugetraut. Und dabei rede ich bisher nur von den Fans.
Die Herren auf der Bühne waren im Durchschnitt nochmals älter. Nur als Hinweis: Ian Gillan - 63, Steve Morse - 54, Roger Glover - fast 63, Don Airey - 60, Ian Paice 60. Das sind dann mal runde 300 Jahre Musik auf einer Bühne. Haut mich noch immer aus den Socken. Normalerweise sollte man sich in diesem Alter doch mal langsam überlegen, ob betreutes Wohnen nicht angesagt wäre. Bei den fünf müsste man sich sicherlich Sorgen um die Pflegerinnen machen. Die legten los, wie wenn sie gerade ihre Debüt-Tour hinlegen würden, nur mit viel mehr Erfahrung und dadurch einer unglaublichen Präzision, Eingespieltheit und unfassbaren Klasse. Don Airey macht Sachen mit seinen fünf Keyboards, da kann man gar nicht so recht glauben, dass das einer alleine ist (ja, ich weiß, dass die Dinger programmierbar sind, aber trotzdem). Ian Gillan sprüht so viel Freude aus, dass man ihm ohne Probleme abnimmt, dass er nicht auf der Bühne steht, weil er halt einen Job zu machen hat, sondern einzig, weil er es will, weil es das ist, was ihn und sein Leben ausmacht. Wer behauptet, dass sich Rocksänger die Stimme auf Dauer kaputt machen würden, soll sich mal diesen Herren anhören. Der kräht besser als ein Pavarotti oder Domingo in dem Alter. Bei weitem besser. Steve Morse, der Jungspund der Band, rattert die Soli nur so der Reihe nach runter und hat dabei auch noch jede Menge Zeit, den einen oder anderen Gesangspart beizusteuern. Roger Glover braucht zwar ein Kopftuch, um seinen Haarverlust zu kompensieren, aber das hat seinem Bassspiel definitiv nicht geschadet. Ganz im Gegenteil steht hier ein Musiker auf der Bühne, von dem eine Menge Bassisten noch richtig was lernen können. Und dann wäre da noch Ian Paice. Mir ist aufgefallen, dass gerade die Schlagzeuger mit zunehmendem Alter doch recht ordentlich in die Breite wachsen. Ian Paice kann da auch gut mithalten, aber es ist erstaunlich, wie er die doch stellenweise komplexe Rhythmik bei Deep Purple mit einer Ruhe runterspielt, als wenn er gerade gemütlich auf der Couch rumliegen würde. Ja, der Herr macht das schon ein paar Jahre, aber dennoch ist es erstaunlich, welche Souveränität und Spielfreude bei Deep Purple sich auf der Bühne vereint. Da ist ein Gesangs-Gitarren-Battle dann quasi nur noch eine Randerscheinung.
Dargebracht wurden natürlich nur Hits, von denen es aber ja auch jede Menge gibt. Meine Favoriten "Knocking At Your Back Door" und "Perfect Strangers" waren ebenso dabei, wie das allbekannte "Smoke On The Water", welches eigentlich doch mittlerweile recht ausgenudelt ist. Aber live von der Bühne ist es dann doch auch wieder etwas ganz anderes.
Wer dieses Konzert verpasst hat, kann nur hoffen, dass es davon ein Live-Video gibt. Ein absoluter Höhepunkt in diesem Jahr. Nur schade, dass ich keine Fotos präsentieren kann, doch Fotografieren war leider nicht gestattet.
Setlist Deep Purple:
Pictures Of Home
Things I Never Said
Into The Fire
Strange Kind Of Woman
Rapture Of The Deep
Kiss Tomorrow Goodbye
Contact Lost
Knocking At Your Back Door
Sometimes I Feel Like Screaming
Wring That Neck
The Battle Rages On
Perfect Strangers
Space Truckin'
Highway Star
Smoke On The Water
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Lazy
Hush
Black Night
Sophos