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Konzert-Bericht

Mötley Crüe, Slash & Kissin' Dynamite

Stechert Arena, Bamberg 20.06.2012

Dekadenz! Glamour! Girls! Coole Songs, mehr schlecht als recht gespielt! Matschiger Sound! Was bekommt man, wenn man das zusammenpackt? Richtig, volle Punktzahl, eine Darbietung der Archetypen des Glam Rock, der selbsterkorenen Heiligen von Hollywood, kurz gesagt von Mötley Crüe.
Bei ihrem letzten Gastspiel in München (unsere Postille berichtete) zeichneten sich die Herren Neil, Mars, Sixx und Lee durch komplette Abwesenheit jeglicher Bühnenschau aus, was nach den optischen Köstlichkeiten der Carnival of Sins-DVD ein ganz kleines bisschen enttäuschend war. Andererseits, was darf man schon erwarten in der Stechert-Arena (der Name sorgte selbstredend für Heiterkeit), der Halle, in dem sonst die Brose Baskets aus Bamberg versuchen, einen Ball durch einen kleinen Metallring zu bugsieren? Und wer oder was ist eigentlich ein Brose?

Wir wissen es nicht und machen uns dennoch frohgemut auf die lange Reise (es gibt nur drei Gigs in Deutschland, einen davon im Frankenland), die gleich zu Beginn durch sintflutartige Regenfälle fast zunichte gemacht zu werden droht (geht doch nix über einen zünftigen Infinitiv). Aber wir lassen uns nicht aufhalten und laufen relativ pünktlich kurz nach acht in der Halle ein, verpassen zwar Kissin' Dynamite, aber erhaschen doch die Szenerie, wo eine weitere Ikone, nämlich des Sleaze Metal, teilweise alte Zeiten und teilweise neue Glanztaten beschwört. Waren die ersten Gehversuche von Slash (der 1987 schon mal für die Crüe eröffnete...) auf Solo-Wegen noch sagen mir mal gewöhnungsbedürftig, liefert der Meister mittlerweile eine saubere Mischung aus alten Gunners und richtig guten neuen Songs. Gekonnt inszeniert vom mehr als fähigen Shouter Myles Kennedy, kommen Nummern vom Schlage eines "Nighttrain" oder "Mr. Brownstone" kühl rüber. Jaja, so gut waren sie mal, die Herren um den mittlerweile zur Parodie seiner selbst herabgesunkenen Axl Rose, und diese Darbietung ist um einiges besser als die von Ex-Kollege Duff McKagan, der ja die alten Knarren und Rosen-Sachen auch im Gepäck hat. Slash (im obligatorischen Zylinder, der ist glaube ich mittlerweile festgewachsen) spielt sehr sauber, der Sound ist ok, und somit kommt bei "Sweet Child Of Mine" besondere Freude auf, gehört die Gitarrenlinie ja wohl zum Besten was der Sleaze hervorgebracht hat. Aber auch die eigenen Stücke wie "Shots Fired" oder die Velvet Revolver-Titel ("Slither") sorgen für Laune. Runde Sache!

Dann leert sich die Halle schlagartig, die Leutchen entrinnen der Bullenhitze mal für eine Weile, und wir sehen, dass die Ränge zwar gut, aber nicht voll gefüllt sind. Zeit also für antizyklisches Handeln, wie immer im Leben zahlt es sich aus gegen die Masse zu agieren, wir platzieren uns ganz locker und entspannt in nächster Nähe zur Bühne. Nach nicht allzu langer Pause spazieren die Herren dann recht locker auf, ein kleines Intro, und ab geht die Post, "kneel down you sinners, streetwise religion, greed's been crowned the new king". Das Hollywood Dream Team ist mittlerweile bekannt, Tommy Lee ist unverschämt fit hinter seinem Drumkit, Nikki Sixx wirkt heute irgendwie komplett abwesend und hat einen komischen Mop als Frisur, Vince Neil hat definitiv die Dienste der plastischen Chirurgie in Anspruch genommen (nein Junge so siehst du ohne Nachhilfe ganz bestimmt nicht mehr aus), und Mick Mars gleicht immer mehr einem Zombie - das Gesicht nicht richtig zu sehen, man erhascht Blicke auf ein a(r)schfahles Antlitz mit schwarzen Lippen, und die Körperstatur erinnert immer mehr an das Männlein das im Walde steht. Der Sound ist Matsch, das Anfangsriff ist kaum zu erkennen, aber das ist keine Überraschung, ebenso wenig, dass der gute Vince die Texte eher im Telegrammstil denn in der vollgültigen Fassung darbringt. Vollkommen egal, "Wild Side" ballert, das ist Fakt, und als dann auch noch zwei eher spärlich gekleidete Damen (die Szene in Sin City, als Jessica Alba als Cowgirl tanzt? Alles klar??) erscheinen und mitsingen, ist klar: heute gibt's mehr Show als in München! Jo mähn.

Dann gleich weiter mit ihrem zumindest für mich besten Song - "Live Wire" ist einfach immer nur göttlich, das kracht und knödelt und ist nur gut. Mick Mars lehnt sich immer wieder an die Boxen an, die Knochenkrankheit macht ihm wohl massiv zu schaffen, insofern ist hier von Stageacting nicht die Rede, das ist eher ein Staksen und nicht umfallen wollen. Ohne jede Ansage geht's weiter zu "Too Fast For Love", und das liefert wie stets ein Messerriff mit ruppigster Attitüde und einen fetten Refrain. Alles gut, alles bekannt so weit. Jetzt gibt's auch paar warme Worte von Vince, "are you ready for this? Then say fuck yeah", nun, die Crüe war halt schon immer besonders für Feingeister und Filigranwortakrobaten geeignet. Nikki wirft noch elegant ein "what's up are you France? Is this Germany or not?" Ja, aber das ist Bamberg in Franggen, da rastet man nicht sooo aus, mein Herr. Aber der Vergleich mit den müden Franzosen bietet natürlich eine bodenlose Frechheit. "Shout At The Devil" reißt wieder ganz gewaltig was und liefert eine schöne Gelegenheit, wiederholt punktgenau die Faust in die Luft zu werfen und "shout" zu brüllen. Auch das sollte man im Leben gemacht haben, ohne Frage. Bei "Don't Go Away Mad (Just Go Away)" spielt Vince selbst eine akustische Klampfe, ja klar ist das alles Malen nach Zahlen, tausendmal geübt, aber der Song ist trotzdem gut. Zwischendurch holt man sich einige Fans auf die Bühne, die dann wild umherhüpfend die Animationskasper spielen dürfen - das wiederum ist eine nette Demonstration dass man zumindest einen kleinen Spaßfaktor haben darf. Nach den weiteren üblichen Programmpunkten "Same Ol' Situation" und einem wirklich beißenden "Looks That Kill" (wieder mit den bezaubernden Sangesdamen...) kommt nun aber doch eine Uralt-Perle zum Tragen, die Nikki Sixx mit "We've been together for over 30 years now, and we have only written about getting laid. This is also about the same topic, and we haven't done this in a long while" ankündigt. Ja, mit "Piece Of Your Action" kommt tatsächlich eine Nummer vom Erstling Too Fast For Love dran, und der zeichnet sich durch besonders schräge Gitarrenriffs in den Strophen aus - einzelnen wie mir mundet das hervorragend, weil lange nicht gehört und ein Farbtupfer, die Stimmung insgesamt geht etwas runter, weil das ist ja nicht von Dr. Feelgood, gelle. "Primal Scream" langweilt wie immer, der einzige wirklich schlechte Song des Abends, keine Ahnung warum sie diesen Stinkkäse immer spielen. Dann der Party-Reißer "Smoking In The Boys Room", und dann passiert's: genau sehen kann ich es nicht, aber irgendwas trifft Vince am Kopf, der schaut verdattert und dann sauer, stürmt mitten im Song von der Bühne und schmeißt das Mikro weg, dass es kracht [Anm.: späteres Studium der Dokumente im Du Schlauch ergibt, dass der Herr Wasser oder Bier ins Gesicht kriegte - mann hab dich nicht so, ihr wollt doch die dekadenten Hunde sein...]. Die anderen spielen fröhlich weiter, Mick Mars kriegt wahrscheinlich gar nicht mit dass einer fehlt, die letzte Strophe also ohne Gesang, und den Refrain hustet Nikki irgendwie ins Mikro. Ist das so geplant? Wohl kaum... aber jetzt kommt Tommy vor und hält erst mal einen kleinen Vortrag über einen gewissen Captain Paul Watson, der gegen die Jagd auf Haie vorgeht und irgendwo im Knast sitzt. Wir dürfen jetzt lautstark "free Paul Watson" rufen, damit die Justizministerin das hört und ihn freilässt. So genau haben wir das alles nicht verstanden, und einige Spaßvögel rufen auch lieber "free Pamela Anderson!" Aber jetzt steigt er ins Schlagzeug, und wie seinerzeit auf den Theater Of Pain-Tour ist das eher eine Achterbahn denn eine normale Schießbude - zum Drumsolo beginnt das Ding sich plötzlich zu bewegen, fährt im Kreis hoch und runter und dreht sich schließlich einmal komplett über den Kopf. Tommy hängt ungerührt drin und bearbeitet die Felle, auch als er kopfüber nach unten hängt. Sehr sehr cool. Wieder runter, und jetzt meint er allen Ernstes: "This is fun. I have a spare seat here. Who wants to ride with me?" Man deutet wieder einen raus, einen jüngeren Poser mit blonden Haaren, den Tommy mit einem frohgemuten "You look like a little Vince!" begrüßt. Man macht sich bekannt, Felix heißt der Glückliche, "how old are you? 19. Have you been partying tonight? Jägermeister? Beer? Good boy!!" und ab geht's, once around the ride, Felix fährt mit. Soweit so gut, man baut ein Klavier auf, und zu "Home Sweet Home" spaziert Vince nun endlich wieder auf die Bühne. Sichtlich wenig erfreut bringt der die Sache zu Ende, das Lied ist schön wie immer, aber den großen Enthusiasmus legt er nicht an den Tag. Und dann malträtiert Mick Mars die Gitarre wirklich arg, also jetzt "Dr. Feelgood", oder? Hm, nein, das wird jetzt doch nicht schon? Doch, es kommt schon "Kickstart My Heart". Live versemmelt wie immer, bekannt und somit kein Problem, lustig, nur die komische Tante die neben mir rumpogt ist irgendwie unnötig. Aber das ist doch jetzt nicht euer Ernst, dass Schluss ist?? Keinerlei Zugabe?? Es fehlen noch ungefähr tausend Sachen! Nein, Licht an, Spot aus, Ende im Bamberger Gelände. Nachfolgende Studien der Setlists anderer Austragungsorte bringen ans Licht, dass nach Tommys Drumsolo eigentlich "Dr. Feelgood" und danach "Girls Girls Girls" an der Reihe gewesen wären. Offenkundig zog irgendetwas derartig den Zorn des Vinces auf sich, dass der keinen Bock auf irgendwas mehr hatte und das Konzert deutlich gekürzt wurde. Ein mehr als nur schaler Nachgeschmack an einem Abend, der somit den gewohnten Standard (Songs), ein paar Farbkleckse (die leckeren Tänzerinnen) und einen echten Knüller (das Achterbahn-Schlagzeug) und ein echtes Ärgernis brachte.

Setlist Mötley Crüe:
Wild Side
Live Wire
Too Fast for Love
Saints of Los Angeles
Shout at the Devil
Don't Go Away Mad (Just Go Away)
Same Ol' Situation (S.O.S.)
Looks That Kill
Piece of Your Action
Primal Scream
Smokin' in the Boys' Room
Drum Solo
Home Sweet Home
Kickstart My Heart

Holgi

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