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Interview

Interview mit Doro (26.07.2004)

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Logo Doro

Obwohl ihr Auftritt erst im nächsten Jahr ansteht, stattete Rockröhre Doro dem diesjährigen Bang Your Head Open Air ihren Besuch ab. Für alle, die es noch einmal von einer Frau bestätigt haben wollen: ja, Doro sieht gut aus. Sie ist super nett, unkompliziert und trinkt viel Kaffee. Und sie hat ausschließlich eines im Kopf: ihre Musik. Ob alleine diese Einstellung schuld daran ist, dass Frau Pesch auf eine über zwanzigjährige Karriere im Rockmusikgeschäft zurückblicken kann, oder ihre unglaubliche Ausstrahlung - auf jeden Fall genießt die Vorzeigefrau des deutschen Heavy Metal jede Menge Respekt und das nicht nur von ihren männlichen Kollegen. Ich habe eine entspannte Doro kennen gelernt, die sich fast eine Dreiviertelstunde Zeit nahm und von den Höhen, aber auch von den Tiefen ihrer Ausnahme-Bühnenlaufbahn erzählte. Und von Pete Steele...
Übrigens: Am 19. August wird die EP Let Love Rain On Me veröffentlicht und am 20. September erscheint Classic Diamonds mit Doro und dem Classic Night Orchestra.

HH: Ich darf dir noch nachträglich zum Geburtstag gratulieren! Du bist ja jetzt rund zwanzig Jahre im Geschäft - ich stehe gerade am Anfang. Deshalb würde ich gerne mit dir eine Zeitreise machen zum Beginn deiner Musikerlaufbahn.

Doro: Ich wollte schon immer Musik machen! Ich bin in der Glamrock-Zeit aufgewachsen, als Teenager war ich viel mit Jungens zusammen, die hatten ihre Zimmer mit Postern tapeziert - für mich der Himmel auf Erden! Später habe ich eine Lehre als Grafikerin gemacht, wurde dann sehr krank. Keiner hat gewusst, was mir fehlt - ich war ein Jahr lang im Krankenhaus und hab' mir geschworen, wenn du da wieder rauskommst, wirst du Sängerin. Es kam richtig heftig, mit Chemotherapie und allem. Als ich 'raus kam, hatte ich zwei Wochen später meine erste Band namens Snakebite. Die wollten eigentlich einen männlichen Sänger, da musste ich mich richtig beweisen! Wir probten damals in der Ronsdorfferstrasse in Köln, vielen Musikern wird das was sagen. Da kamen immer viele Leute in die Proberäume und ich merkte, dass ich ganz gut ankam. Danach war ich vielen anderen Bands, bis es zur Formation von Warlock kam.

HH: Wie kam es, dass ihr so schnell erfolgreich wart? Du warst noch sehr jung damals...

Doro: Freunde haben unser Demo überall 'rumgeschickt, ohne dass wir es wussten. Und innerhalb von ein paar Wochen hatten wir mehrere Plattenvertrags-Angebote. Wir entschieden uns für ein belgisches Label und haben unsere erste Platte gemacht, Burning The Witches. Wir dachten, vielleicht verkaufen wir ein paar hundert Scheiben... dann wurden es zwanzigtausend in einem Monat. Wir dachten, das gibt's doch gar nicht.

HH: Hört sich alles traumhaft an...

Doro: Ja! Es war Wahnsinn. Wir bekamen eine Tour mit Metallica, die kannte damals ja keiner. Wenig später bekamen wir dann die Mega-Tour durch Europa mit Judas Priest. Da habe ich dann meinen Job quittiert. Ich hatte bis dahin tagsüber gearbeitet, stand bis nachts auf der Bühne, morgens wieder raus - ich hab' nie geschlafen!

HH: Du sagtest ja auch mal: "Für mich gibt es nichts anderes als meine Musik." Hattest du in Amerika denn mehr Chancen als in Europa?

Doro: Also, die Tour mit Judas Priest war der Auslöser, da wusste ich, ich will nie mehr zurück in meinen alten Beruf. Ich kam dann 1986 für eine kleine Promotiontour nach New York und dachte: da bleib' ich. So ergab sich das einfach mit Amerika. Damals war das ja noch etwas Exotisches. Das hat mir echt saugut gefallen dort. Ich hab' meinen Kumpels und Eltern gesagt, ich komm' erst mal nicht mehr wieder.

HH: Klingt ja knallhart.

Doro: Ja, das war richtig hart! Wir haben dort die Triumph And Agony gemacht, das war die Platte, die am erfolgreichsten war. Danach gingen wir auf Welttour und waren ein Jahr lang in ganz Amerika unterwegs.

HH: Aber dann kam das Ende von Warlock - das muss doch ein ziemlicher Schlag gewesen sein, nach dieser regelrechten Erfolgswelle?

Doro: Ja - während der Tour kam es zu etwas, das keiner voraussehen konnte: eines Tages bekamen wir einen Brief vom Anwalt, dass wir den Namen Warlock nicht mehr benutzen durften. Wir dachten natürlich, das geht gar nicht, ausserdem hatte ich ja selbst den Schriftzug entworfen. Vor Gericht wurde uns aber tatsächlich der Name aberkannt. Das hätte auch das Ende sein können... wir entschlossen uns aber dann, unter "Doro" weiter zu machen.

HH: Seit einiger Zeit ist der Name Warlock aber wieder in deinem Besitz.

Doro: Ja, nach so langer Zeit, endlich wieder! Das ist schon ein unglaubliches Gefühl. Ich hatte ja nie vor, eine Solokarriere zu starten, ich bin mehr der Band-Typ.

HH: Ist das ein Familienersatz für dich?

Doro: Meine Band ist schon etwas wie Familie für mich: man sieht sich ja ständig, ist auf Tour pausenlos zusammen. Dazu kommt, dass die Jungs aus der Band zum Teil schon ewig dabei sind. Deshalb war auch der Tod von unserem Gitarristen Mario im Jahr 2000 ein ganz furchtbarer Schock für mich, ich hatte den unglaublich lieb. Für ihn ist auch das Lied "Undying" auf der Fight.

HH: Wo ist bei dir die Grenze zwischen privat und beruflich?

Doro: Naja, Privatleben gibt's bei mir eigentlich null. Es gibt im Grunde nur das Studio, den Tourbus. Freizeit habe ich eigentlich (überlegt kurz)... nie so gemacht. Musik ist schon das, was ich am allerliebsten mache, obwohl es schon sehr stressig ist, muss ich sagen.

HH: Hat denn deine Karriere in Amerika deine Arbeitsmentalität geprägt? Du produzierst ja ein Album nach dem anderen. Erst nach Fight hast du eine kleine Pause eingelegt...

Doro: Ach, ich war eigentlich schon immer so. Als das Alles anfing, in den 90ern, da musste man einfach am Ball bleiben, weil man es schwer hatte, neben all dem Grunge überleben zu können. Wenn man ein tolles Album gemacht hatte und ganz stolz damit zu 'ner Plattenfirma kam, hieß es als erstes: "Ist es denn Grunge?"

HH: Musstest du dich denn als Frau in diesem Genre mehr anstrengen?

Doro: Also, ich hab nie die Erfahrung gemacht, dass ich als Frau irgendwie nicht respektiert worden wäre. Ich bin immer gut behandelt worden. Ein viel größeres Problem war eher, dass wir aus Deutschland kamen! Zwar hatten Metal Bands aus Deutschland einen guten Ruf, andererseits war es extrem schwer, sich gegen englische Bands durchzusetzen. Die englische Presse war superhart und hat sich auch lustig gemacht über meinen Akzent. Man musste sich in England etablieren, bevor man überhaupt nach Amerika gehen konnte. Bei unserem Auftritt beim Monsters Of Rock haben wir uns aber gegen alle Erwartungen durchsetzen können.

HH: Apropos Durchsetzen: was hältst du von den "neuen Frauen" im Metal? Es gibt ja einige, die versuchen, mit dem Sex-Image für ihre Bekanntheit zu sorgen.

Doro: (überlegt) Also, hmmm... wenn die Musik geil ist, ist mir das egal. Gerade Lacuna Coil finde ich super, wir kennen uns auch gut. Natürlichen Sex Appeal wie bei Christina (Scabbia - Liz) oder bei Sandra von den Guano Apes finde ich toll, wenn das nicht zu plakativ wirkt. Angela von Arch Enemy ist auch eine tolle Frau. Ich habe nicht das Gefühl, dass es viele Frauen gibt, die sich irgendwie über die Sex-Schiene verkaufen. Die meisten dieser jungen Frauen sind alle superstark, sie haben großartige Stimmen, viel Persönlichkeit und ihren eigenen Stil, ohne von anderen zu kopieren.

HH: Aber dir ist schon klar, dass du sozusagen die Vorreiterin dieser Frauen bist?

Doro: (ein wenig verlegen) Naja, also ich habe schon versucht, so gut wie möglich zu sein... wenn sich davon jemand inspiriert fühlt, dann find' ich das super, aber... wenn ich so darüber nachdenke, was ich alles gemacht habe an Konzerten, an Songs - ich habe immer versucht, alles zu geben und mit meinem ganzen Gefühl dabei zu sein. Damals, als meine Solokarriere begann, gab es ja auch nicht viele Frauen.

HH: War eigentlich Tom Naumann (Primal Fear, siehe Interview - Liz) schon bei dir? Gestern hat er mir gesagt, er findet dich ganz toll, traut sich aber nicht, dich anzusprechen.

Doro: Nein, noch nicht. Vielleicht traut er sich ja heute. Aber es ist schön, das zu hören - ich freue mich total über gute Kritik. Ich meine, ich hab' ja auch keine Familie und da ist es wichtig für mich, Rückhalt von außen zu haben.

HH: Hast du dir nie eine Familie gewünscht?

Doro: Nein, also, das war bei mir nie ein vordergründiges Thema, das hätte die Stimmung auch gestört. Wenn ich eine Sache mache, möchte ich das auch zu 150 Prozent tun und so ein Kindchen im Tourbus mitzuschleppen - das wäre, glaub' ich, gar nicht gut gegangen. Es gibt ja einige, die das machen. Aber ich habe schon mit mir selbst genug zu tun (lacht). So etwa vor fünf Jahren hab' ich mich doch mal hingesetzt und überlegt: willst du jetzt weiter Musik machen oder Kinder?
Naja, ich denke, in diesem Leben reicht es bei mir nur für die Musik. Ich vermisse nichts... manchmal, wenn ich bei Freunden bin, die Familie haben, denke ich, es wäre doch schön... aber die sagen dann: Man, du kommst so viel rum und wir sitzen zu Hause - dann sehe ich, meine Entscheidung war richtig.

HH: Ist das der Preis, den du dafür gezahlt hast?

Doro: Es ist okay für mich. Jedes Mal, wenn ich eine Platte veröffentlicht habe, ist es wie so eine kleine Geburt - viel Qualen, Alpträume. Aber am Ende freut man sich. Wenn man gut sein will, ist es schwer, weil man sich immer gegen andere durchsetzen muss, gegen alle, die einem dreinquatschen wollen.

HH: Hast du das denn noch nötig?

Doro: Bei jeder Platte fängt man von Neuem an. Es sind immer neue Leute dabei, vor denen man sich beweisen muss. Gene Simmons hat das damals (Produzent des 2. Soloalbums Doro, 1990 - Liz) zu mir gesagt: man fängt bei jeder Platte wieder bei Null an. Er hat Recht!

HH: Dann lass uns doch noch etwas über deine Musik sprechen...

Doro: Jaaa!

HH: Auf der Fight gibt es Duett mit Pete Steele.

Doro: Ooh, jaa - Pete Steel. Ich bin ja ein großer Type 0 Negative Fan und wir hatten diesen tollen Song, den zuerst unser Gitarrist Nick eingesungen hat. Während er so sang, sagte ich: mein Gott, das wär' doch 'n Song für Pete Steel! Eine Woche später waren wir in New York für ein Konzert und ich lernte dort eine Frau kennen, die sagte, Pete wäre einer ihrer besten Freunde. Ich wollte aber nicht, dass sie ihn für ich anruft... einen Tag später aber hatte ich ihn auf meinem Handy-Anrufbeantworter... ich hab' die Nachricht zehnmal angehört! Ich dachte, mein Handy explodiert gleich, er hat ja eine so tiefe Stimme.

HH: Verrate mal, wer dein Duettpartner für deine neue Platte wird.

Doro: Udo Dirkschneider. Das wird ein richtiges Highlight!

HH: Du singst ja auch immer wieder Lieder auf deutsch - deine Art von Patriotismus?

Doro: Der allererste Song auf deutsch war ja "Für Immer", da geht es um tiefe Freundschaft und tiefe Liebe... das war für die Fans gedacht. Ich versuche immer, einen deutschen Song zu schreiben, das klappt aber nur, wenn er aus dem Herzen kommt. Auf dem Classic-Album werden auch "Für Immer" und "Tausendmal Gelebt" draufsein. Ich singe gern in anderen Sprachen. Die neue Single "Let Love Rain On Me" haben wir auch auf Spanisch und Französisch aufgenommen. Vielleicht kommen noch mehr Sprachen dazu...

HH: Wie würdest du es finden, als "Madonna des Metal" bezeichnet zu werden? Du hast ja stilistisch enorm viel ausprobiert.

Doro: Es muss ja nicht immer Metal sein. Ich finde es schön, die Freiheit zu haben, was Neues zu machen. Hauptsache, es steckt viel Power dahinter!

Liz

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