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Interview

English VersionInterview mit Ancient Rites (06.05.2015)

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Geschichtsstunde mit Gunther Theys! Als nach einer gefühlten Ewigkeit die niederländische Kultband Ancient Rites mit einem neuen Album auf die Bildfläche zurückkehrte, haben wir das kreative Haupt zum Interview gebeten. Einmal die richtigen Fragen gestellt und ihn auf seine große Leidenschaft, nämlich das Texteschreiben, angesprochen, sprudelte es nur so aus ihm hervor. Er ist, wenn es um historische Dinge geht, zwar schon a bisserl a Gscheidhaferl, wie man hier in Bayern sagt, die große Leidenschaft für seine Arbeit hört man aber mit jedem seiner Sätze: ein ungewöhnlich persönlicher Einblick in das Leben des Musikers, alles Wissenswerte rund um das neue Album Laguz und noch viel mehr...

HH: Hallo und beste Grüße aus dem Frankenland im Norden von Bayern! Ich war wirklich überrascht, als ich mitbekam, dass ein neues Ancient Rites-Album auf den Markt kommt. Das letzte Lebenszeichen deiner Band liegt ja schon sehr lange zurück. Warum hat es so lange gedauert, bis man wieder von Ancient Rites hört?

Gunther: Grüße aus Flandern! Ich denke, du warst nicht der einzige, der überrascht wurde. Ich kann mich erinnern, dass die Leute schon geglaubt hatten, die Band würde nicht mehr existieren. Einige interne und auch externe Faktoren führten zu dieser Situation, es musste nämlich eine ganze Reihe von Hindernissen genommen werden, finanzielle und auch praktische... und zwar eines nach dem anderen. Dazu kamen außerdem noch Wechsel im Line-Up und schließlich hatten einige Bandmitglieder noch private Verpflichtungen, denen sie Vorrang vor der Band gaben. Zur selben Zeit standen wir auch ohne Plattenvertrag da und haben unseren Proberaum verloren. Trotzdem haben wir nicht aufgehört Songs zu schreiben und haben einfach abgewartet bis die Zeit die Dinge wieder zu unseren Gunsten dreht. Dabei änderte sich auch die Musikindustrie und viele Label boten nur noch ein sehr geringes Studiobudget. Aber wir wollten kein qualitativ minderwertiges Album produzieren! Solange wir keinen anständigen Vertrag in der Tasche hatten, gab es für uns auch keinen Grund mit irgendwelchen Ankündigungen oder News bzgl. des neuen Materials an die Öffentlichkeit zu gehen. Schließlich haben wir den Aufnahmeprozess wie immer sehr ernst genommen und mit dem Fein-Tuning des Materials einfach weitergemacht. Unsere eigene kritische Betrachtung der Songs hat den ganzen Prozess dann auch nicht gerade beschleunigt. Auch im Studio wird im letzten Moment noch einmal alles durchgecheckt und einige Parts geändert, um ein optimales Ergebnis zu erhalten, da wir mit Produzenten arbeiten, die selbst klassisch ausgebildete Musiker sind und ein besonders scharfes Auge auf jedes Detail richten. Das ist jedes Mal harte, aber lohnende Arbeit und wir versuchen immer, Songs zu schreiben, die der Prüfung der Zeit standhalten. Daher ist es zwar immer ein langes Warten auf ein neues Ancient Rites-Album, aber wir nehmen uns diese Sache jedes Mal sehr zu Herzen. In dem Moment, als alle Hindernisse genommen waren und wir ein ordentliches Studiobudget und einen Plattendeal in Händen hatten, gingen wir die Sache sofort an und innerhalb weniger Wochen war das Album eingespielt, das Artwork fertig gestellt, die Liner Notes geschrieben, die Songs gemastert, ein Videoclip wurde gedreht und das Album war fertig für die Veröffentlichung. Hier sind wir jetzt, sprechen über ein neues Ancient Rites Album, wo die Welt doch eigentlich schon geglaubt hatte, dass sie uns los wäre *grinst*

HH: Wie ich sehe blieben die meisten deiner Kollegen dieselben - Eric, Domingo und Walter waren auch auf eurem letzten Album Rubicon von 2006 aktiv. Wart ihr in der Zwischenzeit auch noch in andere Bands oder Projekte involviert?

Gunther: Gitarrist Erik hat in seiner Hardrockband Plusminus gespielt und kürzlich seine alte Extreme-Thrash-Band Inquisitor reformiert. Drummer Walter hat als Session-Musiker gearbeitet und einige Studioaufnahmen mit anderen Bands und Künstlern gemacht. Eine davon ist die neue Metalband des früheren Ancient-Rites-Gitarristen Bart Vandereycken. Ich wurde auch gefragt, ob ich einsteigen wolle, aber ich hab mir gedacht, dass es etwas seltsam wäre, wenn es plötzliche eine neue Metalband mit allen drei Mitgliedern des klassischen Ancient Rites Line-Ups gibt, während Ancient Rites ein neues Album braucht. Walter hat außerdem noch Aufnahmen mit ein paar nordamerikanischen Underground-Metalmusikern und einem Solokünstler aus der Ukraine gemacht. Gitarrist Domingo war aktiv in seinen Bands Gracefallen, Persephone's Blade und einem Projekt mit seiner Frau. Ich selbst habe Alben eingespielt mit Iron Clad, einer Heavy Metal Band, die in den 80ern gegründet wurde, und mit Lion's Pride. Und ich hab einigen Underground-Bands am Bass ausgeholfen und bin mit einigen davon durch Europa getourt.

HH: Hattest du in der ganzen Zeit jemals Angst, dass die Fans Ancient Rites möglicherweise vergessen haben könnten?

Gunther: Natürlich ändert sich die Musikszene im Laufe der Zeit und die Situationen verändern sich. Aber im Grunde waren wir niemals eine Band, die auf irgendwelche Trends aufgesprungen ist oder die Forderungen von irgendwelchen Managements oder größeren Labels bedienen musste, routinemäßig ein Album nach dem anderen zu veröffentlichen, um nicht den aktuellen Hype zu verpassen. Durch die Jahre haben wir weltweit eine sehr treue Gefolgschaft aufgebaut, die sich auf ein neues Album von uns freut, wann immer es auch erscheinen mag. Sie schätzen uns als Band, die ihr eigenes Ding durchzieht, und obwohl wir uns mit jedem Album weiterentwickeln, wissen sie mehr oder weniger, was unsere Zutaten sein werden, auch wenn sich die einzelnen Akzente vielleicht unterscheiden. Sie sind vertraut mit dem historischen und dunklen Universum der Band, welches wir versuchen mit Musik und unseren Texten herüber zu bringen. In der Tat glaube ich, das Ancient Rites eine Art Status der Unabhängigkeit hat, sprich wir müssen uns nicht nach dem jeweils letzten Schrei im Mainstream richten, ja noch nicht einmal innerhalb unserer Szene.

HH: Ich denke, das Warten hat sich gelohnt. Laguz steht in der Tradition eurer letzten drei Alben und beschäftigt sich mit historischen Ereignissen des alten Europas. Kannst du einen kurzen Querschnitt der Themen geben, die auf dem Album behandelt werden?

Gunther: Danke! Immer schön zu hören! Eine Reihe von Themen ist es, mit denen sich Laguz befasst. Das Album wird den interessierten Leser mitnehmen auf verschiedene Reisen in vergessene Zeiten und Welten, aber es gibt auch einen philosophischen Unterton für alle, die gewillt sind, etwas tiefer zu schürfen. Nimm zum Beispiel den Albumtitel "Laguz". Der Titel kombiniert unterschiedliche Aspekte: Geschichte, Mythologe, alte heidnische Religion und Philosophie. Die Rune Laguz steht für Wasser. Aber auch für Anfang und Erneuerung, den Beginn von Leben, sie steht in Verbindung mit dem Mond und den Gezeiten und für Okkultes, für Mysterien und Träume. Ihr Geschlecht ist weiblich und unsere Vorfahren sahen sie als eine dunkle Rune, die Stürme und Hindernisse im Leben voraussagte. Andererseits symbolisiert die Rune aber auch Belohnung durch Ausdauer! Die Band hatte so viele Hindernisse zu bewältigen, bevor das neue Album realisiert werden konnte. Auch auf persönlicher Ebene musste ich selbst mit schweren gesundheitlichen Problemen kämpfen und mich einigen Operationen unterziehen. Eine davon beinhaltete die Entfernung größerer Teile meines Darmtraktes, um zu verhindern, dass sich ein bösartiger Tumor ausbreitet. Die Behandlung dauert bis heute an und ich muss mich regelmäßigen Eingriffen und Infusionen im Krankenhaus unterziehen. Ich hab mir dabei immer eine positive Einstellung bewahrt, habe aus allen Prüfungen gelernt und immer über den Schmerz hinweg gesehen. Ausdauer und Humor sind wertvolle Waffen! Sie kultivieren die innere Stärke! Mit der richtigen Einstellung bekommt man auch die nötige Stärke für solche Prüfungen, man lernt dabei das Leben aus anderen Perspektiven zu sehen und außerdem beschleunigt es den Heilungsprozess. Ich habe Laguz also auch auf meine persönliche Situation bezogen. Immer wenn ich kurz vor einer neuen Operation stand, Schmerzen hatte oder erschöpft war, habe ich mir gesagt "Laguz schlägt wieder zu, aber ich werde den Sturm überstehen und am Ende von der Rune belohnt werden." Obwohl ich kein religiöser Mensch bin, habe ich auf die alte Symbolik der Rune vertraut und daraus entstand eine Art persönliche Zuneigung zu dem Symbol und seiner Symbolik.
Von dieser persönlichen Sache abgesehen ist Laguz in vielerlei Hinsicht passend für das Universum von Ancient Rites.
Das Album beinhaltet auch einige philosophisch inspirierte Themen, ohne zu predigen, aber vielleicht mit etwas Inspiration für diejenigen, die eine suchen. Songs wie "Mind Unconquered" oder "Umbra Sumus" zum Beispiel. Auch "Under The Sign Of Laguz", wenn denn jemand etwas tiefer gräbt und über den ursprünglichen historischen und mythologischen Aspekt hinaussieht, wie ich es eben schon geschildert habe.
Außerdem werden noch internationale, aber weniger bekannte geschichtliche Ereignisse behandelt. Ich gebe einige Beispiele: Der Aufstieg und Fall des alten Karthago, auch mit Blick auf dessen dunkle Religion. Die tragische Geschichte von Kaiser Julian, der versuchte, das alte Heidentum in einem christianisierten Rom wiederherzustellen. Er hätte es beinahe geschafft, starb aber im Kampf, wobei er alten Gerüchten zufolge von einem seiner eigenen Männer getötet wurde, der vom Klerus bestochen worden war. Die Geschichte nennt ihn "The Apostate" (Anm.: den Abtrünnigen), aber die Geschichte zeichnet ihn von einem christlichen Standpunkt aus. Mit dem Song versuche ich, seinen Ruf quasi wiederherzustellen, denn es kostet jede Menge Mut, für eine verlorene Sache zu kämpfen und dem Geist des alten Roms und der hellenistischen Philosophie hinterher zu jagen. Der philosophische Unterton des Songs liegt darin, dass Kaiser Julian seinen eigenen Weg ging und dabei nicht weiter auf die öffentliche Meinung oder Mentalität einging, die während seiner Ära vorherrschte. Das erfordert einen starken Charakter!

HH: Mir fiel auch der deutsche Titel "Von Gott Entfernt" auf...

Gunther: "Von Gott Entfernt (Bij Nacht En Ontij)" befasst sich mit einer dunklen und mysteriösen, weniger bekannten und eher regionalen Geschichte und zwar mit der Legende der Bokkenrijders, Bockreiter auf Deutsch. Hunderte gehörten dieser Horde an und die meisten ihrer Mitglieder wurden gefasst, gefoltert und öffentlich hingerichtet. Viele Fragen bleiben dabei unbeantwortet. Warum war ein respektierter Militär-Chirurg wie Dr. Kirchhoff der Anführer einer ihrer Fraktionen? Wie kamen sie dazu, militärische Taktiken und Ränge anzuwenden? Es handelte sich in diesen Zeiten des Krieges um Soldaten unterschiedlicher Armeen, die durch die Lande wanderten oder desertiert hatten. Frauen gehörten ihnen auch an, was sehr ungewöhnlich war. Sie waren ein seltsamer Mix aus Soldaten, Künstlern, Schlächtern und so weiter. Ihre angeblich blasphemischen Riten in nächtlichen Kapellen waren dagegen ein bis dato ungesehenes Phänomen. Historiker glauben, es ginge ihnen nicht um die sowieso eher spärliche Beute, sondern darum die Gesellschaft zu destabilisieren. Als wären es Vorläufer der Aufklärung. Ich habeflämisch /holländische und deutscheTextpassagen verwendet, um Authentizität zu erreichen, denn Zeitzeugen sagten aus, dass die Bockreiter eine Mischung aus Flämisch/Holländisch, Deutsch und Französisch verwendeten, um miteinander zu kommunizieren, was ihre internationale Zusammensetzung verrät. Ich habe auch authentische Bockreiter-Schwüre in den Text mit eingebaut, alte Dokumente aus dieser Zeit durchstöbert, Publikationen gelesen über die Hinrichtungen und Gerichtsverfahren... alte Bücher, die auch Augenzeugenberichte beinhalteten.
Du musst wissen, ich kann meinen eigenen Familienstammbaum bis in mittelalterliche Zeiten zurückverfolgen und interessanter Weise gehörten einige meiner direkten Vorfahren diesem wenig rumreichen Bockreiter-Kult an. Sie waren wie eine schwarze Gilde. In Militäruniform haben sie die Kirche und die Aristokraten beraubt, sie haben sich gegenseitig und dem Teufel Treue geschworen, haben antichristliche Rituale durchgeführt, um den Klerus zu verspotten. Einer meiner Vorfahren hieß Jonathan Theys und wurde verdächtigt, zur ersten Generation dieser Horde zu gehören. Er wurde nach einem Kirchenraub gefasst, aber es gelang ihm die Flucht. Sein Name taucht in alten Dokumenten auf, aber auch im Tagebuch eines lokalen Priesters, der von seiner Flucht schreibt und ihn verdächtigt, eine neue Horde in einer anderen Stadt gegründet zu haben. Interessante, dunkle Familiengeschichte...
Ein anderer meiner Vorfahren wurde gefasst und gehängt. Eine örtliche Legende besagt, dass er immer noch in den Feldern, wo er gehängt wurde, spukt. Ich kann ein wenig Licht in eine Angelegenheit bringen, die weder die Historiker, noch die Behörden im 18. Jahrhundert wussten. Die sprachen nämlich von der Theys-Familie als Mitglied dieser Horde und außerdem von einer anderen verdächtigten Familie namens Boon, von denen sie nicht wussten, woher sie kamen. Fakt ist, dass in den damaligen Dörfern der Theys-Clan auch den Spitznamen Boon trug. Es war ein und dieselbe Familie, die nur unterschiedliche Namen verwendete. In dieser Gegend wird unser Familienzweig noch heute so genannt, was für mich der ultimative Beweis war, dass sie von meinen direkten Vorfahren sprachen, ganz abgesehen davon, dass meine Familie schon immer in der Gegend gelebt hat. Im Alter von fünf Jahren kam ich zum ersten Mal mit dieser Geschichte in Kontakt. Damals habe ich mich gefragt, warum der Kapitän der Horde, der in dieser Novelle, die meine Familie gelesen hat, abgebildet und beschrieben war, auf den Namen Theys hörte. Heute weiß ich es!

HH: Und wir wissen es jetzt auch... Es gibt außerdem noch einen Song mit einem lateinischen Titel, nämlich "Led..."

Gunther: "Leg V Alaudae" erzählt über den Aufstieg und Fall der einzigen römischen Legion, die ausschließlich aus Galliern bestand. Ihr Pfad war ein dramatischer ohne Überlebenden am Ende. The komplette Legion wurde ausgelöscht, nachdem sie alleine einem gewaltigen feindlichem Heer entgegengetreten war. Nachdem sie ursprünglich dank Caesars Kampagnen einen starken Ruf erlangt hatte, verschwand sie in die Vergessenheit und wurden nie wieder neu formiert, nachdem sie in Dazien untergegangen war. Die Geschichte erzählt nur selten von diesen besonderen Ereignissen, daher dachte ich, es ist an der Zeit, diese interessante und tragische Geschichte zu teilen. Diese Legionäre waren gefangen zwischen zwei Welten. Du musst wissen, gallische Stämme die Allianzen oder Friedenspakte mit Rom geschlossen hatten, waren verpflichtet Rekruten an das Reich zu liefern. Manche machten das freiwillig, andere dagegen taten das, was von ihnen erwartet wurde. Ihnen wurde zwar die römische Staatsbürgerschaft angeboten, aber sie blieben ebenso Gallier, schon wegen ihrer Wurzeln. Von den meisten Römern als Barbaren angesehen und von den meisten Galliern als zu sehr "romanisiert", fanden sie sich zwischen Baum und Borke wieder, was nicht selten zu unguten Situationen führte. Wenn sie sich beispielsweise in Rom aufhielten, befanden sie sich in permanentem Zwist mit den römischen Bürgern, die auf sie herab blickten, obwohl sie für Rom Schlachten geschlagen hatten. Es steht geschrieben, dass sie nicht erfreut darüber waren, als Caesar anderen gallischen Stämmen gegenüber keine Gnade zeigte, während er für gewöhnlich den von Rom Besiegten Pardon gewährte. Ihre Geschichte ist weniger bekannt, daher habe ich schließlich einen Song über die Lerchen-Legion geschrieben. Alaudae kommt von dem alten keltischen Wort für Lerche und die Lerchenflügel waren ein typisches Ornament auf gallischen Helmen. Sie waren die einzigen Nicht-Römer, die mit vollständig römischer Militärmontur ausgerüstet waren und die Flügel auf ihren Helmen verwiesen auf ihre gallische Herkunft... Ich mag es eben, auf verschiedene Schichten und Bedeutungen hinzuweisen, wenn ich meine Liedtexte schreibe und dabei auch weniger bekannte Geschichten heranziehe.

HH: Ist das der Schlüssel, den eine Geschichte braucht, also weniger bekannt zu sein, damit du einen Song über sie schreibst? Oder welche Dinge reizen dich noch?

Gunther: Ein Thema muss mich an mehreren Fronten ansprechen. Obwohl viele der Geschichten, über die ich schreibe, größer sind als ein ganzes Leben, werden sie nur selten erzählt oder sind außerhalb einer begrenzten Region erst gar nicht bekannt. Ich spreche von Ereignissen und Charakteren, die in der größeren und populäreren Geschichte verloren gingen. Viele der interessanten Charaktere, über die ich schreibe, werden überschattet von erfolgreicheren historischen Figuren. Ich mag es, ihre Geschichte zu teilen oder Ereignisse zu reflektieren, über die die Öffentlichkeit in der Regel gar nichts oder nur die gängigen Klischees zu hören bekommt.

HH: Welche Quellen benutzt für deine Recherche? Bücher und alte Schriften hast du ja bereits erwähnt... bist du rein bibliophil oder inspirieren dich auch Dokumentationen im Fernsehen?

Gunther: Ich benutze ganz verschiedene Quellen. Mein ganzes Leben schon sammle ich Bücher. Ich habe eine große Bibliothek, die sogar einige original mittelalterliche Manuskripte und Bücher enthält. Das Internet ist außerdem ein interessantes Werkzeug, um Informationen zu sammeln. Es ist eine Quelle, die den Menschen lange nicht zur Verfügung stand. Ich selbst wurde ja in der Vor-Internet-Ära geboren und bin es daher auch gewohnt, mein Wissen aus Büchern zu beziehen. Bis zum heutigen Tag kaufe ich mir viele Bücher, trotz der Info die man im Internet finden kann. Ich nutze zwar die modernen Technologien, aber im Herzen bin ich immer noch old school und bevorzuge das physische Material, ich liebe es regelrecht, meine Büchersammlung noch zu erweitern. Eine weitere wichtige Quelle sind meine Reisen zu historischen Plätzen und Museen... raus gehen und tatsächlich die Schwingungen fühlen und die Architektur dieser alten und mittelalterlichen Orte betrachten. Sogar die Umgebung, die Landschaft kann für mich zur Inspiration werden wenn ich wieder draußen im Feld bin. Es zählt jede Kleinigkeit, um die Atmosphäre eines bestimmten Ortes einzufangen! Man muss auch versuchen, die Denkweise des 21. Jahrhunderts zu vergessen und sich die Mentalität der jeweiligen Zeit vorstellen, genauso wie Kultur, Architektur, die religiöse Situation, soziale Aspekte, Kriege und das tägliche Leben. Wenn man all diese Aspekte berücksichtigt, fällt es leichter sich in die Vergangenheit hinein zu versetzen und eine Verbindung herzustellen zu den Dingen, die heute nicht mehr sichtbar sind. Das vollständige Bild, das man dabei erhält, versuche ich schließlich durch verschiedene Kunstformen auszudrücken. Bücher und Fernsehdokus inspirieren mich auch und sind eine gute Basis, bevor ich zu bestimmten Orten reise, wo ich dann tiefer eintauche in die örtliche Geschichte. Aber in der Regel bin ich schon gut vorbereitet. All diese unterschiedlichen Quellen interagieren in meinen Gedanken ununterbrochen und werden schließlich in die verschiedenen Kunstformen, die ich betreibe, übersetzt... vom Schreiben, über Zeichnen, Malen bis hin zur Musik. Manchmal erweckt ein Buch, ein Film oder einfach nur ein flüchtiger Blick mein Interesse, mich mit einer bestimmten historischen Epoche näher zu befassen. Diese Leidenschaft von mir kann ganz plötzlich ausgelöst werden, wenn ich z.B. eine Straße hinunter gehe und eine bestimmte Statue bemerke, ein Buch im Schaufenster eines Ladens oder ein bestimmtes historisches Gebäude. In diesem Moment beginnt meine Reise, ich beginne nachzuforschen und verliere mich selbst in der Thematik, bis ich schließlich alles, was ich herausgefunden habe, in einer der genannten Kunstformen, die mir gerade am passendsten erscheint, zum Ausdruck bringe. Das ist wie eine Muse, die Farbe in mein Leben bringt, eine Leidenschaft, die mein Leben lebenswert macht, die mich dazu bringt, mich reich zu fühlen, auch wenn ich gerade keinen Penny habe. Das ist die Schönheit der Kunst! Der Drang zu forschen, zu lernen und auszudrücken was man sich mit keinem Geld kaufen kann. Das ist auch der Grund, warum kommerzieller Erfolg für mich nicht wichtig ist.

HH: Was beansprucht den mehr von deiner Zeit - das Komponieren der Songs oder das Texteschreiben?

Gunther: Die Songs brauchen in der Regel länger, da sie in Gruppenarbeit entstehen. Für mich persönlich braucht das Schreiben der Lyrics aber mehr Zeit, da es ausschließlich in meinen Aufgabenbereich fällt. Die Lyrics müssen immer wieder angepasst werden, bis sie schließlich zu Musik passen - beides wächst und ändert sich immer wieder, ehe das endgültige Resultat erreicht ist. Aber in der Regel dauert das Komponieren schon länger.

HH: Wie wir ja schon darüber gesprochen haben, gibt es auf Laguz auch wieder einige deutsche Textstellen, so wie es auch auf Dim Carcosa und Rubicon der Fall war. Ist das als kleines Geschenk an die Fans aus Deutschland zu verstehen oder bist du generell ein Liebhaber von Sprachen? Ich erinnere mich an ein Konzert, wo du in vier oder fünf Sprachen mit dem Publikum kommuniziert hast. Ich glaube, das war in Wacken... 2003 oder so.

Gunther: Mit unterschiedlichen Sprachen zu experimentieren ist für mich schon eine interessante Sache. Es steigert die Authentizität! Wenn ich einen französischen oder deutschen Dichter zitiere, dann integriere ich auch gerne die ursprüngliche Sprache des Schriftstellers. Wenn ich ein Ereignis beschreibe, das sich in Flandern, Italien oder Griechenland zugetragen hat, halte ich es auch für angemessen ein paar Zeilen in der jeweiligen Sprache hinzuzufügen. Darüber hinaus schafft man natürlich auch ein spezielles Band zu den jeweiligen Fans vor Ort. Daher könnte man es schon so sehen, wie du gesagt hast, dass deutsche Textzeilen ein kleines Geschenk an unsere Fans aus Deutschland sind. Aus künstlerischer Sicht bringt die Verwendung unterschiedlicher Sprachen auch unterschiedliche Klänge mit sich, die das Material dann etwas auflockern. Außerdem spiegelt es meine Liebe für das alte Europa wieder. Wenn ich nur JEDE europäische Sprache beherrschen würde...
Wie du siehst gibt es eine ganze Reihe von Gründen, warum ich mich gerne in unterschiedlichen Sprachen ausdrücke. Ein Grund, warum "Von Gott Entfernt" teilweise in Flämisch / Holländisch und teilweise in Deutsch geschrieben ist, liegt darin, dass die Bockreiter in diesen Sprachen miteinander kommunizierten, wie ich schon erzählt habe. Sie agierten in den Grenzgebieten und hatten daher auch Mitglieder mit verschiedenen sprachlichen Hintergründen.
Sicher, ich hab in Wacken damals in einigen Sprachen zu unsern Fans gesprochen, weil ich im Publikum einige Flaggen gesehen habe. Das war wie ein internationales Fest der Bindungen... wirklich ergreifend, die Ancient Hordes (Anm.: so bezeichnet die Band ihre Fans) vereinigt zu sehen!

HH: Es gibt noch einen weiteren Titel in deutsche Sprache auf Laguz, nämlich "Frankenland". Der Song klingt ein wenig wie eine Fortsetzung von Dim Carcosas "... And The Horns Called For War". Bilde ich mir das nur ein oder ist da was dran?

Gunther: Das ist ein Song, der sich mit meiner persönlichen Abstammung befasst. "Frankenland" ist natürlich Deutsch, aber es ist ebenso Flämisch, was ja auch eine germanische Sprache ist. Meine Vorfahren (und ebenso die der flämischen Bevölkerung in Belgien) waren Siedler aus dem alten Germanien. Wie ich in den Liner Notes im Booklet der CD erkläre, waren die Franken eine Konföderation unterschiedlicher germanischer Stämme, die sich im dritten Jahrhundert am unteren und mittleren Rhein niedergelassen haben. Die heutige flämische Bevölkerung sind direkte Abkommen dieser Franken bzw. Germanen, wie moderne DNS-Tests an der Universität von Antwerpen ergeben haben. Ein sehr komplexes Thema! Einige dieser Franken waren Räuber, die in römisches Territorium eingedrungen sind, wann immer die Römer irgendwo ihre Besatzung gemindert haben, weil sie im Osten belagert wurden oder in Bürgerkriege zuhause verwickelt waren. Einige dieser Franken wurden zu Siedlern... und vermutlich wurden die Überlebenden der früheren Einwohner von ihnen quasi absorbiert. Während der Herrschaft von Kaiser Diocletian wurden fränkische Kriegsgefangene aus den Tiefen Germaniens, jenseits des Rheins, in unsere Regionen deportiert, um die leeren Ländereien zu besiedeln und zu kultivieren. Die Römer nannten sie dann Laeten. Als die Grenzen des römischen Reichs dann unter ständigen Angriffen litten, wurden auch Pakte geschlossen mit den fränkischen Stämmen, die dann Gegenleistung für ihre militärischen Dienste Land in unserer Region zugewiesen bekamen. Die Römer bezeichneten ihren Status dann als "Foederati", nach dem Wort "Foedus" (Vertrag). Diese Foederati kämpften unabhängig unter dem Kommando ihres eigenen Anführers, der dann allerdings den Rang eines römischen Offiziers bekleidete. Die Laeten sind dem Militär in großer Zahl beigetreten und Kaiser Constantius Chlorus rekrutierte sie in großer Zahl für die römische Armee. Römische Quellen nennen schließlich auch noch die "Gentiles", was individuelle Germanen waren, die sich der Armee anschlossen. Verbände, wie die Cohors VII Francorum, die Ala I Francorum und die Ala VIII Francorum zeigen, dass auch Hilfstruppen zunehmend aus Franken bestanden. Die Scholae Palatinae, die die Leibwächter des Kaisers stellte, bestand ausschließlich aus Germanan, die hohe militärische Ränge erreicht hatten. Auf diese Weise erlangten die Franken immer mehr Unabhängigkeit und Einfluss, was sie schließlich zur größten Macht im Norden werden ließ. Diese Konzentration von Germanischen Stämmen im Norden setzte ethnische, sprachliche und kulturelle Grenzen, warum man in Flandern auch bis heute eine germanische Sprache spricht. Von den Römern wurden wir als "Germani Cisrhenani" bezeichnet, was ungefähr so viel heißt wie "Germanisches Folk, das auf dieser Seite des Rheins lebt".
Der Song "And The Horns Called For War" ging auch über die Franken, insofern hast du Recht, dass es da eine Verbindung gibt. Allerdings befasst er sich mit einer späteren Epoche der fränkischen Geschichte. In "Frankenland" wollte ich dagegen auf die Ursprünge eingehen, quasi zurück zur Basis. Ich liebe es, tief in die organische Geschichte einzutauchen und die Ursprünge und Wurzeln der Dinge zu erforschen. Es erklärt ja auch, warum viele Worte in unserem Dialekt einen germanischen Hintergrund haben ... und warum alle germanischen Völker so eine stark ausgeprägte Bierkultur haben, haha!
Ich mag es darüber zu schreiben, was uns verbindet. Schließlich gibt es so viele Links zwischen den alten europäischen Stämmen. Wenn man das erst einmal begriffen hat und wenn man einen Sinn für Abstammung und Geschichte hat, dann ließen sich viele Kriege verhindern. Ich hoffe sehr, nie wieder kriegerische Konflikte zwischen Europäern erleben zu müssen. Das ist, als ob man auf seine alten Familienmitglieder schießt... ich weiß, ich bin ein wenig romantisch, wenn es um solche Sachen geht 
Aber ohne unsere Vergangenheit würde es auch keine Gegenwart und keine Zukunft geben. Also lasst uns alle die Krüge erheben in gegenseitigem Respekt und im Einklang mit all denen, die lange vor uns über dieses Land gingen. Ehren wir das Abendland in Bruderschaft und Schwesternschaft!
HH: Das wäre ja schon beinahe ein gutes Schlusswort für dieses Interview. Nachdem wir die geschichtlichen Hintergründe von Laguz nun aufgearbeitet haben, wollte ich aber doch noch kurz auf die musikalische Umsetzung eingehen. Verglichen mit früheren Werken scheint mir der Synthesizer auf Laguz doch sehr dominant zu sein. Ich hab schon einige Reviews gelesen, wo geschrieben steht, das würde etwas von Ancient Rites' Biss nehmen. Und um ehrlich zu sein teile ich diese Meinung auch ein wenig. Wie stehst du dazu? War es euer Plan, dass Laguz so episch ausfällt?

Gunther: Wenn man die filmische Orchestrierung und die mittelalterlichen und klassischen Passagen abzieht, dann hört man, dass die Metal-Basis eigentlich viel intensiver und außerdem extremer und komplexer ausgefallen ist, als früher. Was wir spielen, ist genauso wild, wie es immer war. Aber ich kann schon verstehen, dass das nicht so deutlich herüber kommt, weil die filmischen Elemente sehr laut abgemischt wurden. Die Produktion wurde deshalb so ausgerichtet, weil so viele Dinge in der Musik passieren und wir auch nicht wollten, dass Details im Sound verloren gehen. Auch in unserer Vorproduktion war die Orchestrierung sehr groß, alle musikalischen Elemente wurden auf Laguz intensiviert und weiter entwickelt. Ich finde, dass eine große Orchestrierung, klassische Einflüsse und mittelalterliche Elemente sehr zur Atmosphäre eines Songs beitragen, so als würden sie die Portale zu den alten Welten öffnen, die in den Lyrics beschrieben werden. Außerdem geben sie dem aufmerksamen und wirklich interessierten Hörer, das Konzept und die Themen der Songs besser zu verstehen und außerdem zeichnen sie vielleicht auch Bilder vor der dem inneren Auge. Manchmal werden wir dafür zwar kritisiert, aber ich denke, dass unsere Arbeit damit den Test der Zeit besteht. Sogar auf unserem ersten Demo hatten wir ein klassisches Intro und ein filmisches Outro verwendet. Die Essenz unserer Arbeit ist aber nach wie vor die gleiche und zweifellos Ancient Rites. Wie ich schon sagte, wenn Diejenigen, die unsere jüngere Arbeit kritisieren, die Metal-Elemente herausziehen, würden sie feststellen, dass diese genauso intensiv sind wie in unseren früheren Tagen, sogar noch intensiver, aber wir haben eben ein paar musikalische Elemente hinzugefügt, die in unser Universum passen. Vielleicht verstehen sie nicht das komplette Konzept oder kümmern sich nur wenig um die Texte, sonst würden sie vielleicht einsehen, dass diese Elemente zusammenpassen und sich nicht widersprechen. Tatsächlich wird das "Ancient" in unserem Bandnamen dadurch in unsere Musik übersetzt. Das Universum und das Konzept von Ancient Rites würde es uns erlauben, ein rein klassisch arrangiertes Album aufzunehmen oder eben ein sehr rohes, brutales und unterproduziertes, ohne dass beide im Widerspruch zueinander stünden, solange nur der Kern von Ancient Rites intakt bleibt. Wir mögen es eben, im Rahmen unseres Stils musikalische Grenzen auszutesten und arbeiten dabei nicht wirklich nach einer bestimmten Strategie. Daher klingt auch jedes Album ein bisschen anders und manchmal dauert es auch ein wenig, bis sich die Fans daran gewöhnt haben. Es ist durchaus möglich, dass auf unserem nächsten Album die Akzente wieder anders gesetzt werden und es vielleicht wieder etwas ursprünglicher klingt. Alles ist möglich, solange die Essenz Ancient Rites bleibt.

HH: Dürfen eure Fans mit einer kleinen Tor oder einigen Festivalauftritten rechnen? Nach all den Jahren der Abwesenheit und nun dem neuen Album sind sie bestimmt hungrig.

Gunther: Freilich! Konzerte sind bereits bestätigt in Frankreich, den Niederlanden, Belgien und England. Die Daten sind: 30. Mai beim Souls Of Ancinet Warrios Fest in Genk / Belgien, 15. August beim Motocultor Festival in Saint Nolff / Frankreich, am 24. Oktober haben wir einen Gig in Roeselare / Belgien und am 1. August spielen wir in London. Weitere Angebote kommen aber ständig noch rein.

HH: Was meinst du - wie lange müssen wir warten bis wir wieder einen neues Ancient Rites Album bekommen?

Gunther: Bei Ancient Rites ist alles möglich. Es könnte ein neues Album in zwei Jahren geben, ein paar Jahre später erst oder vielleicht niemals. Bei der momentanen Krise der Musikindustrie und den sinkenden Albumverkäufen wollen viele Label nicht mehr so sehr in Underground-Bands investieren wie früher einmal. Das Budget für ein neues Album hängt jetzt von den Verkaufszahlen ab und falls der Verkauf von Laguz enttäuschend ist, wird es keine Angebote mehr geben. Und wer weiß, ob wir in fünf Jahren überhaupt noch am Leben sind. Wenigstens sind wir eine drogenfreie Band, was unsere Chancen schon mal steigert, aber die Zeit wartet auf niemanden. Wenigstens kann ich sagen, dass wir immer hinter dem gestanden haben, was wir gemacht haben und unser Bestes dabei gegeben haben 

HH: Und was fängst du mit dir an, falls es tatsächlich kein Ancient Rites Album mehr gibt? Hast du einen Plan B?

Gunther: Auf Laguz habe ich drei meiner Leidenshaften vereint - das Schreiben von Liedtexten und Liner Notes, dann das Zeichnen - einige der Bilder im Booklet von Laguz stammen von mir selbst - und schließlich die Musik. Aber wenn es um das Thema Leidenschaften geht, dann stehe ich kurz davor, dass ein anderer Traum von mir bald in Erfüllung geht. In wenigen Monaten wird eine kurze Grafik-Novelle von mir im Rahmen eines Sammelbandes veröffentlicht, der einen Kinderkrebsfonds unterstützten soll. Es handelt sich dabei um eine Geschichte, die auf folkloristischen Figuren der mittelalterlichen Stadt Ghent basiert. Die Umgebung bilden dabei die Monumente und Burgen, die ich auf sehr realistische Weise gezeichnet habe, wohingegen ich den Figuren einen humoristischen Stil gegeben habe. Die Story dreht sich um zwei örtliche Legenden, während historische Figuren, die in Beziehung zur der Stadt stehen, in der Novelle ebenfalls auftauchen. Die Sache hat zwar einen düsteren Touch, aber eben nicht zu sehr, weil sie ja für ein breiteres Publikum gedacht ist. Leute aus Ghent, die schon einige Auszüge gesehen haben, haben die Novelle geliebt, weil sie so viele Dinge entdecken konnten, die sie als ihr persönliches Erbe empfinden. Und das ist natürlich ein großes Kompliment. Außerdem wird von mir demnächst eine weitere Grafiknovelle im realistischen Stil veröffentlicht, die ich in den 1980ern gemacht habe. Die Leute auf meinem Facebook-Profil hatten mich gefragt, ob ich nicht eine Grafiknovelle für sie veröffentlichen könnte, worauf ich gefragt habe, was sie denn gerne sehen würden. Die Antwort war: "etwas historisches, abenteuerliches, mysteriöses, finsteres und mit deinem schwarzen Humor". Ich hab mich dann erinnert, dass ich genau so etwas schon in den 80ern gemacht habe, das in begrenzter Stückzahl auf dem Flämischen Markt in schwarz-weiß veröffentlicht wurde. Also hab ich angefangen, diese 30 Jahre alten Zeichnungen digital zu überarbeiten und dann habe ich die Arbeit ins Englische übersetzt, damit auch meine Freunde aus dem Ausland sie lesen können. Zuletzt habe ich die Novelle noch koloriert. Es ist ein dunkler Thriller im Film-Noir-Style, der sich in zwei verschiedenen Zeiten abspielt - im Mittelalter und in 1980. Die alte Zeit habe ich dabei in Grautönen, in schwarz und weiß angelegt, um so ein altertümliches Feeling zu bekommen, wohingegen ich den Part der Story, der in 1980 spielt, voll koloriert habe. Die Novelle heißt "Devil's Charm - The Ancient Curse" und dreht sich um Geschichte, ungelöste Mordfälle, ein möglicherweise verfluchtes altes Artefakt und um heidnische und okkulte Geheimbunde. Außerdem gibt es einen gewissen übernatürlichen Touch und schwarzen Humor. Die Hauptfiguren sind Kontrahenten: der Polizeiinspektor namens Van Roy - hier hab ich den Familiennamen meiner verstorbenen Großmutter benutzt, um sie zu ehren, und außerdem ist der Name weltweit leicht auszusprechen - der versucht die Morde aufzuklären, und ein Schatzjäger mit dem Spitznamen Crazy Sid. Gegen ihren Willen werden beide zu Verbündeten. Ihre Suche führt sie in alte heilige Wälder, auf vergessene mittelalterliche Friedhöfe, in Kulthöhlen, dann zur alten Fallschirmjäger-Festung, wo ich meinen Wehrdienst geleistet habe und schließlich direkt in die Metalszene des Jahres 1980. Denn im Mittelpunkt der Morde steht eine okkulte Metalband aus der ersten Generation. Die Band muss sich mit Boykotten, verbotenen Konzerten, Polizeidurchsuchungen, mit der Skandalpresse und mit dem Tot von Bandmitgliedern herumschlagen. Einer, der die Story in den 80ern gelesen hat, hat mich mal gefragt, ob ich mir eigentlich bewusst bin, dass ich damit beinahe die reale künftige Geschichte von Ancient Rites beschrieben habe. All das fing an, wirklich zu passieren, als ich das Buch abgeschlossen hatte, so als ob ich mich selbst verhext hätte. Ein lustiger Gedanke! Und tatsächlich habe ich ein Jahr, nachdem ich das Buch fertig hatte, Ancient Rites gegründet. Die Novelle wird jetzt in Deutschland gedruckt und ich rechne jeden Augenblick mit einem Testdruck, bevor die Sache dann endgültig in Pressung geht.

HH: Ich sehe schon, die Arbeit geht dir so schnell nicht aus...

Gunther: Nein, wirklich nicht. Momentan bin ich sehr mit den Bandproben für unsere Konzerte beschäftigt. Außerdem werde ich mit Interviewanfragen überflutet. Und meinen regulären Job hab ich ja auch noch. Ich arbeite in zwei authentischen mittelalterlichen Gilden meiner Heimatstadt. Ich habe einen internationalen historisch-kulturellen Wander- und Reiseverband namens Alaudae / Laguz gegründet, mit dem wir zu interessanten historischen Orten und in die Natur gehen. Dann kommen die Gigs mit Ancient Rites und ich spiele auch noch mit dem Gedanken, zusammen mit dem Drummer von Lion's Pride und Iron Clad eine neue Band zu gründen, die zurück zur Basis des Metal-Underground geht. Ich arbeite an einer neuen Grafiknovelle und vielleicht veröffentliche ich auch einen der kurzen Comics, die ich schon gezeichnet habe. Geschäftige Zeiten stehen da vor mir... viele Pläne! Ich hoffe, dass der Sensenmann wenigsten noch ein paar Jahre von mir weg bleibt, aber darauf haben wir ja keinen Einfluss. Ich bin da nicht weiter ängstlich, aber eben realistisch. Nutze den Tag, denn das Leben kann schnell vorüber sein! Vor gerade einmal zwei Wochen musste ich einen Jugendfreund beerdigen. Wenigstens habe ich mein Leben in vollen Zügen gelebt, mein Freud! Vielen Dank für diese Konversation und beste Grüße an eure Leser!

Dagger

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