Konzert-Bericht
W.A.S.P., Sapiency & Steel Engraved
Backstage, München 08.08.2011
Als mein kleiner Bruder und ich uns nach wenigen Stunden Tagesruhe aus den Federn quälten, waren wir alles andere als überzeugt davon, dass es eine Glanzidee war, am gleichen Tag, an dem wir morgens vom Headbanger's Open Air-Wacken-Trip wieder im Süden eintrudelten, sogleich zu einem weiteren Date gen München zu tingeln. Ihr kennt das: zerschlagen die Knochen, matschig die Birne. Aber: dieses war nun mal kein alltägliches Date, sondern ein solches mit dem Gesetzlosen, mit Blackie Lawless und seinen Mannen, mit W.A.S.P. Und wenn der Ruf von dort her einen ereilt, sind alle vorherigen Schmerzen eben schnell und gern vergessen. Außerdem waren unsere kanadischen und australischen WOA-HOA-Kumpanen ebenfalls bereits in die bayrische Hauptstadt weiter gereist, um uns dort - for one more day - zu treffen.
Zu diesem Wiedersehen kam es dann früher als geplant, denn just einige Minuten vor uns war der Zug aus Hamburg in München eingerollt und ein gut gelaunter Dave Arnold (seines Zeichens Basser der kanadischen Speed- und Power Metaller Striker) begrüßte uns am Bahnhof überschwänglich. Nun hieß es jedoch erst einmal die internationalen Gäste in ihrem Hostel unterzubringen und danach den Gang ins Backstage anzugehen. Das kostete Zeit; nicht zuletzt, da sich unser australischer Kollege Mr. Wilson beim Avantasia-Gig am Wacken-Samstag derbe sein Knie angeknackst hatte - was ihn allerdings nicht davon abhalten konnte, die Monday Night Blackie Show mit anzusehen. Diese diversen Verzögerungen führten dann leider im Endeffekt dazu, dass wir die erste Vorband Steel Engraved komplett und die darauf folgenden Frankfurter Sapiency fast zur Gänze verpassten. Zu Letzteren lässt sich von meiner Warte aus sagen, dass ihr Modern Melodic Death Thrash zwar durchaus die seit Olli Kahn sprichwörtlichen Eier besaß, als Vorband eines Traditional Act wie W.A.S.P. jedoch ein wenig deplatziert wirkte. Plattenfirmen-Entscheidungen? Sei's drum.
Denn nach einem gemütlichen (echt bayrischen) Bierchen im wie immer smaragd-grün erleuchteten Backstage-Vorgarten erklang nach gar nicht einmal so lange dauernder Umbauphase das mittlerweile bekannte Intro, in dem die Doors kurz überleiten in ein The History of W.A.S.P.-Sammelsurium aus Song- und Video-Schnipseln, die auf dem über den ganzen Rückraum ausgebreiteten Screen zur kurzen Einstimmung gezeigt wurden. Und voll wurde es da. Die Halle schien fast zur Gänze gefüllt, allerdings gerade noch so, dass ein wenig Bewegungsfreiraum blieb. Solchen konnte man gut gebrauchen, denn als Mr. Lawless mit "On Your Knees" ins Set startete, war erst mal angesagt, den restlichen Hangover aus den Gliedern zu schütteln und - klar - weiter zu feiern. Den Tontechnikern muss ein echtes Kompliment gemacht werden: obwohl wir recht weit hinten standen, donnerte der Sound aus den Boxen, wohl temperiert und meines Erachtens genau in der richtigen Lautstärke.
Yep, da stand er nun, auf ein Neues, Blackie Lawless, vollführte seine altbekannten Posen, zeigte sich sehr gut bei Stimme und hatte das Publikum bereits bei "The Real Me" fest im Griff. Zum aus The Whos Quadrophenia stammenden Cover hastete sogar kurz Pete Townsend über den Screen, während Basser Mike Duda agil wirkte wie eigentlich immer in den letzten Jahren seit seinem Einstieg auf der Kill, Fuck, Die-Tour 97/98. Im Anschluss schnellte der Stimmungspegel (selbstredend) noch ein Stückchen weiter gen oben, denn beim Alltime-Klassiker "L.O.V.E. Machine" übertönte das Backstage zum ersten Mal die Band. Selbst wenn man diese mittlerweile auf jeder Tour seit 1990 gesehen hat, jagt einem der Gesang in den Strophen immer noch und Gott sei Dank Schauer über den Rücken. Nach kurzer Ansage, dass nun zwei Stücke vom (vorzüglichen, aber gar nicht mehr so) neuen Album folgen würden, wurde mit "Crazy" und "I Live To Die" weiter gezockt. Wie der Kollege Holgi danach zustimmungspflichtig meinte: bei den neuen Nummern sieht man Blackie die ganze Spielfreude an! Daher ist es der Band hoch anzurechnen, dass trotzdem keiner der Klassiker (außer "Headless Children") ausgelassen wurde. Sei es in Form von "Wild Child" (Schrei im Solo geglückt!) oder mittels eines Medleys, das aus "Hellion" (endgeil), "I Don't Need No Doctor" und "Scream Until You Like It" bestand. Man kann zu den Medleys stehn, wie man will, aber so bekommen die Fans wenigstens mehr von den im Vorfeld erwarteten Nummern zu hören. Beim anschließenden "The Idol", das mit den eigentlichen Höhepunkt des Sets markierte, hatte Gitarrist Doug Blair (der übrigens nach dem Konzert bereitwillig Autogramme im Biergarten verteilte) dann seinen großen Auftritt und legte ein Solo der absoluten Extraklasse (inklusive sich drehendem Kreissägen-Blatt auf der Gitarre) hin. Wow! Und erneut wow! Das Erstaunen im Publikum hielt sich in Grenzen, als Blackie danach kurz "I Wanna Be Somebody" brüllte und eine der größten Metal-Hymnen aller Zeiten das Publikum ausrasten ließ. Denn mittlerweile hat sich herum gesprochen, dass die Konzerte von W.A.S.P. heutzutage kaum mehr die 75-Minuten-Grenze überschreiten. Und so war es dann auch: nach den beiden Zugaben "Heaven's Hung In Black", das sich in der Setlist etabliert zu haben scheint, und einem letzten Blast mit dem Partykracher "Blind In Texas" war Schicht im Schacht. Als ich Ende des letzten Jahres Zeuge des ersten Teils der Tour in Stuttgart war, kam noch die eine oder andere Diskussion aufgrund der Spielzeit auf, diesmal lachten einen hinterher eigentlich gänzlich zufriedene Gesichter an. Nicht nur, weil man eine der größten Bands der Metal-Historie wieder einmal live bewundern durfte, sondern weil sich eben jene Band in klasse Form präsentierte, sodass jeder wohl auf seine oder ihre Kosten gekommen war.
So ließ man in trauter kanadisch-australisch-deutscher Gemeinschaft den Abend locker im Backstage-Gärtchen ausklingen - äußerst zufrieden ("Chainsaw Charlie" wäre noch schön gewesen) mit dem gerade Erlebten. Und jede Wette: wenn im Vorfeld der nächsten Tour erneut der Ruf des Gesetzlosen erschallt, packt der Heavyhardes-Schreiberling sicher gerne erneut seine sieben Sachen.
Setlist W.A.S.P.:
Intro
On Your Knees/The Real Me
L.O.V.E. Machine
Crazy
I Live To Die
Wild Child
Hellion/I Don't Need No Doctor/Scream Until You Like It
The Idol
I Wanna Be Somebody
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Heaven's Hung In Black
Blind In Texas
Fuxx