7 Headbänga online
Suche:
23.04.2024 Marduk
23.04.2024 Bulletproof
24.04.2024 Midnight
25.04.2024 Traveller
25.04.2024 Slash Feat. Myles Kennedy And The Conspirators
28.04.2024 Nanowar Of Steel
Reviews (10417)
Navigation
Artikel des Tages
Review:
Fueled By Fire

Interview:
Scar Symmetry

Live-Bericht:
Death Angel

Video:
Mnemic
RSS RSS
Atom Atom
 

Interview

Interview mit Thumb (29.10.2001)

CDs von Thumb kaufenZur Druckversion dieses Artikels

buy, mail, print

Logo Thumb

Gegenüber sassen mir Claus Grabke, Sänger, Familienvater und mehrfacher Europa- und Deutscher Meister im Skateboardfahren, sowie der DJ der Band Jens Gössling.

HH: Hallo Claus, hallo Jens. Zuallererst erzählt uns doch bitte etwas zum Background der Band und zur Bandgründung.

Claus: Zur Gründung von Thumb... Jetzt muss ich echt lügen... Es gibt uns seit... 94?

Jens: 93!

Claus: 94 waren die ersten Gigs. Es gibt Thumb seit 1993 und Gütersloh ist wahrscheinlich ähnlich wie Deggendorf, wenn auch etwas grösser. Es ist eben nicht München, es ist nicht Berlin oder Hamburg, wo allgemein Jugendliche unglaublich anonym untereinander sich gar nicht kennen teilweise. In Gütersloh kennt jeder jeden, es gab immer schon viele Bands dort und eine relativ aktive Hardcoreszene. Meine erste Band hiess Eight Days und wir haben drei Platten auf Rough Trade-Records herausgebracht, unter anderem den Soundtrack für ein recht berühmtes Skateboardvideo gemacht, das heisst, viele Leute aus der Szene kannten das. Jan-Hendrick war in der gleichen Zeit in ein er Hardcoreband, die Gailforce hiess, die haben auch ein Album rausgebracht. Steffen hatte eine Hardcoreband, die äh, hiessen Reject und Axel, unser ehemaliger Gitarrist, war in einer Rockabillyband meines Schwagers, namens The Greasers. Und kurz darauf in einer Metal, oder Newmetalband, names Different Eyes, ebenfalls mit meinem Schwager, das heisst irgendwo kannte sich von diesen ersten vier jeder. Man war auf den jeweiligen Konzerten der Bands und teilweise kannte man sich, bzw. Jan-Hendrick und ich, vom Skaten sehr gut. Den Axel kannte ich von meinem Schwager, der hing eh jeden Tag bei mir ab. Eines Tages hat Axel die andere Band quasi gekündigt und hatte wohl auch schon ein- zweimal mit Steffen in seinem Schwimmbad, das leer und abgedeckt war, geprobt und suchten einen Sänger, worauf sie mich gefragt haben, ob ich Lust hätte zu mitzusingen, was ich ganz cool fand, weil mit Eight Days ging nichts mehr voran. Die anderen hatten einfach keinen Elan mehr und ich hatte Bock, was härteres zu machen, weil Eight Days doch recht poppig war. Wir haben dann zwei-, dreimal ohne Bassisten geprobt und haben dann zunächst Mark Wichert gefragt, der jetzt der Bassist von den Alternative Allstars ist, wenn du die kennst, der hat aber keinen Bock gehabt, weil er damals auch in einer Band war und dann haben wir Jan Hendrick gefragt, von dem wir erst dachten, er wird's nicht machen, weil er auch in einer Band war, der hatte aber Bock. Wir haben dann noch ein paar mal geprobt und das ging eigentlich super gut und so fing das halt an. Wir mussten dann aus dem Proberaum raus, teilten uns einen Proberaum mit Eight Days, von Eight Days ging ich irgendwann komplett weg, übrig blieben ein paar andere Leute, die dann später eine Band namens Tree gemacht haben, worauf wir vielleicht später nochmal zurückkommen, aber egal. Auf jeden Fall haben wir dann zu viert geprobt und haben dann auch schon alleine ein paar Gigs gemacht. Wir haben dann 94 unsere ersten Gigs durchgezogen, nachdem wir ein Jahr geprobt hatten, weil wir das nicht mit Coverversionen durchziehen wollten, sondern wollten unseren eigenen Stil und unser eigenes Programm und haben dann auch schon ein paar Konzerte mit Megavier gespielt. War also schon ganz cool. Zwischenzeitlich war auch schon eine Plattenfirma an uns interessiert und wir hatten das Gefühl, es muss noch ein Teil dazu und dieser Teil, der dazumusste, war dann der liebe Jens, denn wir wollten gern einen DJ haben. Er wurde uns dann vorgestellt und kam dann irgendwann. So komplettierte sich das. Dann haben wir ein paar mal geprobt und es gab ein kleines hin und her und irgendwann war dann der erste Gig für Jens in in in...

Jens: Rheinberg

Claus: Rheinberg, am...

Jens: 22.12.1994

Claus: Im Zuff Rheinberg, wo auch Claudia Schiffer wohnt. Es war sogar der Bruder von ihr im Publikum, der uns später noch ein Autogramm von Claudia besorgt hat, mit einem persönlichen Gruss an die Band. ;-) Es war dann auch eine Plattenfirma da und es ging von da an schon relativ schnell, es war auch schon Interesse da und dann ging das eigentlich los, dass wir Platten aufgenommen haben.

Bis zur ersten Platte kommt noch die Geschichte dazu, dass wir ein erstes Demotape produziert haben, das relativ heiss begehrt ist. Wir haben damals schon über 600 Stück von verkauft. Da sich auch Stücke drauf, die sonst nicht veröffentlicht wurden und da sind auch einige heiss drauf, aber das halten wir jetzt mal so ein bisschen zurück... ;-)

Wir haben dann für die Plattenfirma ein weiteres Demo gemacht, die wollten ein bisschen mehr hören. Wir hatten dafür ein Studio in Frankfurt gemietet und haben dort durch einen Zufall, weil der der es machen sollte, war krank, Udo Zaborowski kennengelernt, der eingesprungen ist und war dann der Produzent, bzw. Mitproduzent von den ersten beiden Alben. So ging es dann irgendwann los, wir hatten auch schon recht viel gespielt vor unseren ersten Plattenaufnahmen und 1995 ging es dann mit den Plattenaufnahmen los.

So, das ist jetzt erstmal der Anfang und jetzt machst du weiter! ;-)

HH: Ok, euere erste CD erschien ja während der ersten grossen Crossoverwelle, also das, was damals unter dem Namen Crossover bekannt war, sprich Hip Hop gemischt mit Metal, oder harten Rock Gitarren. Red Alert war dann auch euer erster Club Hit. Wurdet ihr durch den damals boomenden Crossover-Sound beeinflusst, oder wolltet ihr immer schon in dieser Richtung was machen?

Claus: Hm, da muss ich jetzt doch noch was ergänzen, obwohl ich schon dachte, das wär die optimale Antwort. ;-) Aber ich wollt noch dazusagen, dass wir live schon anderes geklungen haben, als die Platte und dass die Platte allen nicht so wahnsinnig gefällt. Also ich hör sie eigentlich und lache, weil sie eigentlich gar nicht das widerspiegelt, wie wir sein wollten und das ist eigentlich auch eigene Schuld. Man dachte halt auf einmal... Also ich find das selbst aufgenommene Demo tausend mal charmanter zu der Zeit, oder auch das Demo, das wir mit Uwe zusammen gemacht haben, fand ich charmanter, als das, was wir dann gemacht haben, weil wir wollten da so unglaublich perfekt rangehen, haben zu wenig Wert auf Feeling gelegt und es muss jetzt ballern und es häuften sich einige Kleinigkeiten im Nachhinein. Nach Veröffentlichung hielt ich sie für das Grösste seit Jimmi Hendrix, aber im Moment, seh ich das eher zwie gespalten. Wir spielen im Moment nur ein Stück von der Platte, nämlich Haunted und Red Alert spielen wir in der Version vom Encore-Album, das ist aber eine andere Geschichte, das ist wieder mehr Thumb. Red Alert in der Version auf dem ersten Album ist ein schrecklicher Song, aber Red Alert auf Encore ist ein hervorragender Song. Das ist auch der Grund, warum wir das Encore-Album aufgenommen haben. Die Leute kamen auf unsere Liveshows und meinten "ich hab euere CD gehört und dachte, ihr seid die blödeste Band der Welt. Warum habt ihr das nicht so aufgenommen?" und deshalb gab es dieses Zusatzalbum, auch weil das Erstalbum ausverkauft war und ein neues her musste. Dann haben wir uns gedacht, könnte man nicht, anstatt das alte neu aufzulegen, ein neues herausbringen, mit vielen Livestücken bepackt und neuen Versionen und vielleicht als Bonbon "Aside" damals als neuen Song noch mit draufpacken und da wir das alle für eine gute Idee hielten, haben wir das gemacht und so kam dieses Album zustande. Aber deine Frage ging eigentlich ganz woanders hin, nämlich ob wir Teil von Crossover waren. Ja, dummerweise ja, obwohl es eigentlich progressiver Hardcore sein sollte, sind wir durch die Produktion doch stark Richtung Crossover gedriftet und sind zu Recht, wie ich meine, teilweise beschimpft worden, auch von Visions nicht gerade für die beste Band der Welt gehalten worden zu der Zeit, weil das wenig innovativ war und auch wenig aufregend war. Das Album ist einfach nicht aufregend. Wir hätten es lieber vollpacken sollen mit Verspielern und Versingern und dann wäre es in der Form wenigstens aufregend gewesen. So war es leider nicht aufregend.

Jens: Ich habe dazu nicht viel hinzuzufügen, ausser dass uns vielleicht die textliche Ebene doch ein bisschen abgegrenzt hat von den anderen.

Claus: Ja, ok, also das seh ich auch so, die konnte man einem ja nicht mehr nehmen. Die waren ja auch geschrieben und so, aber auch da war die Gesangsperformance doch eher davon geprägt, dass man Haudrauf auf den Punkt kommen wollte und man hat sich dann erst später zum nächsten Album eigentlich zu dem... hab ich mich erst vocalmässig dahin gefunden, wo ich eigentlich auch heute bin. So eine Mischung aus leise und laut und melodiös und zack und dies und das... Beim ersten Album fand halt Melodie komplett nicht statt. Das war auch selbst gewählt. Aber das ist halt so beim ersten Album. Ich seh's jetzt auch bei den Emil Bulls , die halt ich für sehr talentiert und sehr gut. Ich finde das Album an sich aber noch nicht gut. Ich finde aber die Band gut. Ich glaube, die Band kann was werden und wenn eine Band wie wir so ein schlechtes Album hatten, und dann zu so einem fantastischen zweiten und dritten Album, sag ich jetzt mal voller Selbstwertgefühl, finden, dann schaffen die das auch, weil das eine sehr gute Band ist und mit viel Feeling an die Sache rangehen. Ähm, das ist halt so unsere Geschichte zum ersten Album und zu unserer Situation mit Crossover. Und dann war man halt schon so mittendrin und wurde in einem Atemzug mit Bands genannt, wie Mr. Ed Jumps The Gun (*grusel* d. Verf.) oder Dog Eat Dog und Black Eyed Blonde (naja... d. Verf.) und so weiter und da geb ich Jens recht, da war die textliche Ebene von Anfang an schon eine andere. Wir haben uns ja textlich auf dem ersten Album schon abgegrenzt von dem ganzen Kram, aber so richtig die textliche Ebene ist noch deutlicher geworden auf Exposure und auch schon auf Encore, aber ist ja jetzt auch wurst. So, das ist das first album!

HH: Ok, ich hoffe ihr seid mir dann auch nicht beleidigt, wenn ich sage, dass ich Red Alert für einen schrecklichen Song hielt und aufgrund dessen mir das erste Album auch nicht gekauft hab, sondern erst die Neuauflage Encore.

*etwas verstimmtes räuspern und raunen beim Gegenüber*

HH: Nochmal wegen dem Encore-Album. Darauf befindet sich ja auch die Minor Threat Cover-Version "I don't wann hear it". Wieso ausgerechnet Minor Threat? Geht das auf eigene Hardcore-Roots zurück? Straight Edge?

Claus: Ja, also ich würde derzeit eigentlich Minor Threat nicht mehr covern, oder sowas. Zu der Zeit wollten wir gerne... also a) brauchten wir live ähm...

Jens: Das ist auf der Headcrash-Tour entstanden

Claus: Ja, schon, aber wir haben das vorher auch schon mal gespielt und die haben das einfach mal mitgemacht. Wir haben das vorher schon gemacht und auf der Headcrash-Tour haben die das einfach nur mitgesungen und ein bisserl so hin und her. Es hatte zum einen, da hast du recht (Jens), was mit Headcrash zu tun. Wir haben es auf der gemeinsamen Tour gespielt und die haben anschliessend auch auf der Platte mitgesungen. Zum anderen hatte es schon auch etwas damit zu tun, dass wir klar machen wollten, dass unsere Roots irgendwann im Hardcore mal angefangen haben. Wir spielen ihn aber überhaupt nicht mehr live (stimmt leider - d. Verf.). Wir haben uns dafür auch viel Kritik anhören müssen von irgendwelchen Magazinen, die in ihrem Leben vorher nicht wussten, wer Minor Threat ist und plötzlich meinten, sie müssen Hardcore-Polizei spielen. Ich hab mir das erste, bzw. nicht das Minor Threat-Album auf dem alles drauf ist, das alle haben, sondern einzeln gekauft und fand es geil, dass es ausser mir noch andere Menschen gab, die nicht trinken und saufen und Drogen nehmen und das auch in Texten manifestieren. Das fand ich interessant und deshalb hab ich das auch gekauft. Und von daher denk ich, dass wir auch das Recht haben, sowas zu covern. Ich würde aber jetzt, ganz bewusst, nichts hardcoremässiges covern, wenn wir mal was covern würden. Ich würde was covern, um allen wieder einen vor den Bug zu schiessen, weil ich glaube, dass es diese Szene allgemein verdient hat, dass sie wieder vor den Bug einen Schuss bekommt und man mal sagt "Bitte nehmt nicht immer alles gleich so ernst". Also würd ich eher nicht Minor Threat covern, sondern Dusty Springfield, oder die Beatles um allen zu sagen: warum nicht? Aber jetzt du Jens.

Jens: Das witzige daran ist ja, dass die ganzen Szeneleute, die sich darüber mokieren, vielleicht wissen sollten, dass wir zwei Wochen mit Bad Religion auf Europatour waren und bei Bad Religion ja der ehemalige Gitarrist von Minor Threat (Brian Baker - d. Verf.) spielt und der sich komischerweise überhaupt nicht darüber beschwert hat. Eigentlich ist der Song nur so zum fun entstanden und hat es dann halt auf die Platte geschafft. Dusty Springfield wäre inzwischen die bessere Wahl.

Claus: Es kommt ja noch dazu, dass wir den Job eigentlich gemacht haben, weil wir erst ein Album draussen hatten und wir noch ein paar Song mehr gebraucht haben, die Arsch gekickt haben. Der Song wurde später ersetzt durch ein Cover von "Can't wait one minute more", aber ich seh das persönlich schon etwas zwiegespalten. Ich seh das schon von unserer Seite so als ein bisschen Wiedergutmachung. ‚Sorry, ihr dachtet wir wären Crossover, machen wir halt ein Hardcore-Cover'. Ja, wir haben im AEZ Bielefeld alle Bands gesehen, die gekommen sind und haben auch eine Zeit lang an Hardcore-Werte geglaubt usw. und mussten erkennen, dass die immer nur so lang Geltung haben, wie die 16-, 17-jährigen Jungs ihre T-Shirts von Revelation Records auch von ihrer Mutter bezahlt bekommen und solange sie sich ihre Meinung leisten können und sobald die Leute den Reality Check haben und sobald die Leute im echten Leben stehen, merken sie halt, dass das anders funktioniert. Wir müssen uns auch von dieser Szene, dadurch dass wir bei EMI/Electrola sind auch hie und da was gefallen lassen,.aber wir haben wir haben immer wieder festgestellt: die Leute, die zu unseren Shows kommen und die, die unsere Platten kaufen, die interessiert es im Endeffekt einen Scheissdreck, wo das rauskommt, wie das rauskommt. Denen kommt es vielmehr auf den Inhalt des ganzen und auf das Feeling an. Das war eigentlich eine gute Erfahrung. Das war eigentlich der Punkt, warum ich glaube, dass wir nicht mehr auf irgendwelche Coverversionen zurückgreifen müssen. Eine Coverversion ist immer so ein Ding: natürlich war unsere Version nie im Leben besser, als das Original. Niemals! Genauso wenig irgendeine Minor Threat-Coverversion irgendwann besser war, als das Original. Schrecklich.

HH: Seit Exposure sind immerhin vier Jahre vergangen, was ja doch einen grossen Zeitsprung darstellt: Angst vor dem dritten Album, zuviel eingespannt von den Nebenprojekten (z. B. Alternative Allstars) oder einfach mal kreatives "Aus" für die ganze Band? Wieso lasst ihr die Leute vier Jahre warten?

Claus: Wieso nicht fünf? (Haha...! - Red.) Warum nicht? Also grundsätzlich glaub ich... Hm, nicht einfach zu beantworten, weil man die Frage doch ziemlich oft gestellt bekommt, und man Gefahr läuft, auf so kleine Geschichten zurückzugreifen, so von wegen hier und da... Wir hatten einfach auch persönliche Probleme in der Band. Wir hatten einen Gitarristen, mit dem keiner mehr klar kam, und der einfach ein wenig abgespact war und zuviel an irgendwelchen Tüten genuckelt hat und einfach nie eine Gitarre genommen hat und nie gespielt hat. Die Songs, die am Ende einer sehr ausgedehnten Amerika-Tour plötzlich da waren und die Songs, die man sich im Proberaum erarbeitet hatte, die waren einfach nicht gut genug. Natürlich hätten wir ein Album rausbringen können, mit dem Material, das wir hatten. Das wäre aber Scheisse gewesen und da war einfach der Respekt unserem Exposure-Album gegenüber viel zu gross und abgesehen davon, stellte sich auch für mich persönlich die Frage, ob ich mit dem Haufen, wie er zu der Zeit sich darstellte, überhaupt was machen wollte. Also das mit unserem Gitarristen ging einfach nicht mehr. Er musste einfach gehen. Irgendwann ist er dann von selber gegangen, wodurch sich die Sache etwas entspannt hat, aber da stiessen auf einmal sehr starke musikalische Ideale aufeinander. Thumb ist immer schon musikalisch schwierig, auch dieses Album. Es ist immer schwierig, musikalisch auf einen Nenner zu kommen, weil die musikalischen Referenzen innerhalb der Band nicht unterschiedlicher hätten sein können. Du hast zwei der grössten Elvis Presley-Fans dieser Erde vor dir sitzen, die aber alleine im Kampf mit drei anderen stehen. Natürlich wenn ich dann immer mit meinen Argumenten ankam, bei Elvis Presley ging's auch immer nur um "One for the money, two for the show..." - dann war der Song da. Der brauchte kein Vorspiel. Aber dann kommen die anderen wieder und schimpfen "Ihr mit euerer Old School-Scheisse". Wir sind halt riesige Beatles-, Elvis-, Beach Boy-, Dusty Springfield-Fan und hab auch diese ganzen alten Rockbands wie Deep Purple, David Bowie, Van Halen und was weiss ich alles reingezogen und ziehe immer gerne meine Schlüsse von diesen Bands, die es ja jetzt nicht mehr gibt und frag mich immer, warum es die nicht mehr gibt. Unser Drummer ist halt dagegen komplett Hip Hop und RMB und steht mehr auf diese etwas cleanere Produktion, unser Bassist würde am liebsten ein Turbonegro-Album machen (Anm. d. Red. HELL YEAH!) und unser Gitarrist würde am liebsten klingen wie Jimmy Eat World und du musst das halt immer alles zusammenkriegen. Aber jeder weiss, dass sein Geschmack alleine niemals Thumb wäre. Jeder weiss, dass er die anderen braucht und es dauert allgemeint sehr, sehr lange, Songs zu schreiben in dieser Band, was völlig ok ist, weil das Endergebnis immer sehr gut ist, aber das ist es halt. Ein Album dauert bei uns sowieso immer lange und so wird auch das nächste wieder lange dauern. Und dieses Album hat auch deswegen solange gedauert, weil wir das letzte schon so lange betourt haben und, egal welchen vordergründigen Grund man vorschiebt, jeder von uns wahrscheinlich eine Pause wollte, wenn du Wochen und Monate deines Lebens aufeinander gehockt hast und einfach mal wieder normale Luft atmen wolltest und nicht immer zu einem Bus ‚Zuhause' sagen wolltest und dich nicht irgendwie darauf einlassen wolltest, dass dir fünf Leute diktieren, wo's gemeinsam lang geht. Alle in der Band sind eigentlich sehr selbständig und ihr eigenes Ding aufmachen wollen. Jens z. B. hat einen sehr gut gehenden Tätowierladen in Bielefeld, Jan-Hendrick ist dann auch mal ins Berufsleben eingestiegen, er macht so Internetbetreuung und Medienpräsenz, der neue Gitarrist verkauft Gitarren im Musikladen, Steffen war Mietdrummer bei den H-Blockx und ich hab, nicht wie du sagst ein Nebenprojekt, sondern einfach meine andere Band. Das sind alles Dinge, die für unser Leben wichtig sind und ich denke, dass jeder glücklich ist, diesen Schritt gemacht zu haben, weil man einfach merkt, dass die Szenerie in der man vorher war, einfach zu unreel, zu unwahr ist.

Jens: Was für mich einfach wichtig war, ist dass jeder zwischendurch gemerkt hat, dass er als Individuum bestehen kann. Jeder hatte sich schon damit abgefunden, ein Fünftel zu sein. Jeder fühlte sich eigentlich nur noch als Fünftel von irgendwas funktionierendem und durchaus auch was gutem, aber auf Dauer ist es schon so, wie Claus sagte. Jeder hat halt seine eigenen Interessen. So konnte man an die letzte CD auch wieder viel entspannter rangehen, weil man nicht gleich vom Tourbus wieder ins Studio gegangen ist. Ich finde, das hat allen gut getan. Das merkt man auch jetzt wieder, wenn man wieder auf Tour ist. Es ist zwar eine Tour wie damals auch, aber irgendwie hat man sich eine andere Perspektive geschaffen und man hat auch einen anderen Horizont, wenn man nach Hause kommt. So gefällt mir das auch viel besser, als nur noch im Bus abzuhängen.

HH: Du hast jetzt auch noch die Touren in Amerika erwähnt. Wie seid ihr denn in Amerika aufgenommen worden? Habt ihr ähnlich wie die Guano Apes eueren Exotenbonus ausspielen können?

Claus: Wir sind abgefeiert worden und ich hab drei Goldplatten von Amerika an der Wand hängen... ;-) Also ich glaub ja auch, dass die GA dort nicht sooo toll angekommen sind. Du hast hier Realisten vor dir sitzen, wir sagen's dir lieber so, wie es ist. Es wird von den Bands immer gern so dargestellt, wie auch z. B. die Toten Hosen mit ihrer Australien-Tour. Die haben da so gut wie nichts verkauft. Aber es macht sich halt hier auf VIVA und MTV unglaublich gut, wenn ein Filmteam rübergeht und die Toten Hosen spielen in Australien oder Nepal, oder die GA spielen jetzt ganz gross in Amerika. Ok, letztendlich sind sie besser angekommen als wir. Die waren auch nicht auf der Warped Tour, sondern sind die sind mit ein paar anderen Bands einfach so mitgetourt. Aber die verkaufen ja auch hierzulande ein vielfaches mehr, als wir, so dass man das nicht wirklich vergleichen kann. Wir sind aber abgesehen davon, auf der Warped Tour ziemlich gut angekommen, sofern sich Leute vor die Bühne verirrten, weil die war zum Teil auch ganz weit weg von den Hauptbühnen, aber Amerika ist und bleibt ein Abenteuer, das wir als Band wahrscheinlich nie flächendeckend bedienen können. Das ist wirklich was für Bands, die eine Platte machen und anschliessend drei Jahre exzessiv auf Tour gehen und keine Family haben. Die machen da auch nicht viel Geld damit, sondern die haben die drei Jahre bezahlt bekommen und leben dafür. Ich bin schon als Kind ungerne Camping gefahren. Ich bin auch nach wie vor kein Campingfan. Ich war und bin mit der Situation im Bus auch immer nur eine Zeit lang zufrieden. Ich könnte mir nicht vorstellen, eine CD drei Jahre lang zu promoten. Ich bin grosser Fan von neuer Musik (Anm. d. Red: und dann die Fans vier Jahre warten lassen...J) . Ich finde, dass die Bands ihre CDs viel zu lange promoten. Ich würde diese Phasen echt abkürzen. Ich will viel öfter was neues hören, oder dass sich die Bands viel länger mit dem neuen Album beschäftigen, nicht erst kurze Zeit vorher, damit die Alben auch kicken. Natürlich mag ich es, wenn die Bands auf Tour gehen. Aber wegen Amerika: wir mussten uns sogar die Flüge selber zahlen. Wir haben den ganzen Vorschuss der Plattenfirma schon komplett für die Flüge ausgegeben und auch sonst hat noch jeder DM 1000,00 (Anm. d. Red: solong, Deutsche Mark) für diverse Konsumgüter ausgegeben. Wenn wir dann zuhause sind, gibt's natürlich schon einen fetten Bericht in der Visions und auch Viva2 (Anm. d. Red.: jaja, das gab's mal) berichtet darüber. Es wird halt in verschiedenen Magazinen darüber berichtet: Thumb waren in Amerika. Aber es lohnt sich einfach nicht.

Jens: Es ist ein Abenteuer

Claus: Ja, ein Abenteuer. Wir haben da ungefähr 15000 Platten verkauft und wir haben auch das neue Album wieder draussen. Wir kriegen Fanpost aus Israel, aus Überall (Anm. d. Red: Wo ist das denn J) und das ist toll. Wenn man die Realität zusammenzählt und sagt ‚schaffen wir es jemals, nach Israel zu fahren? - nein, denn wer zahlt das? Das ist einfach immer die Diskrepanz in der wir so leben, das das einfach immer irgendwie Sinn machen muss. Im Februar 2002 (also zwischenzeitlich letztes Monat) wird das Album in England erscheinen über eine etwas grössere Plattenfirma und da schauen wir halt mal, was da geht. Ich bin schon gerne live unterwegs, aber wenn es zu lang dauert, dann trauere ich meiner Familie hinterher, die zuhause auf mich wartet. Ich schaffe gern neue Musik Wir haben letztes Jahr ein Studio gebaut und nehmen eben zur Zeit das neue Alternative Allstars-Album auf. Da bin ich jeden Tag mit beschäftigt und es macht mir Spass. Da bin ich zuhause, kann Mittag zuhause essen und dann gehe ich nachmittags wieder ins Studio und mache abends ein bisschen Thumbprobe und und und... Anstatt drei Jahre lang die gleichen Songs immer wieder neu interpretieren zu müssen, in der gleichen Reihenfolge, vor einem ähnlichen Publikum.

HH: Auf dem Exposure-Album war so ein komischer Bonustrack mit so einem Labertypen. Was hat es denn mit dem auf sich?

Claus: Ich wollte einfach so ein kleines Gimmick auf der Platte und so hab ich einfach eine Nummer aus dem New Yorker Telefonbuch rausgesucht von einem Skateboardladen, der heisst Supreme. Ich kenn da keinen. Ich hab einfach mal da angerufen und das aufgenommen. Und da entstand so eine... fast wie eine lustige kleine Geschichte, oder so.

HH: Auf euere Homepage gibt es keine MP3s. Habt ihr allgemein eine Abneigung gegen MP3s oder wie beurteilt ihr überhaupt das Internet: Chance oder Untergang der Musikkultur?

Claus: Ich finde ja, dass das Internet grundsätzlich sehr stark überbewertet wird. Mit Sicherheit gibt es da sehr viele Leute, die sich da sehr gut auskennen. Ich bin mit Sicherheit auch jemand und auch in der Band allgemein, ausser Jens, der keinen Computer hat, kennen sich alle sehr, sehr gut aus. Aber zum Beispiel haben wir sehr oft Chats (an Jens: an denen du auch schon teilgenommen hast), die regelmässig ein Desaster sind. Da kommen die dümmsten Fragen der Welt. Du sitzt eine Stunde da und irgendwelche Nasen verirren sich im Raum. Es gab noch nicht einen Chat, der wirklich Sinn gemacht hätte. Man kann sich da auch nie so richtig unterhalten, wie mit dir jetzt. Man vernachlässigt durch dieses heldenhafte Darstellen des Internets etwa das Telefonat, den Brief, oder das normale Gespräch. Da sollte man ein bisschen drauf achten. Wir haben ganz bewusst keine MP3s drauf, weil wir auch genau eine Klientel bedienen, die genau wissen: wo lädt man was runter, wo bekommt man was, wie kopier ich das. Also unter Fans von Wolfgang Petry ist die Anzahl derer, die sich ein Album kopieren, unglaublich gering. Die kennen wahrscheinlich gar keine Möglichkeiten und wenn du auf diverse Tauschbörsen gehst, ist er wahrscheinlich auch nicht sehr übermässig vertreten. Ich habe es auch schon bei einem Visions-Interview bemerkt: Gerade bei diesem Album merken wir das schon sehr stark, weil jeder auf den Konzerten kennt den Scheiss, jeder singt den Scheiss mit, aber wir haben einfach nicht soviel verkauft wie vom letzten Album. Unser Album gibt's auch überall im Angebot und das ist schon scheisse. Wir wollen das halt nicht auch noch forcieren, indem wir MP3-Dateien auf unsere Homepage packen. Als Statement halt mal bitte fest: Grundsätzlich ist das Internet cool und auch das Format MP3 ist cool und grundsätzlich ist es auch cool, dass man sich in Neu Guinea einen Thumb-Song runterladen kann - Klasse. Das Problem ist, dass die Bezahlung dafür nicht geregelt ist. Weil es muss jedem klar sein, dass eine kleine Band wie Thumb, weil,.wir sind zwar Headliner, aber im Vergleich zu anderen eine kleine Band, und wir können es uns nur leisten Musik zu machen, wenn ein paar Mark fuffzig übrigbleibt. Und wenn sich jeder den Scheiss nur runterlädt und wir wirklich null davon haben, dann haben viele Leute eine Menge Spass und wir haben ein Jahr lang für nothing gearbeitet und mein Sohn sagt: ‚Papa, ich hätte gern mal ein neues T-Shirt.", weil das alte Löcher hat und das funktioniert nicht. Ich finde das nur gerecht, weil im normalen Leben gehe ich ja auch nicht in eine Disco und bekomm die Cola umsonst. Das ist halt so. Das muss nicht teuer sein und kann meinetwegen auch viel billiger als im Laden sein. Dort ist es ohnehin zu teuer. Da muss eine Regelung her, die gibt es nicht und solang es die nicht gibt, werden wir keine MP3s auf die Homepage stellen.

HH: Aber wäre es nicht gerecht, zumindest die Bonustracks zum Download zur Verfügung zu stellen? So kommt sich der Fan, bzw. der Erstkäufer mitunter schon veralbert vor, wenn, wie bei Exposure nach kurzem Maximum Exposure mit Bonustracks erscheint.

Claus: Ja, das ist mit Sicherheit eine gute Idee. Die Maximum Exposure war ja auch nicht unsere Idee, sondern ein Trick der Plattenfirma, um noch mal zu versuchen, in die Charts zu kommen mit dem Ding. Das ist mit Sicherheit nicht auf unserem Mist gewachsen, aber man kann sich auch nicht dagegen wehren. Ähm ja, also... Keine Ahnung. Es gibt die Möglichkeit, aber ich bin jetzt auch nicht der Webmaster, wir kämpfen schon immer darum, dass die letzten Neuigkeiten auf die Homepage kommen, man hat ja auch noch anderes zu tun. Ich denke, wir haben uns für das Real-Format entschieden, damit man grundsätzlich hören kann, ob einem das gefällt und dann zu sagen: hier ist der Button, kauft das doch bitte gleich direkt. Ich kauf mir ja auch meine Alben und hab mir gerade mal einen Song von Marlene Dietrich runtergeladen, weil ich den nirgends gefunden hab. Ansonsten kopier ich nicht und kauf mein Zeug. Das hab ich mein Leben lang so gemacht. Ob das früher Vinyl war, oder jetzt CDs. Ich kauf mir das gerne und denke gerade von kleineren Bands, dass die das verdient haben. So seh ich das halt und wenn das jemand anders sieht, kann ich nix machen.

HH: Gut, dagegen sag ich ja auch nichts, mir ging's ja nur um die Bonustracks bei einer Wiederveröffentlichung.

Leider konnte ich das Thema dann nicht mehr vertiefen, weil mir die Konkurrenz schon auf den Fersen stand und auch ihr Recht forderte.

Andreas

Zur Übersicht
Zur Hauptseite

Weitere Berichte und Infos

© www.heavyhardes.de