10 Headbänga online
Suche:
19.04.2024 Schützenhaus Of Death
20.04.2024 Feuerschwanz
21.04.2024 1914
21.04.2024 Feuerschwanz
21.04.2024 Crypta
22.04.2024 Darius Rucker
Reviews (10417)
Navigation
Artikel des Tages
RSS RSS
Atom Atom
 

Interview

Interview mit Mar De Grises (03.05.2004)

CDs von Mar De Grises kaufenZur Druckversion dieses Artikels

buy, mail, print

Logo Mar De Grises

Chile ist ja nun nicht wirklich das, was man gemeinhin als Hochburg des Metal bezeichnet. Doch nun hat sich eine kleine Perle in Form des Doom Debuts The Tatterdemalion Express zu mir verirrt. Also, ran an die Tastatur, um mehr über diese Combo zu erfahren...

HH: Hi! Bevor wir über euer Debut The Tatterdemalion Express reden, könntest Du etwas über euer bisheriges Schaffen berichten? Mar De Grises wurde 2000 gegründet, oder?

Marcelo: (Keys, Piano, all Vocals) Hi Ray! Als erstes mal danke für das Interview!
"Mar De Grises", an diesen Namen hab ich mich noch nicht gewöhnt. Es ging in etwa ein Jahr lang, als wir uns das erste mal mit R. Morris (Gitarre) und Rod G. (Bass) trafen um ein wenig zu "jammen", nur um zu sehen, was passiert. Das war so Ende 2000. Die ersten Proben waren zwar kein völliges Desaster, denn der Enthusiasmus stimmte... und das war alles, was wir damals hatten.
Nach ungefähr sechs oder sieben Monaten (also Mitte 2001) hatten wir dann unser Line-Up vervollständigt: Alejandro Arce an den Drums, Sergio an der Gitarre und meine Wenigkeit an den Vocals (neben den Keys). Kurz danach haben wir uns entschlossen, eine Probeaufnahme zu machen in einem billigen (aber nicht zu schlechten) Studio am Ende der Straße im Süden von Santiago zu machen. "Hört sich nicht schlecht an", kann ich mich noch sagen hören. Also haben wir uns entschlossen, den Gesang etwas zu überarbeiten und es als Demo zu veröffentlichen, was wir schließlich auch so im November/Dezember 2001 taten (neben dem Bandnamen haben wir es schlicht und einfach "Doom" benannt).
Nun haben wir den 12.02.2004 (das Inti hat lang gedauert, bis es den Weg zurück zu mir gefunden hat – Ray)... und wir haben es verdammt noch mal geschafft. Nach einer Menge Arbeit, Probleme, Stress und so weiter ist das verdammte Album nun endlich draußen. Firebox hat es am 30.01.2004 veröffentlicht.
Wir alle lieben Doom sehr und es war schon eine Erleichterung für uns, Leute zu treffen, die diesen Stil auch bevorzugen. Für die meisten von uns bedeutet Doom Metal ziemlich viel, nur konnten wir bislang dieses Gefühl in anderen Bands nur ungenügend befriedigen. Nach einer Weile haben wir uns dann entschlossen, eine eigene Band zu gründen.
Unsere ersten Proben waren schon recht interessant, weil keiner von uns vorher in einer Doom Metal Band gespielt hat, wir hatten einfach keine Idee, was zu tun ist... das einzige was uns klar war, was: LANGSAM – ATMOSPHÄRISCH. Wir waren auch nicht an den 6/8 – 3/4 Rhythmus gewöhnt, der in dieser Musik bevorzugt verwendet wird. Doch ohne Rücksicht darauf haben wir begonnen, unsere eigenen Songs zu schreiben und haben keine Zeit für Covers verschwendet. Bei unserer dritten oder vierten Probe haben wir bereits eine grobe Version von "Recklessness" gespielt.

HH: Wie schaut euer musikalischer Background aus? Welchen Sound bevorzugt ihr, wenn ihr nicht in der Band spielt?

Marcelo: Nun, wir kannten uns vor 2000 nicht, wir haben uns erst als College-Frischlinge in diesem Jahr kennengelernt. Jeder von uns hatte seine eigene Undergroundbands am Start, z.B. R. Morris (Lead Guitar) hatte zwei Hardcore Bands am Laufen, in denen er Schlagzeug spielte, C. (Bass) hatte eine Band, die nach alten Machine Head klang, A. Arce (Drums) hat immer noch seine Hauptband Norphelida (progressiver, dissonanter und kranker Death Metal), spielt aber auch noch in Atomic Noise Machine (Old-School Thrash Band mit Leuten von Poema Arcanus) und lt zudem noch als Session-Musiker in einigen Metal Bands; Sergio (Rhythm Guitar) spielt noch in einer Gothic-Doom Band, und ich hatte eine Heavy Metal Band sowie eine Amorphis-klingende Band, in der ich Gitarre spielte.
Die meisten unserer bisherigen Bands waren reine Schulbands, die jeweils nur ein kurzes Leben hatten. Vor Mar De Grises hatte ich noch nie einen Fuß auf eine Bühne gesetzt, das gilt ebenso für einige andere Mitglieder.
Zur Zeit genieße ich es zu spielen und höre mir Noise, Electronic, Postrock, Post-Punk (und weitere Stilrichtungen, das wird sich immer wieder ändern), bin gern in Gesellschaft oder einfach nur für mich alleine mit meinem PC. Vielleicht starte ich ein eher "seriöses" Projekt mit Poema Arcanus' Keyboarder Michel, zumindest haben wir gerade vor ein paar Tagen darüber geredet.

HH: Ihr habt 2000 angefangen. Euer erstes (und auch einziges) Demo erschien 2002. Was passierte in der Zeit dazwischen? Habt ihr auch andere Demos aufgenommen? Habt ihr auch live gespielt oder seid ihr nur im Proberaum gesessen?

Marcelo: Es hat ja von Ende 2001 bis Mitte 2002 gedauert, bis wir das aktuelle Line-Up zusammen hatten (die richtigen Doom-Musiker zu finden, ist verdammt schwer). Während der zweiten Jahreshälfte haben wir dann geprobt und unser (erstes und einziges) Demo aufgenommen. Wir haben bislang noch keinen einzigen Gig gespielt, wir haben die Zeit verwendet um unser Demo zu promoten und haben neue Songs für unser erstes Album geschrieben, das wir unbedingt haben wollten.

HH: Wie entstand der Kontakt zu eurem Label? Der "normale" Weg (Demo verschicken und auf Antwort warten) oder geschah es anders?

Marcelo: Ja, es war der normale Weg... zumindest teilweise... während 2002 haben wir viele Promos unseres Demos an all die Labels geschickt, von denen wir dachten, sie hätten Interesse an uns, machten eine Liste mit den Majors und den Minors quer durch die Staaten und Europa. Zwischen vielen "Nicht schlecht, aber nicht überragend... viel Glück" Antworten waren doch einige, die uns zuversichtlich stimmten. Die sagten uns dann, da wir noch eine recht junge Band sind und aus einem Land stammen, das nicht gerade aufgrund seiner Metal Szene bekannt ist, könnten sie uns nicht in diesem frühen Stadium unter Vertrag nehmen. Aber eines Tages erhielten wir eine Mail von Rami Hippi (FireboxÂ’ Geschäftsführer) der uns mitteilte, er wolle sein Label expandieren und er sei interessiert an uns. Wir waren mehr als glücklich, um es mal gering auszudrücken.

HH: Seit ihr zufrieden mit der Arbeit eures Labels? Vor allem, weil es hier in Europa sitzt? Warum habt ihr bei Firebox unterschrieben, das so weit weg ist von euch? War es das einzige Angebot?

Marcelo: Ja, Firebox war eine gute Wahl für uns. Sie sind sehr geduldig mit uns, unterstützen uns und Rami leitet das Geschäft in einem sehr professionellen Stil. Ich bin zufrieden mit der Promotion, die Rami in Europa und den Staaten erledigt hat und mit den positiven Resonanzen, die wir von dort erhalten haben. Hier in Chile sind die Metal Labels nicht groß und das lässt auf eine eher magere Promotion schließen, auch sind sie an die Grenzen Südamerikas gebunden. Wir machen uns nichts daraus, dass das Label so weit weg ist von uns, Hauptsache, der Deal war gut und ehrlich. Uns war es wichtig, nicht verheizt zu werden, aber glücklicherweise hat Firebox auch einen Vertrag mit Pantheist geschlossen, bei denen wir Kostas etwas kennen... es war echt eine Erleichterung, eine befreundete Band im selben Label zu haben und zu sehen, dass sie gut behandelt werden.
Zur selben Zeit wie Firebox hatten auch andere Labels Interesse an uns bekundet, aber die waren ebenfalls aus Europa, also hätten wir auch hier das "Weit-weg-Argument" gehabt. Nebenbei, an der Art, wie Firebox vorgegangen ist (suchen nach Doom Bands), waren wir sehr an einer Zusammenarbeit interessiert.

HH: Das könnte jetzt eher eine seltsame Frage sein: Warum spielt ihr Doom Metal? Ich meine damit, was gibt euch Doom, was euch eine andere Metal-Spielart nicht geben kann?

Marcelo: Doom ist genau das, was sich in unserem Leben abspielt. Der emotionale Kontext im Doom ist viel vertrauter (speziell für mich) als in irgend einer anderen Art des Metal, obwohl ich auch andere Genres mag (die sich ebenso in meiner Musik wiederspiegeln). Es geht um all die Emotionen, die Du fühlst und gleichzeitig vermitteln willst. Es geht hier nicht darum, was andere Metal Spielarten nicht vermitteln können, es geht vielmehr um die Gefühle, die Du gleichzeitig fühlen und transportieren willst.

HH: Ich konnte keine Übersetzung für "Tatterdemalion" finden. Was bedeutet es?

Marcelo: Tatterdemalion: eine zerlumpte oder ruinierte Person.
Woher das Wort kommt, kann nicht genau gesagt werden. Der erste Teil ist ziemlich nah am englischen "tattered" (ruiniert). Einige Schreiber beziehen den zweiten Teil auf das französiche "maillon", gewickelte Kleidung.
Die Idee, die hinter dem Titel steckt ist die von zerfallenen Wagen eines Zuges, der die Songs repräsentiert, gleichgesetzt mit einer verschmutzten Lebensumgebung in der wirklichen Welt (so wie in der großen Stadt). All das versucht der Zug als lebendes Wesen (das Album) darzustellen, darum das Wort "Tatterdemalion", das oft eher für Menschen als für Objekte verwendet wird.
Ich habe "Express" verwendet, weil ich den Kontrast zwischen dem direkten, schnellen, unmittelbaren des Wortes und der langsamen, desorientierten Musik lustig fand. Und, "Express" bedeutet auch normalerweise non-stop, was unser Ziel des Albums war.

HH: Ich finde euer Debut sehr interessant und überzeugend. Es sind wirklich viele Gefühle und Emotionen in den Songs enthalten. Und, was noch wichtiger ist, jedes Mal, wenn ich es mir anhöre, kann ich neue Details entdecken. Was für Reaktionen habt ihr bislang erhalten?

Marcelo: Es freut mich, dass Du es magst. Die Reaktionen waren bislang verschieden, aber meistens doch eher positiv (auch Kritik kann positiv sein). Einige zum Beispiel finden das Album depressiv, einige entspannend und wiederum andere finden es bedrückend.
Das Album appelliert an die Geduld des Hörers, da es sehr schwer ist, gleich beim ersten Mal Zugang zu den Songs zu finden (zumindest wurde mir das so gesagt). Abgesehen davon haben wir sehr gutes Feedback von den Medien, Freunden (z.B. Label-Leuten oder befreundete Bands) und vom übrigen Publikum erhalten. Die Unterstützung hat bei weitem meine Erwartungen übertroffen.

HH: Ich denke, deine Vocals unterscheiden sich schon erheblich von den "normalen" Vocals. Mir kommt es vor, als wenn der Gesang als eine Art von Instrument benutzt wird und nicht, um einen Inhalt zu transportieren. Oder liege ich da komplett falsch? Wovon handeln die Texte? Wie wichtig sind die Texte für euch?

Marcelo: Ich liebe Musik, in der der Gesang im Gesamtmix versteckt ist, wie es z.B. bei vielen Black Metal Bands der Fall ist. Ich glaube wirklich, das macht einen Teil der Atmosphäre bei einigen Stilrichtungen aus, also hab ich das für den Sound von Mar De Grises übernommen. Den Preis, den ich dafür zu zahlen habe, ist der, dass man die Texte nicht mehr klar verstehen kann, aber ich denke, das kann man aufgrund des dadurch gewonnenen, einheitlichen Sounds verkraften.
Es kostet mich schon einige Anstrengungen, die Texte zu schreiben und oft komme ich dabei an ein sehr persönliches Level, aber wie ich schon sagte, wenn es an's Abmischen geht bevorzuge ich es, dass nur die "selbst-erklärenden" Teile (oft nur Absätze) klar zu verstehen sind. Ich bevorzuge eher das Unterschwellige oder das metapherartige "es ist, als wenn jemand in einem von Serienmördern bewohnten Motel irgendwo in Amerikas Wildnis der Unterhaltung im Nachbarraum zuhört", wie ich es in einem Review mal gelesen habe.

HH: Seid ihr noch zufrieden mit dem Ergebnis? Es war ja erst das zweite Mal für euch, eine CD (oder Tape) aufzunehmen. Was würdet ihr jetzt ändern?

Marcelo: Ich bin noch zufrieden. Während wir das Album aufnahmen, habe ich dieses Gefühl zwar teilweise komplett verloren, denn da waren so viele Dinge, wo ich nicht wusste, wie ich sie erledigen sollte, da es unsere erste Erfahrung in einem richtigen Studio war. (Unser Demo wurde ja live aufgenommen, das hat nicht länger als drei Stunden gedauert. Die Vocals haben wir dann auf dem PC unseres Drummers aufgenommen). Wir mussten vieles mehrmals aufnehmen und uns auch gegen den "normalen" Mix von Rock und Metal Bands wehren. Da gabÂ’s schon einiges, was mir nicht gefallen hat und auch immer noch nicht richtig gefällt, aber inzwischen bin ich mit dem Sound größtenteils zufrieden. Immerhin sind wir um eine Erfahrung reicher.
Was ich verändern würde? Ich würde sagen, den Aufnahmeprozess an sich, der hatte so eine Plastik-Umgebung und auch ein solches Gefühl. Nur dasitzen und hören "Ok, Aufnahme, Stopp, noch mal..." und gegen eine Wand starren. Ich fühlte keine Emotionen in mir, die wir aber mit der Aufnahme erreichen wollten. Ich werde für das nächste Album definitiv einen anderen Weg finden, wir werden uns den Mix sparen und so das Gefühl besser einbringen. Zudem müssen wir an unserem Selbstvertrauen arbeiten, die meiste Zeit waren wir eher nervös und zittrig, was sich natürlich auch auf die Spieltechniken niederschlägt... das war eine Erfahrung, ich bin mit sicher, beim nächsten Mal bin ich nicht mehr so nervös.

HH: Guten Doom Metal zu spielen ist alles andere als einfach, schließlich kommt's auf das Gefühl an. Bei Thrash / Death Metal muss man Hass und Aggressionen transportieren, während bei Doom das ganze schon differenzierter ist. Zudem muss man aufpassen, nicht langweilig zu wirken. Da habt ihr einen guten Job gemacht. Was für Menschen seid ihr? Depressive? Oder doch eher die Party Leute?

Marcelo: Danke erst mal! Wir sind zwar nicht die totalen geselligen Menschen, aber unser Leben ist genauso normal wie das der anderen Metal Heads. Einige sind sogar richtige Party-Menschen (he he).
Doomer können zwar eher traurig und einsam sein, aber dass ist doch keine Grenze, aus der man nicht ausbrechen darf. Doom liegt irgendwo mittendrin. Obwohl ich mich selbst schon eher als zynisch und verbittert betrachte.
Soziale Traumen, Einsamkeit, die öden Landschaften in einigen Ländern, das ist der einfache Weg, Doom zu beschreiben. Es stimmt schon, diese Merkmale können den ein oder anderen schon mal depressiv werden lassen, aber, wie ich schon sagte, Doom kann man auch im schönsten Platz oder auch unter "normalen" Bedingungen finden... das hängt nur davon ab, ob dein Hirn richtig funktioniert (lol).

HH: Wie sieht es bei euch mit der lokalen Szene aus? Was kannst Du uns darüber erzählen?

Marcelo: Es ist definitiv eine wachsende Szene mit Potential! Die Fangemeinde wächst ständig und schnell, also gibt's auch immer Bands die kommen und gegangen sind in den letzten Jahren. Bis vor kurzem noch (so vor einem Jahr) war es eine von Heavy und Power Metal dominierte Szene, aber das hat sich inzwischen zu Gunsten von Old School Death / Black Metal geändert. In Santiago gibt es schon öfter größere Konzerte oder auch nur kleinere Gigs. Bands, die zu empfehlen sind: Poema Arcanus (Doom/Dark Metal), Psychosis (Mischung aus Old/New School Thrash), Kintral (sonderbare Mischung aus Black Metal und Elektro, sehr avantgardistisch), Defacing (Grind/Death) und Luna Incaelo (Gothic / Noise).
Die Doom Szene ist groß, aber hat bislang noch nicht den großen Zuspruch. Es gibt hier 'ne Menge Bands, die von sich reden machen werden, wenn ihr Album veröffentlich wird.

HH: Danke, dass Du meine Fragen beantwortet hast. Die letzten Worte gehören Dir!

Marcelo: Danke noch mal für das Interview und die Unterstützung, Ray. Ich hoffe, euch gefällt The Tatterdemalion Express. Gebt dem Album Zeit zu wirken und ich verspreche euch, ihr werdet es nicht bereuen.
Wenn ihr mehr wissen wollt, schaut auf unserer Webseite nach unter www.mardegrises.net. Schaut auch auf unserer Labelseite nach unter www.firebox.fi, da gibt's jede Menge guter Doom Bands.
Grüße aus Chile

Ray

Zur Übersicht
Zur Hauptseite

Weitere Berichte und Infos

© www.heavyhardes.de