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Interview mit Darkseed (09.02.2005)

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Die neue Scheibe Ultimate Darkness gefällt mir gut. Stefan Hertrich auch - und zwar so gut, dass es sich für ihn lohnte, einen Job als Meister der Spielekonsole aufzugeben.. ganz nebenbei hat er einige höchst aufschlussreiche Dinge zum Thema deutsche Härte und zum Metal allgemein zu berichten.

HH: Hallo Leute, danke dass Ihr Euch die Zeit nehmt ein paar Fragen zu beantworten. Los geht's:
Das neue Album Ultimate Darkness knallt wie Sau (siehe auch Review). Seid Ihr zufrieden mit dem Ergebnis?

Stefan: Danke! Ja, Ultimate Darkness wurde so, wie ich es mir persönlich vorgestellt hatte. Hart, und dennoch mit vielen Emotionen. Wir haben auf die Meinung der Fans gehört und gemerkt, dass es der richtige Weg für Darkseed ist.

HH: Wo seht Ihr die Hauptfortschritte seit der letzten Scheibe Astral Adventures (2003)?

Stefan: Die Musik reißt mehr mit, ist zwar recht einfach strukturiert, aber trotzdem mit Feinheiten versehen und somit verspielt. Die Gesangslines sind viel hookiger als sonst (da ich das erste Mal schon vorm Studioaufenthalt zu Hause alles fertig gemacht habe) und die Produktion ist das erste Mal wirklich fett. Kompliment an unseren Gitarristen Tommy, der das Album in seinem Studio aufgenommen hat.

HH: Ihr habt die Scheibe selbst produziert, wie habt ihr das erlebt?

Stefan: Seit Diving Into Darkness (2001) produzieren wir unsere CDs im Studio von Tommy. Das hat den Vorteil, dass wir uns a) alles so einteilen können wie wir wollen, b) es weniger Geld kostet und c) dem Versuch, ein emotionales Album zu produzieren, näher kommt, da man ohne fremde Gesichter an seinem Album feilen kann und jeder im Studio auch dahintersteht.

HH: Du hast dir über ein Jahr Zeit gelassen für die neuen Songs. War das eine nötige kreative Pause oder gab's andere Gründe für die lange Entstehungszeit?

Stefan: Die Songs sind recht schnell entstanden, ich würde sagen innerhalb von etwa 2,5 Monaten. Davor habe ich jedoch 1,5 Jahre dem Metal den Rücken gekehrt, um mich mehr meiner anderen musikalischen Seite, der Ethno/Soundtrack-Musik, zu widmen. Nebenbei habe ich noch einen tollen Job in der Computerspieleindustrie gehabt, bin dann aber nach 1,5 Jahren wieder in unsere Heimatstadt München zurückgekehrt, wo wir dann schließlich wieder an einem Strang gezogen haben, um das neue Darkseed-Album zu machen. Die Auszeit war nach mehr als zehn Jahren Darkseed bitter nötig, und eigentlich war es gar nicht geplant, wieder einzusteigen. Der Metal-Schuh hat jedoch angefangen, zu drücken, hehe.

HH: In euren Texten verarbeitet Ihr immer wieder komplexe Fragestellungen. Was sind die Hauptthemenkreise auf Ultimate Darkness?

Stefan: Alles, was mit "dunklen Gefühlserlebnissen" im Alltag zu tun hat. Orientierungslosigkeit, Wertemangel in unserem Kulturkreis, Aggressionen, die sich aufstauen, Kritik am rücksichtslosen Umgang mit Mensch und Tier, Oberflächlichkeit, zwischenmenschliche Enttäuschungen usw.
Daher haben wir das Album Ultimate Darkness getauft, da es sich um allgegenwärtige Problemstellungen handelt. Natürlich hat der Name einen leicht provokativen Touch, denn wir wollen, dass die Hörer hinterfragen, worum es in dem Album wirklich geht. Und es geht eben um teilweise (nicht alle) etwas untypische Themen, die ich aber durchaus als "Gothic" bezeichnen würde und dadurch an den Mann/die Frau bringen will.

HH: Die Mischung aus deutschen und englischen Lyrics bringt einen interessanten Touch. Ist das nur ein Stilmittel, oder verbirgt sich mehr hinter dieser Idee? Wollt Ihr damit die Inhalte besser rüberbringen?

Stefan: Ich mache meine Gesangslines in meinem Homestudio, dabei singe ich zunächst einfach nur blabla, um auf Melodien zu kommen. Bei einigen Stellen habe ich angefangen, auf deutsch zu lallen, und irgendwie hat das einfach gepasst. Ich habe dann einen Text darauf gemacht, es unserem Webmaster (langjähriger Darkseed-Fan) und Tommy vorgespielt, und da sie es gut fanden, ich war überrascht, hätte mit Rüffeln gerechnet, hehe, habe ich es so gelassen.
Natürlich hat das Deutsche den positiven Nebeneffekt, dass die Message für deutsche Hörer klarer rüberkommt, die deutschen Zeilen geben den Kerngehalt mancher Songs wieder und wir auch ein bisschen Profil auf dem internationalen Markt zeigen können. Die deutsche Sprache ist nun mal eine recht harte Sprache und passt gut zu Stromgitarrenmusik. War aber wie gesagt ohne Kalkül. Normalerweise bin ich kein Fan von deutschen Texten, aber in diesem Fall schien es einfach zu passen. Glücklicherweise haben die Fans diese Entwicklung sehr positiv aufgenommen und verlangen mehr davon. Inwieweit das aber auf dem nächsten Album umgesetzt wird, kann ich noch nicht sagen.

HH: Die neue deutsche Härte ist durch Bands wie Rammstein und zuletzt Oomph salon- und auch chartfähig geworden. Wie seht ihr diese Entwicklung - eher positiv oder zu kommerzialisiert?

Stefan: Kommerz hat auch immer etwas mit Geschmack zu tun, und wenn man den Geschmack trifft - egal ob mit aggressivem Marketing, Kalkül etc. oder ohne, so wird es sich durchsetzen. Es war scheinbar Zeit für deutsche Musik, daher ist es so passiert. Rammstein haben hierfür sicher den Grundstein gelegt, andere Bands profitieren jetzt davon, ist ja immer so und auch in Ordnung. Ganz ehrlich, ich würde mich sehr schwer tun, einen komplett deutschen Text zu schreiben, mir liegt das Englische in der Hinsicht einfach besser, dazu ist es auch als nicht-Muttersprachler eine Versteckmöglichkeit. Ich stelle mir das Texten bei Bands wie Rammstein oder Megaherz gar nicht so einfach vor, daher zolle ich diesen Bands Respekt. Kommerz hin oder her, nur wer Fähigkeiten hat, setzt sich durch. Eine schlechte/langweilige Band wird nie kommerziellen Erfolg haben. Ich denke man überschätzt die Wirkung von Marketing usw., letzten Endes entscheidet der Fan und das Produkt selbst.
Musik hat nicht immer was mit musikalischem Können zu tun, sondern auch mit Einfühlungsvermögen bzw. der Fähigkeit, Musik interessant zu machen. Daher ist es oft so, dass eine wirklich technisch mittelmäßige oder "billig" klingende Band Erfolg hat, da sie das Wichtigste kann: etwas bieten, was interessant zu sein scheint.
Dazu gehören ohne Zweifel Rammstein, die es geschafft haben, mit relativ einfachen Texten (das meine ich nicht negativ) und Riffs Erfolg zu haben. Weil eben doch mehr dazugehört, als nur Songs zu schmieden. Man muss es raffiniert und mit Nuancen machen. Das wird dann oft als kommerziell hingestellt, ist aber sicher eine Kunst.
Daher langer Rede kurzer Sinn: ich sehe die "deutschelnde" Entwicklung weder positiv noch negativ, sie ist einfach da, weil es halt gerade interessant zu klingen scheint.

HH: Profitiert Ihr von dieser verstärkten Aufmerksamkeit in den Medien?

Stefan: Nein, die großen Medien finden uns in der Regel zu un-innovativ . :) Ich kann wahrlich nicht behaupten, dass wir die etablierten Magazine auf unserer Seite haben. Macht aber nichts, weil wir dafür den kleineren Magazinen sowie den Fans scheinbar eher aus der Seele sprechen, vielleicht gerade weil die Musik nicht versucht, zwingend eigen/modern etc. zu klingen. Wir stehen relativ allein auf weiter Flur, und schwimmen eigentlich nicht im Fahrwasser bestimmter angesagter Bewegungen mit, hätte aber nichts dagegen, so ehrlich muss ich sein, hehe.

HH: Gothic Metal an sich wird seit dem Erfolg von Evanescence und Nigthwish in allen Kinderstuben abgefeiert, oft schrammt das dabei stark am kommerziellen Kitsch entlang. Wie steht Ihr zu dieser Entwicklung, da Ihr ja eine der Gründerbands der deutschen Gothic-Szene seid?

Stefan: Wie auch vorhin schon beschrieben, ist das völlig in Ordnung. Meiner Meinung nach hat jede Band ein "Recht auf Erfolg", da sie irgendwas haben muss, was einfach gut ist. Sei es auch einfach nur ein glückliches Gespür. Kommerzieller Kitsch, nun, die Frage ist, ob die Metalwelt ein Kommerzproblem hat oder eher ein Kitschproblem, was nicht unbedingt zwanghaft mit Kommerz zu tun haben muss. Ich denke eher zweiteres. Egal ob Undergroundband oder "Kommerzband", zu viele Bands wissen gar nicht, was sie überhaupt aussagen, sondern nutzen einfach bestimmte Wortsymbole, Bildsymbole oder treten nach einem bestimmten Schema modisch auf. Das muss nicht aus kommerziellem Antrieb geschehen, sondern passiert oft aus Überzeugung oder ästhetischen Gründen, führt aber sehr, sehr oft zu Kitsch. DAS ist denke ich das größere Problem, nämlich dass viele Bands keine Message mit auf den Weg geben, die man im Zeitalter von PC-Spiele-Wahn und Fernsehverblödung als junger Mensch durchaus gebrauchen kann. Metal ist zu oft eine sich selbst in bestimmten Symbolen erstickende Traumblase, ohne wirkliche Aussage. Das stört mich viel eher als kommerzielle Ansätze.
Daher finde ich Bands wie Assemblage 23 oder auch Rammstein gut, da diese Bands zwar irgendwie kommerziell sind, ABER eine Aussage bzw. ein wirklich konkretes Thema haben. Und gerade Metal oder Gothic, diese eben schwermütigen, pessimistischen Musikarten, sollten sich viel öfter mit realen Themen auseinandersetzen.

HH: Sehen wir Euch demnächst auf deutschen Bühnen? Plant Ihr eine eigene Headliner-Tour?

Stefan: Ab März werden wir viele Einzelgigs spielen, eine Tour ist derzeit jedoch nicht geplant. Die Konzertdaten werden regelmäßig auf www.darkseed.com aktualisiert.

Holgi

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