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Konzert-Bericht

Cinderella, Bonfire, Pussy Sisster, Crazy Lixx, Jaded Heart, Kissin' Dynamite, Shotgun Express & Hollywood Burnouts

Shout It Out Loud Festival

RWE Sporthalle, Mülheim (Ruhr) 18.06.2011

Als in der ersten Jahreshälfte noch unbestätigte Gerüchte in den Weiten des Web zu rumoren begannen, Cinderella - "Was? Keine Ballett-Aufführung, sondern das echte Ding mit all den Tüchern, Eyeliner, Blues-Feeling, mit Tom Keifer?" - würden nach gefühlten zwanzig Jahren wieder einen Gig auf deutschem Boden spielen, war die Überraschung mindestens genauso groß wie die Vorfreude. Aus Gerüchten wurden Fakten: angekündigt als "neue Festivalreihe" ging am 18. Juni die erste Ausgabe des Shout It Out Loud Festivals an den Start - und Cinderella waren tatsächlich dabei. Das Shout It Out Loud ist ein Konzept-Happening, in dessen Rahmen die Veranstalter versuchen, die Glam- und Sleaze Rock-Fangemeinde aus dem ganzen Bundesgebiet an einem Tag zur allgemeinen Feier jenes Spirit zu versammeln, der in den 80ern den Sunset Strip in L.A. rauf und runter wehte und der etwa seit Mötley The Dirt auf den Markt warfen "Second Wind" bekommen hat. Denn die heutige Glam- und Sleaze-Szene besteht keineswegs nur aus den alten Recken, sondern hat vor allem durch die zahlreichen Combos aus Skandinavien erstklassigen Nachwuchs in ihren Reihen. Diesem Umstand zollt(e) auch das Shout It Out Loud Tribut und so bot das Billing mit Bonfire, Jaded Heart, den Crazy Lixx, Pussy Sisster, Kissin' Dynamite, dem Shotgun Express und den Hollywood Burnouts einen anschaulichen Querschnitt durch 25 Jahre Lipstixx and Leather. Bevor die eigentliche Geschichte los geht: das Konzept war von Anfang an ein Wagnis, denn außer im Paunchy Cats in Lichtenfels und im Rockcity in Uster findet man selten in Deutschland eine eingeschworene Sleaze Rock-Fangemeinde kontinuierlich versammelt und so konnte keiner vorher wissen, ob die Publikumsbasis groß und gefestigt genug war für einen solchen Event. Hohes Risiko und viel Mut seitens der Veranstalter - das verdient erstmal Respekt.

Der Weg aus Bayern bis nach Mülheim im Ruhrgebiet ist keiner der kürzesten, doch eine Zugfahrt im 80er-Outfit mit allem Drum und Dran bereitet meistens viel Spaß, allein schon wegen der skeptischen Blicke der Mitreisenden und der Gleichgesinnten, die man auf dem Weg trifft und deren Erkennungsmerkmale - Bandanas, Stretch-Hosen, Nietengürtel, Leoparden- oder wahlweise Zebra-Accessoires - schon von Weitem kaum zu übersehen sind. Einmal in Mülheim angekommen, nimmt uns ein freundlicher Theatermacher bis an die RWE Sporthalle mit: schon von außen ein recht mächtiger Komplex. Fassungsvermögen 1000 Steh- und bis zu 3000 Sitzplätze. Davon waren auf dem Festival ca. 1000 auf der Bühnenflanke abzuziehen; aber immer noch Platz genug. Nach und nach fanden sich die ersten Erwartungsfreudigen ein: der Altersdurchschnitt entsprach in etwa dem der verschiedenen Bands. Vom 18-jährigen Neuglamster bis zu zwei älteren Herrschaften im kompletten Kiss-Dynasty-Outfit war alles vertreten. Einige wilde Frisurenträger waren zwar auszumachen, aber auch viele Rocker, denen man ihr Faible für gepflegten Glamour nicht gleich auf den ersten Blick ansah. Eine bunte Mischung im wahrsten Sinne des Wortes. Im Vorfeld gab es widersprüchliche Informationen über die Einlass-Zeit und an diesem Punkt angelangt wendete sich erstmals das Blatt, das bis dato recht positiv strahlte. Denn die Leutchen mussten doch ein wenig sehr lang auf dem Treppenaufgang zu den Toren ausharren, obwohl keine Bändchen oder Stempel verteilt wurden (dazu später mehr). Doch dieser Umstand allein war nicht das anfängliche Ärgernis, sondern die Tatsache, dass die Hollywood Burnouts auf die Bühne geschickt wurden, als gerade mal 20 Prozent der Anwesenden in die Halle gelassen worden waren. So verpassten die meisten (auch wir) die Augsburger Formation rund um Bassgirl und Blickfang Chrizzy Roxx. Schade, schade. Die wenigen Glücklichen berichteten von einer starken Leistung.

Wir enterten die RWE-Halle also in der Pause bis zum nächsten Act: den Stuttgartern Shotgun Express. Genügend Zeit, um sich am Getränkestand ein lockeres Bierchen zu holen - dachte man! Das Procedere, sich zunächst Getränkebons kaufen zu müssen, stört ja mittlerweile keinen mehr, aber was ist das? Vollversammlung am Bierausschank? Lange, lange Warteschlange. Zwei rotierende Ausschenker. Anstehen dauerte im ersten Drittel des ganzen Events bis zu dreißig Minuten. Und dann der Preis: 3 Euronen für einen Minibecher Gerstensaft (wohl 0,33l). Auch der Bonsheet ging nicht auf: ein Euro blieb übrig, wenn einer sich (empfehlenswerter Weise) drei Getränke holte. Meine Damen und Herren Veranstalter: Kinderkrankheiten bei Erstmalsveranstaltungen hin und her, aber hier wurden die Geduldsfäden der Fans unnötigerweise völlig überspannt.

Wir sparten uns lieber erstmal die Warterei und schauten Shotgun Express, die einen formidablen Gig auf die Bretter legten. Die Schwaben - Diamond Flow (Vocals), Johnny Cobra (Guit.), Scott Damn (Guit.), Robben (Bass) und Matt Lush (Drums) - zocken in etwa einen Stil wie die frühen Black N' Blue angereichert mit Blues Rock-Zutaten en masse und gefielen nicht zuletzt durch ihr vitales Stageacting. Richtig gut aufeinander eingespielte Band, deren Hymne "Shotgun Express" oder der Singalong "Wasted Life" die Jungs in eine rosige Zukunft blicken lassen, die als Quasi-Opener einen perfekten Job ablieferten. Danach ging's vor die Halle in den abgesperrten Raucherbereich, auf eine Art Terrasse. Dort erfuhren wir, dass sich die Situation sowohl im Einlassbereich als auch an den Bierständen noch kaum gebessert hatte und dazu, dass die Order galt: einmal drin, kein Weg mehr nach draußen, d.h. vor die Halle, zum Auto, zum nächsten Kebap-Stand oder zur Bank. Autsch, das ist hart. Auch hier muss beim nächsten Mal seitens der Verantwortlichen erheblich nachbessert werden. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass wir Pressevertreter von dieser Restriktion nicht betroffen waren. Die Fans jedoch, die im Schnitt 55 Euro Eintritt bezahlt hatten, wurden bis zum Ende des Festivals tatsächlich nicht mehr raus gelassen, was allerorts vehementes Kopfschütteln hervorrief. ABER: trotz all den aufgezählten Negativa erwies sich die Sleaze Rock-Gemeinde als selten geduldiges Kollektiv, das den Ärger hinunter schluckte und die Stimmung insgesamt den ganzen Tag andauernd (positiv) am Kochen hielt, obwohl sich in der Halle dann und wann die Menge verlief. Am Ende war das Festival schätzungsweise gut zur Hälfte ausverkauft.

Neben dem Publikum trugen fast alle Bands im Billing zum "Gelingen-Trotz-Allem" bei. Wirkten Jaded Heart mit ihrem Melodic Metal anfangs noch ein wenig deplatziert im Billing, erspielten sich die alten Haudegen um Sänger Johan Fahlberg mit Songs wie "Hero" oder "Going Under" nach und nach die anwesende Bangerschaft und hatten (zumindest von unserer Position aus) einen der besten Gesamtsounds des Tages.

Anschließend wurde es jedoch extrem lebendiger auf der Bühne. Was Kissin' Dynamite in Sachen Spielfreude und Rock n' Roll-Entertainment abzogen war allererste Sahne. Sänger Hannes wirbelte wie der sprichwörtliche Derwisch über die Bühne und animierte wie seine Kollegen die Meute unaufhörlich zum Mitsingen, Mitbangen, Mitzappeln, whatever! Dass Kissin' Dynamite eher metallischen Klängen des Sleaze zugetan sind, stellten sie mit diesem Auftritt nachdrücklich unter Beweis. Und der Funke sprang über: ob mit "Supersonic Killer", "Addicted To Metal" oder dem Skid Row-Cover "Youth Gone Wild" - hier hatte eine Band die Halle im Griff und veranstaltete eine echte Sause. Definitiv einer der Gewinner des Festivals!

Das war schwer zu toppen, doch es gelang: denn als nächstes stand eine der rar gesäten Möglichkeiten an, die meines Erachtens beste "neue" Sleaze/Glam/Melodic Metal-Band der letzten Jahre endlich einmal bei einem Deutschland-Gig zu bewundern. Vorhang auf für die Schweden Crazy Lixx. Obwohl der Vitalismus auf der Bühne gegenüber Kissin' Dynamite um eine Nuance zurück ging, war die Show der Herren Danny Rexon (Voc.), Andy Dawson (Git.) und Co. vielleicht der Höhepunkt des Tages. Dieses lag letztlich einfach am Songmaterial und den Fähigkeiten der Band, die Perlen der beiden Alben Loud Minority und New Religion live originalgetreu umzusetzen. Die Setlist zeigte in etwa einen Querschnitt durch die erwähnten Platten: "Rock And A Hard Place", "Doctor Hollywood", "Want It", "21 'Til I Die" - kein Hit wurde ausgelassen. Rexon lieferte einen exzellenten Job ab und zelebrierte Songs wie "Road To Babylon" oder das geniale "She's Mine" geradezu. Den Abschluss machte dabei "My Medicine" (ja, ja die alten Leppard-Chöre) und "Heroes Are Forever". Leider war die ganze Chose wieder viel zu schnell vorbei. Angesichts der Klasse der Band hätte ein höherer Platz im Billing sicher keinem Fan geschadet.

Damit konnten die in letzter Zeit recht gehypten Pussy Sisster leider in keinster Weise mithalten. Zwar mühten sich Sänger Alex Sex, Gitarrist Marc O. und vor allem Bassman Coma redlich, die Party am Laufen zu halten, aber in Sachen Spielfreude waren ihnen Kissin' Dynamite (zumindest an diesem Tag) weit voraus und was die Klasse der Songs anbelangt Crazy Lixx um Meilen.

Da bot sich doch ein Gang zum Merchandiser an, wo ein Lixx-Shirt für 18 Euro erstanden wurde; auch die Lage am Bierausschank hatte sich mittlerweile entspannt. So konnte man sich locker im Rückraum den Auftritt von Claus Lessmann und Freunden anschauen: Bonfire! Oft als Wald und Wiesen-Band verunglimpft, trumpften die gestandenen Männer, die schon in den 80ern unterwegs waren, richtig auf. Absolut überraschend! Guter Sound, viel Bewegung auf der Bühne und eine recht "harte" Songauswahl. "Ready 4 Reaction", "Sweet Obsession", "Under Blue Skies" - was will man mehr? Dass "Proud Of My Country" inkl. der immer wieder entschuldigend wirkenden Ansage, trotz den über die Jahre andauernden zwiespältigen Reaktionen auf den Song, immer noch gezockt wird, zeugt von Stehvermögen. Tolle Hard Rock-Unterhaltung.

Und da waren wir schon beim letzten Act im Programm angelangt. Na ja, fast, denn vorher musste noch eine "ein wenig längere" Umbauphase ausgestanden werden. Soundcheck für Tom Keifer und seine Mannschaft. Trotzdem donnerten Cinderella zu leise und recht verwaschen los. Doch sei's drum. Hierauf hatte man lange, lange warten müssen und ab den ersten Klängen von "Once Around The Ride" gab es zumindest in den vorderen Reihen, wo wir uns mittlerweile wieder fanden, kein Halten mehr. Als Zylinderträger Keifer danach sogleich "Shake Me" nachschob, wurde die Party noch ein wenig wilder, wenn auch ein Blick ins Rund davon zeugte, dass jene (zunächst) nur vor der Bühne statt fand. "Heartbreak Station" avancierte zum ersten richtigen Höhepunkt und sorgte für die erhofften Gänsehautmomente, genauso das großartige "Somebody Save Me" und auch die dargebotene Version von "Night Songs" war schlichtweg genial. Doch danach flaute die Stimmung ein kleines bisschen ab, obwohl man sich im Vorfeld auf Tracks der Marke "The More Things Change", "Second Wind" und "Coming Home" genauso gefreut hatte. Lag's am immer noch nicht optimalen Sound? Dass Mr. Keifer nicht der Gesprächigste ist, wusste man ja bereits im Vorfeld, aber ein Stück weit weniger Routine in der Darbietung hätte man sich dann doch gewünscht. Wer allerdings imstande ist, drei Songs mit den Titeln "Don't Know What You Got (Till It's Gone)", "Nobody's Fool" und "Gypsy Road" nacheinander zu zocken, der hat eben schon gewonnen. Jetzt hatten Cinderella die RWE-Halle komplett hinter sich, was auch bei den Zugaben "Long Cold Winter" (wer hätte das erwartet?) und "Shelter Me" so blieb. An der Gesamtspielzeit von ca. 1h und 5 Minuten kann man herum kritteln - durchaus, doch unzufriedene Gesichter waren zumindest kurz nach dem Gig kaum zu finden.

Was bleibt also vom ersten Shout It Out Loud Festival unter dem Strich in Erinnerung? Angefangen bei den Negativa, wie ausführlich beschrieben, die Einlass- und Getränkepolitik, die in solcher Weise selten gesehen wurde mit all ihren Konsequenzen (ewige Warterei, Hollywood Burnouts verpassen fast alle, Einpferchung). Doch andererseits ein unglaublich tolles Partypublikum, das sich zu keiner Minute die Laune verderben ließ und so das ganze Event erst auf eine gesicherte Basis stellte. Des Weiteren die Shows von Kissin' Dynamite, Bonfire und natürlich auch Cinderella. Punktsieger in allen Belangen waren jedoch Crazy Lixx. Ich denke, wir kommen wieder. Crashdiet, Sister und Hardcore Superstar scheinen für die nächste Ausgabe bestätigt. Ob die Veranstalter jedoch die vollmundige Ansage "zu 80 Prozent Poison" wahr machen können, sei einmal dahin gestellt. Klang ein bisschen wie die Worte eines Herren Van Gaal: "Wir sind die besten von Deutschland... und vielleicht bald... Europa!" Nur zur Erinnerung: ein paar Monate später war der gute Mann gefeuert. Es ist zu hoffen, dass dieses Schicksal dem Festival erspart bleibt, doch um die Fans bei der Stange zu halten, müssen ohne jeden Zweifel bis zum nächsten Mal die organisatorischen Hausaufgaben gemacht werden.

Setlist Cinderella:
Once Around The Ride
Shake me
Heartbreak Station
Somebody Save me
Night Songs
The More Things Change
Second Wind
Coming Home
Don't Know What You Got (Till It's Gone)
Nobody's Fool
Gypsy Road
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Long Cold Winter
Shelter Me

Fuxx

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