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Special

19. Comicfest München

19. Comicfest München vom 11. bis 14.06.2009 u.a. im Alten Rathaus München

Ja, werdet ihr fragen, was soll denn das jetzt? Wir wollen Metal, jetzt kommt er uns mit Comics? Was hat Donald mit Darkthrone zu tun, und wo genau bangen die Gustav Guns? Ist doch alles Kinderkram?

Na, da halte ich mal dagegen, dass sich beiden Welten sehr ergänzen und immer schon in regem Austausch standen. Da gab's z.B. diesen schicken Zeichentrickfilm nach Motiven des französischen Comic-Magazins Metal Hurlant - aus dem Titel wurde im Kino dann flugs Heavy Metal, und untermalt wurde das Episoden-Spektakel mit zünftigen Sounds wie z.B. "Mob Rules" von Black Sabbath. Aha, also doch. Anthrax outeten sich gleich mehrfach als Comic-Fanatiker: ihr allseits beliebter Brecher "I Am The Law" setzte der Figur Judge Dredd aus den 2000 AD-Comics ein brachiales Denkmal, und für ihre Live-DVD Music Of Mass Destruction ließen sie - wie auch schon für das Comeback-Album We've Come For You All - das Cover vom Zeichner-Superstar Alex Ross gestalten, der sich mit eindrucksvollen, realitätsnah gezeichneten Variationen von klassischen Marvel (Spiderman etc.)- und DC (Superman etc.)-Stories hervortat. Als Special auf der DVD gibt's denn auch einen Kurzbesuch beim Meister selbst, der Scott Ian und Co. als staunende Fans offenbart.
Auch in Deutschland gab es solche Crossover: die Thrasher Holy Moses legten 1989 ihrer Scheibe The New Machine Of Liechtentstein sogar ein kleines Comic des Schwarz-Weiß-Stilisten Horus bei - als Co-Autor der Story fungierte seinerzeit Rainer Laws, der von 1988 bis 1990 sogar bei Holy Moses als Gitarrist mitmischte.

Und wem das noch nicht langt, der führe sich diesen Auszug aus einem Interview mit den aktuell angesagten Gespann Grant Morrison und J.G. Morrison zu ihrem Epos Final Crisis zu Gemüte:

Morrison: Es geht hier um die Grundfesten des DC Universums. Es ist die Apokalypse. Es ist die knallharte Death-Metal-Version des DC-Universums. [...] Es ist ein Comic wie das Cover eines Slayer-Albums.
Jones: Guter Vergleich. Ich höre wirklich viel Metal beim Schreiben...

So, nachdem nur klar ist, um was es geht, mal zur Sache. Vom 11.-14.06.2009 ging in München bereits das 19. Mal das Comic-Festival über die Bühne, das sich neben den etablierten Events gleicher Couleur (Comicsalon Erlangen und Comic Action Essen - wo mir ein ziemlich angeheiterter Bela in seiner Eigenschaft als Verlagschef mal eine schicke Fledermaus auf meine Ärzte-CD gemalt hat - also eine weitere Verbindung) mittlerweile einen durchaus achtbaren Platz im Kanon der Bildgeschichten-Pilgerschaften errungen hat.

Chef Gerhard Schlegel ist dieses Jahr das Kunststück gelungen, erstmals alle wichtigen Verlage (darunter die deutschen Platzhirsche Carlsen und Ehapa, die Marvel- und DC-Vermarkter Panini, Salleck Publications, den Piredda Verlag, Reprodukt, Bunte Dimensionen und andere) im Alten Rathaus direkt am Marienplatz zu versammeln, angesagt hatten sich außerdem 120 Zeichner, 15 sogar aus dem Ausland (also nördlich von Nürnberg) angesiedelt. Umrahmt wurde dieses Kernprogramm von diversen Events, die quer über die Stadt verteilt waren, so z.B. diverse Autorenlesungen in der Glockenbachwerkstatt, eine Comic-Messe in der Schrannenhalle (sehr schöne Ausbeute, und fein angeordnet), Zeichenkurse mit unterschiedlichen Künstlern, Ausstellungen zu den Zeichentrick-Antihelden Simpsons, dem Endlos-SF-Heftroman-Helden Perry Rhodan im Comic und Diskussionsforen unter anderem über die geniale Verfilmung des legendären Comicromans Watchmen angesetzt. Und natürlich Donald (also doch!), der bekannteste Enterich der Welt, der in diesem Jahr das durchaus biblische Alter von 75 Jahren erreichte. Ihn ehrte die Fangemeinde mit einer Ausstellung in den Kunstarkaden, in der unterschiedlichste Interpretationen der Figur aus verschiedenen Schaffensperioden, inklusive der klassischen Phase von Carl Barks (das kennt ihr alles aus den Lustigen Taschenbüchern), zu bestaunen waren. Ähnlich wurde auch Hansrudi Wäscher mit einer Ausstellung bedacht.

Ein weites Feld also, das für alle Geschmäcker etwas bot, was genau nach eigenem Bekunden Gerhard Schlegels Ziel war. Mission geglückt.
Aber kommen wir mal zum näheren Kern der Sache, den Zeichnern selbst. Eines der Highlights aus Deutschland war zweifelsohne Hansrudi Wäscher, Urgestein der Szene, der Figuren wie Sigurd, Falk und Nick erfand, zu denen einst schon unsere Väter und deren Väterväter den Atem anhielten. Für Wäschers Anwesenheit gab es allerdings auch einen gewichtigen Grund: er erhielt den Peng-Preis für sein Lebenswerk.

Als Lokalmatador durfte Uli Oesterle nicht fehlen, dessen Opus Hector Umbra, an dem er nach eigenem Bekunden sechs Jahre werkelte, seit Kurzem erstmals in seiner Gesamtheit vorliegt. Da spielt die Stadt München eine zentrale Rolle, also so eine Art bajuwarisches Metropolis mit Originalschauplätzen und einem Auftritt von OB Ude himself. Absichtlich sei der Kontrast zwischen dem wohlgeordneten Äußeren der Stadt und der abgründigen Handlung, erzählte uns der Meister beim Zeichnen so nebenher, gerade aus diesem Kontrast zwischen gepflegtem Äußeren und finsterer Innerlichkeit ziehe die Sache ihren Reiz, zumal er sich in München halt einfach am besten auskenne. Eigens widmete man diesem Werk eine kleine Ausstellung vor Ort, und auch die Medien in Form des Bayerischen Fernsehens zeigten reges Interesse am berühmten Sohn der Stadt. Kein Wunder, kommen doch aus deutschen Landen selten ähnlich aufsehenerregende Beiträge. Als Nächstes plant er ein kleineres Werk, um dann zu einem noch größeren Schlag auszuholen, der dann wieder an Münchner Originalschauplätzen spielen soll. Man darf gespannt sein.
Stefani Kampmann (Die Welle, eine Adaption des gleichnamigen Romans) und Christian Moser (dessen Monster des Alltags sich wachsender Beliebtheit erfreuen und diverse Male signiert werden durften) setzten weitere Akzente aus der deutschen Szene.

Aber auch internationale Superstars vom Format eines Philippe Francq konnte man begrüßen, dessen Reihe Largo Winch immerhin eine der auflagenstärksten Comicserien der Welt ist und bereits seit 1990 regelmäßig erscheint. Weitere Highlights lieferten Goran Sudzuka (Y - The Last Man, ein Epos über den letzten Mann auf Erden), Davide Gianfelice (Northlanders, eine kraftvolle Wikingersaga), der Simpsons-Zeichner Mike Rote, zu dem vor allem die jüngeren Anhänger pilgerten, und Christian Rossi (W.E.S.T.), obwohl der erst mit einem Tag Verspätung anreiste - offenbar suchte er zwischenzeitlich noch das Glück, aber die hervorragenden Zeichnungen waren dann aber doch der Mühe wert. Als Überraschungsgast gab es dann noch den aktuellen Spirou-Zeichner Emil Bravo - der hatte eigentlich ja schon abgesagt, aber eine Preisverleihung im Rahmen des Peng-Awards überzeugte den Herrn dann doch.

An dieser Stelle muss dann allerdings auch einmal der eigentliche Major Domus, Spiritus Rector usw. des ganzen Treibens gewürdigt werden: der umtriebige, in der Szene bestens bekannte Verleger Eckart Schott, bei dessen Label Salleck Publications ("Comics aus der Pfalz" - jawohl!) einige der spannendsten Serien erscheinen. Dank der hervorragenden persönlichen Kontakte des allseits beliebten Multitalents (Lektor, Übersetzer, Verleger und Promoter in einem) in die franko-belgische Künstlerwelt gelang es, weitere absolute Hochkaräter wie einen Frank Pe (Zoo, Les Portraits Heroiques), Henk Kujpers (Franka), den alten Helden Seron (Die Minimenschen - vielen noch bekannt aus den Fix- und Foxi-Heften und Bastei-Taschenbüchern), Felix Meynet (Die Ewigen, Tajana K.), Francis Bergese (die schöne Fliegerserie Buck Danny) und auch den neuen Cheffe Matthieu Bonhomme (Der Marquis von Anaon) an Land zu ziehen. Ergänzt durch weitere deutsche Talente konnte man somit ein Aufgebot genießen, das in dieser Massiertheit selbst dem Comicsalon in Erlagen den Rang ablaufen konnte. Volle Punktzahl somit an dieser Front.

Der Erfolg war ein relativ bunt gemischtes Publikum, das vor allem am Wochenende durch die schöne Haupt-Location des Alten Rathauses pilgerte, die sich durch die feine Umrahmung durchaus in die Qualität französischer und belgischer Austragungsorte einreihen darf. Im Vergleich zu Erlangen sah man weniger Manga-Mädchen, auch die Superhelden-Mannschaft war weniger vertreten, dafür gab es Frankreich und Belgien satt und mit der bekannten Eckart-Crew viel Spaß - viele Helfer, die sofort freiwillig den Stand besetzen, wenn der Cheffe wieder mal einen Zeichner abholen muss oder zum Essen führt, die morgens aufbauen helfen und einfach immer für eine Gaudi zu haben sind. So muss das sein.

Ja, jetzt aber bleibt noch die Frage, wie war's denn jetzt wirklich, und was macht man eigentlich den ganzen Tag bei so einer Sause? Damit klar ist, um was es hier geht: Spaß ist das nicht. Oh nein. Klar, es gibt das übliche Bummlervolk, die irgendwann aufkreuzen, mal durchlaufen, sich über die paar Manga-gekleideten Teenies amüsieren, ein bisschen im letzten Hellboy blättern und dann feststellen, dass "sie ja auch ganz gerne Asterix lesen", um nicht total deplatziert zu wirken. Also nicht wir. Dann gibt's die Kids, die sich in Star Wars-Kluft geschmissen haben und Sammelalben vollpappen. Das ist ok, das zeigt wenigstens Interesse. Die gingen dann zu den Simpsons, was völlig in Ordnung ist und auch so sein soll. Aber das machen wir natürlich auch nicht.

Nein, wir machen das so wie der harte Kern der (teilweise sympathischen, manchmal gestörten) hingebungsvollen Verrückten, die man auf jedem Festival dieser Art antrifft (und zwar immer in Persona!) und die diese Events über alle Krisen seit dem letzten großen Hype um das Jahr 2000 am Leben gehalten haben. Ausgerüstet mit einem Überlebenspack (Listen der Signierstunden, strategische Planung der Abfolge des Schlangestehens, und ein professioneller Reisekoffer mit mehr Comicalben, als der Hugendubel vorrätig hat, denn man weiß ja nie was kommt) marschiert man ein und hat nur eine Mission: so viele Zeichnungen wie möglich abgreifen. Denn das Vergnügen, das die Festivals für den eigentlichen Fankreis unverzichtbar macht, ist die Chance, sich von den jeweils aufgebotenen Künstlern eine ganz persönliche Illustration oder vollwertige Zeichnung anfertigen zu lassen, live, manchmal sogar in Farbe. Und das ist begehrt, deshalb geht es da zur Sache, bisweilen kompromisslos. Es werden Nummern verteilt, man findet sich mindestens fünf Stunden vor Beginn am Stand ein (und das ist jetzt ernst gemeint), Gruppen können durchaus Späher aussenden, man kann sich umsehen, aber Schlangespringer werden gnadenlos abgestraft - bis dann wahlweise elegante, nette Menschen oder überschätzte, arrogante Schnösel (von denen dieses Mal keine dabei waren!) sich anschicken, in die entgegengereckten Bücher und Malblöcke zu zeichnen, mit Wunschmotiv und Widmung, versteht sich. Da verlieren gestandene ältere Herren schon mal beinahe die Kontenance, wenn Herr Wäscher das Sigurd-Piccolo-Heftchen aus der Jugendzeit signiert, und offenkundig zu Hause bei Muttern wohnende Junggesellen erleiden Schweißausbrüche, wenn der neue Superstar "maximal zehn Zeichnungen" ankündigt oder sogar das Würfelglück die Schicksalsfrage einer Zeichnung entscheidet (alles genau so vorgekommen). Klingt komisch? Vielleicht, aber auch aufregend und ein Riesenspaß, wenn man vor den Augen eine Zeichnung entstehen sieht, die man dann sein Eigen nennt und stolz nach Hause trägt.

Und genau so war es auch dieses Mal wieder: absolut entspannt der fließend auf Deutsch parlierende Philippe Francq, der mindestens so viel Lebemann ist wie seine Zeichenfigur Largo Winch ("Früher war ich Surfer, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr dazu"), höflich und sympathisch die meisten anderen, da gibt es was mit Wasserfarben (Frank Pe), und sogar einen Tapir hat er aufs Blatt geworfen, oder Filigranarbeit mit Tusche (Bonhomme). Etwas angespannt auch der eine oder andere, aber das sei ihnen gegönnt, wenn die Qualität passt, und das war immer der Fall. Persönliches Highlight: Legende Hansrudi Wäscher liefert mit seinen über 80 Jahren geduldig eine der sehr seltenen Sessions, in denen er nicht nur signiert, sondern sogar eine kleine Zeichnung ergattert werden kann. Sigurd im Original. Das kommt nicht oft vor. Wir bedanken uns, auch, weil er uns dabei erläutert, dass man den Colt gar nicht so schnell ziehen kann, wie er das in seinen Buffalo Bill-Heften gezeichnet hat. Zu schwer.

Entscheidend ist bei diesen teilweise zu eskalieren drohenden Aktionen die Organisation, und die war an allen Stellen so gut, wie sie in der jeweiligen Situation eben nun mal sein kann. Für das Laufpublikum gab es jede Menge zu entdecken, entspannt konnte man mit den Lokalhelden ein paar Worte wechseln, und von den Hardcore-Anhängern wird einfach Stehvermögen abverlangt. Aber das ist ja nichts Neues.

Fazit: schöne Location, zentrale Lage, eine gute Mischung aus allem, was gefällt, und vor allem ein gewaltiges Staraufgebot machten das 19. Münchner Comic-Festival zu einer rundum gelungenen Angelegenheit. Nicht zu vergessen natürlich auch das immer gern gereichte, von meinen Gästen aus Nordbayern permanent so bezeichnete "Landbier" (was auch immer das sein mag). Wir freuen uns schon auf 2011!

Holgi

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