Review

Wer braucht dich eigentlich? Was für eine schöne Welt könnten wir haben, wenn sich der ein oder andere Zeitgenosse diese Frage öfter mal stellen würde. Aufgeworfen und gleich in Albumform gegossen hat diese Fragestellung die Mathcoretruppe Grey, wobei ich nicht genau sagen kann, ob sie damit wirklich Selbstreflektion betreiben. Um genauer zu sein, weiß ich, dank des fehlenden Fragezeichens am Ende des Titels, nicht mal, ob das wirklich als Frage aufzufassen ist oder ob es sich hier um eine Feststellung oder gar um einen Ausruf tiefster Verbitterung und Verzweiflung handelt. Für Letzteres spricht eindeutig die Musik der Hamburger Formation, die weder an bösen, aggressiven Grunts noch an abgefahrenen, vertrackten und düsteren Riffs spart.

Die ersten Durchläufe der Scheibe sind dementsprechend schwierig aufzunehmen, denn neben einigen typischen Schwedenstahlmomenten wirkt das Ganze erst einmal ziemlich wild und verfahren. Jedoch erschließt sich die verstörende Welt von Grey dem Hörer mit Durchhaltevermögen nach einer Weile und weicht einer gewissen Faszination, die dadurch entsteht, dass hier wirklich Musik mit Köpfchen fabriziert wird. Dies spiegelt sich nicht nur in großartig gewählten Liedtiteln wie "I Am God" oder "My Job Here Is Done", sondern eben auch in ausgefuchsten Breaks, verschrobener Rhythmik, disharmonischen Tönen und der tiefen Melancholie, die sich durch das komplette Album zieht, wider. Aber immer kurz bevor es zu viel wird, kommen die Jungs wieder mit einem eingängigen Stück Todesmetall um die Ecke, um dem Hörer eine wohlverdiente Verschnaufpause zu geben. Die Theatralik der Songs erinnert dabei des Öfteren an das Werk der Österreicher von Thirdmoon. Wer an deren düsteren Reisen Gefallen findet, der sollte sich Grey unbedingt auch mal zu Gemüte führen.

Sollten Grey die Frage "Who Needs You?" tatsächlich auf sich selbst bezogen haben, dann kann ich guten Gewissens meinen Arm heben und laut rufen: "Ich!" Denn ich bin sehr froh, dass ich diese aufregende Platte in die Hände bekommen habe.

Sebbes

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