Review
W.A.S.P. - Best Of The Best
VÖ: 24. September 2007
Zeit: CD1 74:09 - CD2 78:13
Label: Snapper Music
Homepage: www.waspnation.com
Diese Scheibe ist eigentlich gar nicht neu: unter gleichem Titel erschien schon 2004 eine Werkschau der Szene-Urgesteine um Meister Blackie. Vermutlich angetrieben vom durchschlagenden Erfolg des aktuellen - und zugegebenermaßen hammermäßigen - Langeisens Dominator (unsere Gazette berichtete), schleudert man nun flugs eine Neuauflage heraus, die deutlich erweitert ist und ein wahrlich fettes Paket bietet. Auf zwei Silberlingen finden sich sage und schreibe 32 Stücke aus allen Schaffensphasen bis Helldorado, so dass man auf über zweieinhalb Stunden WASP-Historie kommt.
Die ist schön chronologisch sortiert und beweist die Behauptung, die der Schreiberling ja schon angesichts der Leistung von Blackie beim diesjährigen Bang Your Head wagte: theoretisch, rein theoretisch, könnte ein WASP-Gig ein furioses Metal-Ereignis sein. Wenn, ja wenn nur Blackie sich mal zu einer Spielzeit jenseits der 70 Minuten hinreißen könnte und tief in die Mottenkiste griffe. Seine Rasselbande begleitet mich, wie sicher so manchen Anhänger, der in den 80ern aktiv wurde, seit dem ersten Album, und das setzt gleich zu Beginn massive räudige Ausrufezeichen. Die WASP-Anfänge waren immer dominiert von Blackies Provokationen, von seiner politischen Unkorrektheit, die die Band berüchtigt machte. Was man über die Showeffekte (blutiges Fleisch in die Menge, Nackische auf der Bühne und so weiter, die Älteren erinnern sich) fast übersieht, ist die schiere Klasse der ersten paar Nummern. Alles musikalische Können wurde ihnen abgesprochen, nicht mal drei Akkorde für ein Hallelujah gebe es hier, rüdes Gerumpel für Dumfbacken. Aber wenn man sich, teilweise nach langer Zeit, die alten Kracher reinzieht, wird deutlich: musikalische Finesse geht anders, keine Frage, aber kaum einer toppt diese Aggression, diese wütende Energie, die in dennoch unentrinnbare eingängige Drei-Minuten-Bolzer gepackt ist. "Animal" hat nichts von seiner Genialität verloren, "I Wanna Be Somebody" rockt wie die Wutz, "Show No Mercy" ist ein wütender Bastard in einem Käfig, "L.O.V.E. Machine", "Hellion", die Halbballade "Sleeping In The Fire" - all das wirkt keinesfalls angestaubt, sondern frisch und brutal wie eh und je.
Die Kristallisation aller Markenzeichen der frühen WASP-Phase liefert dann der Opener des zweiten Albums The Last Command: "Wild Child" dürfte wohl der Song sein, der die dekadente, aggressive und dennoch melodische Atmosphäre am besten verkörpert, für die Blackie in seinen besten Momenten steht. "Ballcrusher" steht überraschend aber amüsant neben dem unvermeidlichen "Blind In Texas", das allerdings auch unverbraucht daherkommt. Auf "Sex Drive" hätte ich zugunsten von "The Last Command" gerne verzichtet, aber auf Best Ofs muss es halt nun mal eine Auswahl geben. Das schon damals lauwarm aufgenommene und auch heute noch recht schwach wirkende Drittwerk Inside The Electric Circus ist mit dem Cover "I Don't Need No Doctor", der annehmbaren Single "95 Nasty" und dem recht netten "Restless Gypsy" vertreten. Auf der damals folgenden Live-Scheibe gab es mit "Harder Faster" dann noch einen neuen richtiggehenden Reißer, aber hier ebenfalls vertretene Stücke wie "Scream Until You Like It" (das war vom Soundtrack zu Ghoulies II - hat den jemand gesehen?) und "King Of Sodom" zeigten, dass die ursprüngliche WASP-Formel (aggressives Riff, guter Refrain, provokanter Text, wie ihn sich der kleine Moritz vorstellt) ausgereizt war. Dann vollzog sich die erstaunliche Wandlung des Blackie Lawless vom Rabauken hin zum ernstzunehmenden, anspruchsvollen Musiker: The Headless Children zerfiel in zwei Seiten - Seite Eins mit vier herausragenden, bestens komponierten Stücken mit kritischen Texten, und Seite Zweit mit mehr Nummern der alten Machart. Wenn er die neue Sachlichkeit hier mal testen wollte, war das ein voller Erfolg: Fans wie ich schnappten das neue Material gierig auf und registrierten zufrieden, dass WASP endlich auch für denkende Menschen geeignet waren. Leider fehlt hier der Opener, aber "The Real Me", "Forever Free" und vor allem der Titeltrack "The Headless Children" zeigen die erstaunliche Transformation, die sich meilenweit vom "Animal" der ersten Jahre wegbewegte, überdeutlich. Lieferte der "Mean Man", die Hymne auf Gitarrist Chris Holmes ("the unruly one they call the blond bomber") typisches WASP-Futter, deutete sich mit dem The Who-Cover "The Real Me" außerdem schon Blackies Faszination für die große Rock-Oper a la Pete Townshend ab. Und genau die lieferte er dann mit seinem bis heute unerreichten Meisterwerk, seiner Sternstunde, die zu den besten Metal-Platten der 90er gehört und auf der Neuauflage dieser Kompilation gottlob nun auch zu Ehren kommt. The Crimson Idol, die zweifelsohne autobiographisch angehauchte Story des jungen Musikers, der an der Musikindustrie zerbricht, zeigt die ganze Bandbreite von Blackies Können. Verschachtelte Rocker ("The Invisible Boy"), alles niedermähende Brecher ("Chainsaw Charlie"), magische Balladen ("Hold On To My Heart") und der große, opernhafte Wurf ("The Great Misconception Of Me") - das gepaart mit intelligenten, hintersinnigen Texten, die jedem Studenten der Literaturwissenschaften die Freudestränen in die Augen trieben (Kostprobe aus "Chainsaw Charlie" - "I'm the tin man, I never had a heart" - na? Wizard Of Oz natürlich). Das war die Eintrittkarte zur Respektabilität, die Art, in der Blackie wahrgenommen werden wollte. Reihenweise Platte des Monats, klappte ja auch alles wunderbar. Nur irgendwo auf dem Weg, da hat das Ganze nicht geklappt. Mit dem zeitweisen Untergang des Metal in den 90ern blieb auch Blackie der ganz große Durchbruch versagt, und das muss er der Welt irgendwie übel nehmen. Mit Still Not Black Enough (hier mit keinem Stück präsent) kam dann noch ein quasi-Nachfolger zum Crimson Idol, aber mit Helldorado und Kill Fuck Die (keine Nummer auf dieser Zusammenstellung) schredderte Blackie sich erstmal wieder schön nach unten. "Helldorado", hier vertreten, ist ein belangloser Rocker, "When The Levee Breaks" uninspiriertes Geschwurbel, einzig "Damnation Angels" blitzt kurz auf. Dann Zeugs wie "Dirty Balls" und "Cocaine Cowboys": was für ein Rückfall - übrigens auch grauslich produziert - nach dem vorangegangen Götterwerk! Den völlig enttäuschenden Eindruck am Schluss der Best Of verhindert dann das krachige Elton John-Cover "Saturday Night's Alright For Fighting". Man kann sich nur allzu gut vorstellen, dass dieser Weg nach nirgendwo geführt hätte - aber Blackie ein zweites Mal die Kehrtwende machte und seit Unholy Terror zum schlechten Gewissen Amerikas geworden ist. Dass sein zweites großes Konzeptwerk The Neon God ungnädig aufgenommen wurde, hat er wohl bis heute nicht verwunden, was vielleicht seine unzulänglichen Live-Präsentationen erklärt - aber dass er es nach wie vor kann, zeigt ja gottlob Dominator.
So, was machen wir jetzt daraus? Ist doch klar: für alle, die wie ich die alten Scheiben nur auf Vinyl haben, lohnt sich die Anschaffung in jedem Fall, da man reichlich Futter für den CD-Player bekommt und dabei manche lange vergessene Perle wieder entdecken kann. Für andere, die Blackie erst neu auf dem Radar haben, kann es keine bessere Einführung geben. Aber dann Dominator nicht vergessen. Und The Crimson Idol auch noch besorgen.