Konzert-Bericht
Molly Hatchet & Van Wolfen
Hirsch, Nürnberg 10.12.2014
Wenn eine Southern-Rock-Ikone wie Molly Hatchet ein Konzert gibt, dann ist das schon eine Reise wert! Dank garstigem Nieselregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt ist die Fahrt auf der A9 in Richtung Nürnberg zwar alles andere als lustig an diesem Mittwochabend, aber schließlich ist der Hirsch erreicht, das erste Blonde geordert und man beginnt sich in der Runde umzusehen. Sehr gemischt ist die Audienz an diesem Abend und keinesfalls so uniform gekleidet, als wäre man beispielsweise auf einem Black-Metal-Konzert. Da stehen Leute in Alltagskleidung Seite an Seite mit Metalheads und Rockern in ihrer Clubmontur. Ein sehr abwechslungsreiches Bild also. Eines haben die meisten jedoch gemeinsam, sie sind ordentlich jenseits der 40.
Ehe die Jungs aus Jacksonville die Bude rocken, gilt es nun noch einen Support Act hinter sich zu bringen, was am heutigen Abend aber nur im positiven Sinne zu verstehen ist. Der Dreier Van Wolfen aus Hamburg / St. Pauli darf die Southern-Rock-Legende auf ihrer Tour begleiten und heizt die Stimmung im prall gefüllten Saal auch ordentlich an. Bandchef, Gitarrist und Sänger Micky Van Wolfen entpuppt sich als grandioser Bluesgitarrist und spielt sich in vollkommener Harmonie mit seinen beiden Kollegen - Evil Michi am E- und Kontrabass sowie Mark Gross in der Schießbude - schnell ins Herz der Audienz. Seine staubtrockenen Riffs haben eine ordentliche Schippe ZZ Top mit auf den Weg bekommen, wohingegen die - ungewohnt in diesem Genre - ausschließlich deutschen Liedtexte mit van Wolfens leicht nuschelndem Vortragsstil so ein bisschen was von Lindenberg haben. Dazu ist Evil Michi ein echter Hingucker, wenn er wie besessen in die Saiten seines Kontrabasses greift. Lauten Beifall gibt's für diese Darbietung ab der ersten Nummer und die Intensität dieses Zuspruchs schwillt mit jedem Titel weiter an. "Männerhass", "Dein Verstand Hat Große Ferien", "Freitag" oder "Schwarze Spinne" sind mitten aus dem Leben gegriffen und thematisieren Erfahrungen, die wohl jeder schon gemacht hat. In etwa 35 Minuten können die drei Originale, die auf schrullige Weise etwas Liebenswertes haben, definitiv einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und ernten dafür nicht nur tosenden Applaus sondern sogar noch ein paar Zugabe-Chöre!
Umbau. Noch schnell ein Blondes gezogen. Dunkel wird's, "Here I Go Again" kommt als Intro vom Band während sich die Herren auf der Bühne positionieren. Lichter an und ab geht die Post! In der Besetzung Bobby Ingram (Leadgitarre), Phil McCormack (Leadgesang), John Galvin (Keyboard), Tim Lindsey (Bassgitarre) und Shawn Beamer (Drums) fackelt die Southern-Rock-Maschine nicht lange und geht mit "Bounty Hunter" und einer Extra-Schippe Spaß am Spiel gleich ordentlich in die Vollen. Dass sich drei Fünftel der Truppe mit den Jahren eine ordentliche Wohlstandsplauze angetrunken hat, hindert die Akteure nicht an einer ausgesprochen agilen Performance. Insbesondere Wundergitarrist Bobby Ingram zieht alle Register in Sachen Posing und feuert ein Slideröhrchen nach dem anderen in die ersten Reihen, während Kollege Phil in feinster Metalmanier unentwegt die Hörner zeigt und ein "Hell-Yeah!" nach dem anderen von uns einfordert. Dieser dickbäuchige Hüne hat zweifelsfrei ein komisches Talent und man fragt sich, ob das nun gespielt ist oder ob sich der gute Mann während der letzten Jahre einfach nur den einen oder anderen Moonshine zu viel hinter die Binde gekippt hat. Sei's drum. Es funktioniert und das ist die Hauptsache! Auf "Gator Country" folgt eine kurze Ansprache von Herrn McCormack, der man schon entnehmen kann, dass nun der epische Teil des heutigen Konzertabends folgt. Episch? Und wie! Mit "Edge Of Sundown", "Fall Of The Peacemaker" und "Devil's Canyon" haben Molly Hatchet ein Hymnen-Triple im Gepäck, das sich gewaschen hat und im Saal für helle Begeisterung sorgt. Dann schlägt die Stunde für Trommler Shawn Beamer, dessen Solo seinen Mitstreitern eine kurze Verschnaufpause einräumt.
Wieder komplett am Start ist es mit "Beatin' The Odds" nun an der Zeit für einen der ganz großen Hatchet-Hits, der vom Publikum auch brav mitgesungen wird. Ein ausgiebiges Mundharmonikaspiel von McCormack, schließlich "One Man's Pleasure" und "Whiskey Man", ehe mit dem Evergreen "Dreams I'll Never See" aus der Feder von Gregg Allman ein weiterer Genre-Hit mit astreinem Synchron-Posing der Herren Ingram, McCormack und Lindsey auch optisch zelebriert wird. Die Südstaatler räumen vorerst das Feld, lassen sich aber nicht lange bitten und kehren für ihren ultimativen Klassiker "Flirtin' With Desaster" noch einmal zurück, zu dessen finalem XXL-Gitarrensolo sich der gute Bobby endgültig verausgabt.
Klasse! Einfach nur klasse! Aber mit 70 Minuten leider etwas kurz geraten ist der Gig, zumal Molly Hatchet über ein Repertoire an Hits verfügten, mit dem man locker leicht eine doppelte Spielzeit hätte füllen können. Dafür findet sich die komplette Truppe unmittelbar im Anschluss an ihrem Merchandise-Stand ein, sucht den Kontakt zu den Fans und signiert alles, was man ihnen entgegenreckt. Starallüren sucht man hier auch nach 30 Jahren im Geschäft und an der Spitze eines Genres vergeblich. Ein neues Studioalbum soll in der Mache sein - dann besteht ja auch durchaus Hoffnung, dass die sympathische Truppe nicht zum letzten Mal bei uns zu Gast war!