13 Headbänga online
Suche:
20.04.2024 Feuerschwanz
21.04.2024 1914
21.04.2024 Feuerschwanz
21.04.2024 Crypta
22.04.2024 Darius Rucker
23.04.2024 Marduk
Reviews (10417)
Navigation
Artikel des Tages
Review:
Ashura

Interview:
Obscurity

Live-Bericht:
Knorkator

Video:
Izegrim
RSS RSS
Atom Atom
 

Konzert-Bericht

Nightwish, Sonata Arctica & Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus

Zenith, München 23.10.2004

(Fotogalerie)

Aus Finnland kommt nicht nur die Sauna, sondern auch gute Rockmusik. Das hat sich rumgesprochen, kein Zweifel: Nightwish sind in. In Deutschland hat ihr aktuelles Album Once, das ja nicht gerade zu ihren kommerziellsten Werken zählt, gerade Platinstatus erreicht, also 200.000 Käufer gefunden. Auf der von ihnen mit begründeten Symphonic Metal Welle, in deren Kielwasser auch Within Temptation und Xandria fahren, schwimmen sie ganz oben - und das sollen sie auch, denn sie sind schlicht und ergreifend die besten ihres Fachs. Sogar bis in die RTL-Sonntagnachmittags-Kinderstunde Top Of The Pops haben sie es mit ihrer Single "Nemo" geschafft, und auch bei "The Dome" haben sie das Publikum erstaunt. Auf der Eintrittskarte haben sich denn auch Pro 7, Viva und WOM als Sponsoren verewigt, und das ist grundsätzlich gefährlich. Fragt sich also, ob sich Tarja und Co. in diesem Rummel ihre Qualitäten erhalten - aber das können wir heute Abend ja herausfinden.

Schon eine halbe Stunde vor Beginn ist das Zenith im Münchner Norden gut bevölkert. Die ehemalige Fabrikhalle, in der Nightwish schon Anfang 2003 auf der Century Child-Tour gastierten, versprüht wie immer den Charme eines Luftschutzbunkers. Das Zenith ist aber nun mal in München die so ziemlich geräumigste Arena unterhalb der Olympiahalle und trotzdem schon seit Wochen ausverkauft. Publikumsseitig kann man schon mal beruhigt sein: neben der versprengten gutbürgerlichen Familie (direkt hinter mir) finden sich hauptsächlich Leute, die offensichtlich nicht nur wegen einer Single hier sind, sondern durchaus wissen, was dargeboten wird.

Und das ist ein Dreierpack, der sich gewaschen hat: als Support bringen uns Nightwish nämlich nur Landsleute mit. Weil es in Finnland bekanntlich relativ lange ziemlich dunkel ist, kommt man wohl auf absonderliche Gedanken. Wie zum Beispiel die Anheizer Timo Rautianen & Trio Niskalaukaus, die neben ihrem absolut unaussprechlichen Namen (hat übrigens nix mit Nikolaus zu tun, sondern heißt so viel wie Genickschuss - auch nett) durchaus noch ein paar weitere Qualitäten haben. In Finnland konnte die Truppe schon Gold einheimsen, außerhalb der Heimat kennt sie wohl eher keiner. Musikalisch ist das Ganze irgendwo im Bereich Düsterrock mit viel Melodie angesiedelt, teilweise Black Sabbath-lastige Stampfrhythmen vermengt mit folkloristischen Einschlägen. Spannender ist aber eigentlich der stimmliche Teil. Erstens kann Cheffe und Oberglatzkopf Rautianen gar nicht mal so schlecht singen, und zweitens bringt der Finne den Großteil der Songs auf Deutsch (!). Das ist kein Zufall: mit den beiden Alben In Frostigen Tälern und Hartes Land hat die Band eine Auswahl ihrer Stücke bereits mit deutschen Texten herausgebracht. Mutig ist das allemal und verdient schon daher Respekt. Den bekommen die Jungs auch in Form von Achtungsklatschen. Für einen Song kommt sogar Nightwish-Meister Tuomas Holopainen höchstselbst auf die Bühne, aber so recht Stimmung will bei all der Düsternis trotzdem nicht aufkommen. Hut ab, aber als Opener nicht unbedingt geeignet.

Für diese Rolle sind Sonata Arctica schon eher dankbar. Die Power Metaller legen kräftig los und reißen die Menge mit ihren eingängigen Songs von Anfang an mit. Vor allem die virtuose Gitarrenarbeit von Flitzefinger Jani kann ein ums andere Mal begeistern - getragen von der präzise hämmernden Double Bass Drum, haut er uns Riffs und melodische Soli um die Ohren, die eine Herde lahmer Rentiere auf Trab bringen könnten. Auch Frontmann Tony Kakko (hallo, wäre hier nicht mal wirklich ein Künstlername angebracht?) zeigt sich gut aufgelegt und stimmlich in Form. In seinen Pyjama-Hosen (wahlweise auch als Tarnlook zu verstehen) feuert er die Menge mächtig an und verdingt sich erfolgreich als Animateur. Geboten wird ein Querschnitt aus dem Schaffen vom ersten Album Ecliptica bis hin zum neuen, mittlerweile vierten Werk Reckoning Night. Etliche Anwesende sind mit Songs wie "Victoria's Secret" ("It's time to advertise some women's lingerie", grinst Tony zur Ansage), "Broken" und "Replica" bestens vertraut, so dass die Stimmung im Verlauf des Gigs spürbar steigt. Herausragend kommt vor allem die neue Single "Don't Say A Word" rüber, die in der finnischen Heimat an die Spitze der Charts gestiegen ist - jedes Land hat halt doch die Hitparade, die es verdient. Nach der mit einer Stunde großzügig bemessenen Spielzeit verabschieden sich Sonata Arctica zu doch deutlich vernehmbaren "Zugabe"-Rufen. Aber das muss nicht sein, schließlich warten wir gespannt auf die Headliner. Nettes am Rande: mit freundlicher Empfehlung von Nuclear Blast gab's schon beim Einlass als Begrüßungsgeschenk eine Promo-Mini-CD mit einigen Songs vom neuen Sonata-Album. Gute Idee - hoffentlich verkauft ihr ein paar Scheiben mehr dadurch!

Der Zeiger rückt auf 22 Uhr, und nach einer etwas langen Umbaupause marschieren Nightwish endlich über den Laufsteg, der im Zenith rechts oben vom Backstage-Bereich auf die Bühne führt. Begeisterung schon jetzt allenthalben, die sich noch steigert, als das Licht ausgeht und endlich das Intro vom Band kommt. Zur Verzückung der Angereisten steigen Nightwish direkt mit "Dark Chest Of Wonders" vom neuen Album ein. Die Band wird sofort abgefeiert, die Positionen sind wie gewohnt: ganz links Mastermind Tuomas Holopainen an seinen Keyboards, der wie stets ein bißchen abwesend wirkt und sich nach wie vor mit Kirk Hammett um die Positionen des offiziellen Johnny Depp-Doppelgängers streitet. Daneben am Bass Rübezahl Marco Hietala, der mit Zöpfchen im Bart (fett Respekt) genüßlich in die Menge grinst, hinter der Schießbude Jukka Nevalainen mit seinem Piratenkopftuch (sieh her Axl, so wird es gemacht), und Saitenheld Emppu Vuorinen ganz rechts außen. Aber die stürmischsten Reaktionen erntet natürlich Primadonna Tarja Turunen, als sie mit ihrem schicken roten Kostüm (das aus dem "Nemo"-Video) auf die Bühne schwebt. Der Sound ist beim Opener noch etwas wacklig, aber das macht der erste massive Pyro-Effekt vergessen, der bereits ankündigt, dass es hier um einiges mehr für's Auge gibt als beim letzten Besuch: die Feuersäulen knallen nur so um die Wette.
Spätestens bei der zweiten Nummer "Planet Hell" (auch vom neuen Werk Once) ist der Sound dann hübsch hergerichtet. Und das ist auch gut so, denn Tarja zeigt sich stimmlich auf der sprichwörtlichen Höhe. Von der ersten Minute weg schraubt sie ihre Götterstimme in Regionen, die bei den Studiofassungen der Songs nicht zu erahnen sind, und zaubert mit dieser faszinierenden, jederzeit absolut treffsicheren Klangakrobatik einen Staune-Effekt nach dem anderen. Jetzt wird deutlich, warum alle Vergleiche zu Evanescence, die nur allzu häufig bemüht werden, so daneben greifen. Amy Lees Truppe bringt Popmusik mit ein bißchen schicker Stromgitarre dazu - das ist nett und nicht weiter zu beanstanden. Nightwish dagegen brettern Metal reinsten Wassers, gekrönt durch Tarjas Opernstimme. Sie sind die Erfinder und Perfektionisten des symphonischen Metal - alle anderen dürfen gerne mitspielen, aber Herr im Ring sind die Finnen.
Die Bühnenpräsenz teilen sich Tarja und Marco. Die Diva rockt ab, was das Zeug hält, schüttelt die pechschwarze Mähne, spielt Luftgitarre und hat Spaß an der Sache - allerdings nie, ohne die Contenance der feinen Dame zu verlieren. Sie mutet uns sogar ein paar Sätze auf Deutsch zu, gar nicht mal so schlecht. Für die härteren Töne ist allerdings Co-Sänger Marco zuständig, der den coolen Rocker gibt und uns die obligatorischen Schimpfwörter an den Kopf schmeißt, damit die Lady das nicht tun muss. Dieses Zusammenspiel wirkt auch bestens beim ersten wirklichen Highlight des Sets: in ihrer Version von "Phantom Of The Opera" wird aus dem klebrigen Musical-Zuckerguss der Marke Andrew Lloyd-Webber ein wahrlich düsteres Duett zwischen Schönheit und Untier. Wunderbar.
Danach informiert uns Marco, dass Tarja aufgrund der schweren Arbeit nun eine Pause braucht, was ja nicht schlimm ist, weil sie sich dann bekanntlich umzieht. ;-)
Jetzt trennen sich im Publikum deutlich die Kundigen von den Mitgehern: zur Überbrückung gibt's wie üblich ein Cover, dieses Mal kommt Megadeth mit "Symphony Of Destruction" zum Zuge. Wie immer haben die Jungs jede Menge Freude dran, Marco singt den Song um einiges besser als Herr Mustaine, und vor allem Emppu hängt sich mit fliegender Mähne voll rein. Selbst die Keyboard-Einsprengsel von Tuomas passen wie angegossen. Wie schon im letzten Jahr, als sie uns Dios "Don't Talk To Strangers" darboten, sind die Metalheads begeistert, während die anderen ein bisschen leer schauen. Macht nix.
Auf zur zweiten Runde, Tarja ist wieder da (anderes Kostüm, auch rot, auch hübsch). Jetzt hagelt es Hits am Fließband. "Bless The Child" wird von den Fans begeistert mitgesungen, "The Kinslayer" verfehlt mit seinem treibenden Stakkato-Rhythmus einmal mehr nicht seine Wirkung als Live-Knaller. Alles wohlgemerkt untermalt von einer Pyro-Show, die auch von Kiss ausgeliehen sein könnte - klanglicher und optischer Bombast passen in jeder Sekunde bestens zusammen. Bei "Wishmaster" fliegen die hochgereckten Hände brav im Rhythmus mit, und auch ein Schätzchen wie "Sleeping Sun" begrüßt die Menge mit Wohlwollen. Dieser älteste Song des Abends geht nahtlos über in die Metallica-mäßigen Riffwände von "Slaying The Dreamer", bevor Tuomas nun endlich auf seinem Pianokeyboard die ersten Töne von "Nemo" klimpert. Erwartungsgemäß erreicht die Stimmung jetzt den Höhepunkt, und das nutzt die Band auch optisch aus: passend zum Refrain ("How I wish for soothing rain") ergießt sich plötzlich eine echte Regenwand zwischen Bühne und Publikum, von den Spots stimmungsvoll erleuchtet. Toller Effekt, selten so was gesehen.
Nach dem standesgemäßen Abfeiern der Hit-Single (die Tuomas für den schwächsten Song des neuen Albums hält, das nur nebenbei), gibt's erst mal eine kurze Pause, aber Nightwish kommen natürlich noch mal zurück. Zuerst zeigt uns Tarja, dass sie auch im langen Rock eine gute Figur macht. Dann steht das vertrackte und mit zehn Minuten sehr lange "Ghost Love Score" auf dem Programm, aber dank der mitreißenden Umsetzung (wieder mit der Regenwand, war wohl noch Wasser übrig) kommt weiter Freude auf, obwohl doch einige auf "Over The Hills And Far Away" gewartet hatten. In einem überschwänglichen Konfetti-Schauer geht auch dieser Song schließlich zu Ende. Als krönenden Abschluss kündigt uns Marco dann noch an, dass er persönlich eigentlich keinen Engel nötig hat, während Tuomas - irgendwie mittlerweile völlig unbeteiligt - mit einem Schlapphut hinter den Keyboards steht. Wurscht, denn der Rausschmeißer "I Wish I Had An Angel" gerät durch stampfende Drums und göttlichen Gesang nochmals zum rauschenden Fest.
Dann ist Schluss, und die Frage, ob Nightwish ihre Popularität etwa nicht vertragen, hat sich längst in Luft aufgelöst. Wenn man überhaupt Kritik anbringen möchte, dann vielleicht nur zwei Dinge. Erstens sind exakt 90 Minuten bei einem solchen Fundus und einer Band in solcher Top-Form zu schmal. Dann lieber eine Vorgruppe weniger. Und zweitens war Tuomas gegen Ende in Gedanken wohl schon wieder zu Hause in Finnland. Aber das ist weniger schlimm, immerhin gab's am Ende noch Tarja ohne Jäckchen zu sehen. Und das ist ja auch was.

Setlist Nightwish:
Dark Chest Of Wonders
Planet Hell
Deep Silent Complete
Everdream
Phantom Of The Opera
Symphony Of Destruction (Megadeth-Cover)
Bless The Child
The Kinslayer
Wishmaster
Sleeping Sun
Slaying The Dreamer
Nemo
---
Ghost Love Score
I Wish I Had An Angel

Holgi

Zur Übersicht
Zur Hauptseite


© www.heavyhardes.de