Interview
Interview mit Berkowitz (01.10.2012)
Für Freunde der gröberen Marschrichtung, bei der jedoch auch die Melodie nie zu kurz kommt, könnte das Black-/ Death-Metal-Projekt Berkowitz mit dem Zweitwerk Sent To Dominate eine interessante Anlaufstelle sein. Im Interview mit Mastermind Unas kristallisiert sich schnell heraus, dass es sich durchaus lohnt, bei dieser Formation ein wenig genauer hinzusehen. Denn hinter der plakativen Fassade stößt man auf mehr Tiefgründigkeit, als man zunächst erwarten würde...
HH: Hi Unas, viele Grüße aus der fränkischen Heimat in die Landeshauptstadt! Vor einigen Tagen ging dein zweites Album Sent To Dominate an den Start, doch bevor wir uns damit beschäftigen vielleicht einiges zu deinem Projekt. Zuerst fällt einem ja der unkonventionelle Name auf. Im Internet findet man zwei komplett unterschiedliche Persönlichkeiten namens Berkowitz - ein Opfer und einen Täter. Hast du dich an einer von beiden Personen orientiert oder spielst du gerade mit der Ambivalenz dieses Namens? Oder gibt es einen völlig anderen Hintergrund?
Unas: Hej und Grüße zurück! Die meisten Schreiberlinge gehen bei dem Namen Berkowitz ohne Zögern davon aus, dass er sich auf den amerikanischen Serienmörder bezieht. Aber im Ernst: wie lahm wäre das denn bitte? Das war vielleicht in den Achtzigern noch cool, aber seit dem Death- und Black-Metal-Boom in den Neunzigern gibt es Hunderte von Bands mit solchen vermeintlich fiesen und furchteinflößenden Namen. Ich wollte einen Namen, der möglichst unterschiedliche Assoziationen hervorruft. Einen, der weder "gut" noch "böse" ist - die Welt ist ja auch nicht nur einfach schwarz und weiß. Das geht am besten mit einem Familiennamen, den möglichst verschiedene Menschen getragen haben.
HH: Was war für dich der entscheidende Impuls Musik zu machen und sie in die Öffentlichkeit zu tragen?
Unas: Ich spiele seit acht Jahren Schlagzeug und habe irgendwann zwischen damals und jetzt angefangen selbst Musik zu schreiben, während ich parallel eigentlich ständig in irgendwelchen Bands gespielt habe. Meine erste Band ist aus einer Scherzidee mit ein paar metalbegeisterten Freunden hervorgegangen. Eigentlich beherrschte keiner sein Instrument richtig, aber wir wollten halt Musik machen. Eine halbwegs demokratische Band bringt jedoch immer Kompromisse mit sich, während ein Soloprojekt absolute musikalische Freiheit ermöglicht. Ich wollte meine eigenen Ideen auch mal umsetzen, ohne dass sie von einem Bandkollegen in der Luft zerrissen werden, was dann schließlich zu Berkowitz geführt hat. Beides hat seine Vorteile und ich möchte weder das eine noch das andere missen.
HH: Du spielst eine ziemlich deftige Mixtur in der Grauzone aus Death und Black Metal. Gibt es da einige Idole, denen du nacheiferst bzw. die einen bleibenden Eindruck bei dir hinterlassen haben?
Unas: Jeder hat seine Idole, klar, das ist bei mir auch nicht anders. Slayer haben mich zur dieser Art von Musik gebracht; Marduk und Belphegor haben mir vorgespielt, was ein Blastbeat ist und Napalm Death und Terrorizer haben mir vorgemacht, dass man seine Meinung zu gesellschaftlichen und politischen Themen sehr gut in aggressive Songs packen kann. Ich könnte jetzt aber auf keine Band zeigen und sagen "genau so will ich auch klingen".
HH: O.k., nun zum aktuellen Werk. In der Presseinformation wurde darauf verwiesen, dass das Album ganz bewusst am 11. September, dem Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center, veröffentlicht wird. Dann noch ein aggressiv klingender Titel der Marke Sent To Dominate - damit könnte man, denke ich, manch einen gewaltig vor den Kopf stoßen. Welche Absichten bzw. Zusammenhänge stecken denn hinter Album Titel, Veröffentlichungsdatums und schließlich dem lyrischen Gehalt deiner Songs?
Unas: In der Tat hat das Album wohl einigen Leuten vor den Kopf gestoßen. Erst wollte das Presswerk die Scheibe wegen angeblich bedenklicher Inhalte nicht fertig produzieren, dann hat YouTube das Teaservideo wegen ihrer Richtlinien zu Gewalt gesperrt (man kann es aber mittlerweile auf Dailymotion.com wieder anschauen). Ich meine - geht's noch? Das Video gibt gerade mal einen Bruchteil des Unrechts seit einschließlich 9/11 wieder und zeigt Bilder, die tausendfach um die Welt gegangen sind. Sollen die Nachrichten lieber auch zensiert werden, weil das für unsere armen Mitbürger zu viel Gewalt sein könnte? Ein bisschen lachen muss ich darüber aber schon, da die Reaktionen genau das widerspiegeln, was das Album kritisiert.
Der Titel "Sent To Dominate" ist eine Zeile aus "Paveway To The Gods", welches euphemistisch ausgedrückt von Kollateralschäden bei den Auslandseinsätzen des US-Militärs erzählt. Gleichzeitig ist auf dem Cover aber die Szene von 1989 auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking zu sehen, als sich ein einzelner Mann einer Panzerkolonne der Regierung in den Weg stellte. Der Titel bezieht sich also universal auf jede Art von Unterdrückung und Gewalt gegen das einfache Volk und zieht sich wie ein roter Faden durch die Songs. Die Titelphrase wird auf der Rückseite des Booklets mit den Worten "Send Them Back To Hell" abgeschlossen und ergibt somit die Kernaussage des Albums.
HH: Gehen wir noch etwas weiter in die Tiefe, wenn es dir recht ist. Womit befassen sich beispielsweise die Songs "Zehntausenddreihundertfünfzehn" oder "Second Class Human Being"?
Unas: Der erste Song handelt von der innerdeutschen Teilung. Ich bin kurz vor dem Mauerfall in der damaligen DDR geboren - habe also selber keine Erinnerungen an diese Zeit. Allerdings sehe ich noch heute die Folgen dieser Zeit an den Menschen und frage mich, wie lange es noch dauert, bis man im ehemaligen Westdeutschland nicht mehr von den "doofen Ossis" und im Ostteil nicht mehr von "Besserwessis" spricht. Im Text werden die beiden deutschen Staaten als Brüder personifiziert, die erst auseinandergerissen werden und sich dann nach Jahren wieder die Hand schütteln dürfen und feststellen müssen, wie fremd sie sich einander geworden sind. Wer übrigens von allein darauf kommt, was es mit dem Songtitel auf sich hat, verdient Respekt, haha.
"Second Class Human Being" erzählt aus der Perspektive des Betroffenen von dem Druck, sich an das gängige gesellschaftliche Ideal anzupassen. Durch Einflüsse von außen sieht sich der Protagonist selbst als minderwertig an, als Mensch zweiter Klasse. Solche angelernten Komplexe gibt es öfter als man meinen möchte und sie gehen oft tragisch aus.
HH: Mit "FrÃ¥n Helvetet", also "Aus Der Hölle" befindet sich auch ein schwedischer Titel in der Songliste. Das Instrumentalstück, das sich dahinter verbirgt, zählt für mich zu den Highlights des Albums. Aber warum ist der Titel in Schwedisch?
Unas: Dieser Song ist das wohl persönlichste Stück auf dem Album und ist der einzige Hoffnungsschimmer zwischen all der Negativität. Ein Instrumentalstück zu benennen ist nicht gerade einfach und so bekam "FrÃ¥n Helvetet" seinen Namen auch erst nach der Fertigstellung des Albums, als ich gerade in Schweden gelebt habe.
HH: Wie würden denn deine eigenen Anspieltipps für Sent To Dominate lauten? Gibt es irgendwelche Songs, auf die du besonders stolz bist?
Unas: Das wechselt eigentlich jedes Mal, wenn ich mir das Album anhöre. Jeder Song hat seinen eigenen Charakter und das ist meiner Meinung nach auch die Stärke der Scheibe.
HH: Was mir an dem Album richtig gut gefällt, ist dieser morbide Klang. Das ist weder der typische Black-Metal-Underground-Brei, noch eine klinisch-perfekte Überproduktion und das verleiht den Songs ein ordentliches Maß an Individualität. Wie hast du das so hinbekommen?
Unas: Vielen Dank! Ehrlich gesagt bin ich nicht besonders gut, wenn es ums Mischen usw. geht. Ich habe einfach versucht, die Scheibe so gut wie möglich klingen zu lassen und dann nach dem Trial-and-Error-Prinzip so lang herumprobiert, bis ich den Sound in Ordnung fand.
HH: Obwohl du, wie schon gesagt, das Meiste selbst in die Hand nimmst, hat N.K. von Der Weg Einer Freiheit die Gitarren und den Bass eingespielt. Woher kennt ihr euch denn?
Unas: Nikita und ich kennen uns noch aus meiner Studienzeit in Würzburg und sind durch unsere Musikbegeisterung in Kontakt gekommen. Die Szene in Würzburg ist recht überschaubar und da läuft man sich dann öfter mal über den Weg und unterstützt sich gegenseitig. Von mir stammt zum Beispiel auch das Logo von Der Weg Einer Freiheit.
HH: Kannst du jetzt schon sagen, ob es bei dieser Zusammenarbeit bleiben wird?
Unas: Nikita hat jetzt zwei Scheiben wacker eingezockt und es ist eigentlich auch genügend Material für eine dritte CD fertig geschrieben. Dennoch sieht es momentan eher danach aus, Berkowitz in Zukunft in etwas anderer Form weiterzuführen. Aber da ist vieles noch nicht spruchreif, wir werden sehen.
HH: Gibt es denn in dieser Konstellation denn überhaupt eine Chance, Berkowitz auch live auf die Bühne zu bringen?
Unas: Vermutlich nicht, haha. Ich ziehe in Berlin gerade mit ein paar Jungs eine neue Band auf, von der in Zukunft dann eher mal Liveaktivitäten zu erwarten sind.
HH: Ich denke, wir haben nun ein wenig Licht ins Dunkel rund um Berkowitz gebracht und können allmählich zum Ende kommen. Hast du dir mit diesem Projekt denn irgendwelche Ziele gesteckt? Gibt es irgendetwas, das du ganz gerne mit deiner Musik erreichen würdest?
Unas: Musikalisch gesehen existiert Berkowitz um der Musik willen, Ziele gibt es da keine. Von der inhaltlichen Seite her würde es mich natürlich wahnsinnig freuen, wenn meine Texte ein paar Leute dazu bringen, sich mehr mit dem Weltgeschehen zu befassen und sich eine eigene Meinung zu solchen Dingen zu bilden.
HH: Ich wünsche weiterhin alles Gute und sage Danke für das Interview! Falls du noch eine letzte Botschaft an unsere Leser hast, kannst du sie hier gerne loswerden. Und vielleicht hab ich ja auch eine Frage vergessen, die du gerne gehört hättest. Also wenn dir noch was auf dem Herzen liegt, dann raus damit...
Unas: Danke ebenso, dass du dir Zeit genommen hast! Wenn bei interessierten Lesern noch Fragen auftauchen, beantworte ich diese gern per Mail oder auf Facebook.