Konzert-Bericht
Deicide, Visceral Bleeding, Wykked Wytch & Prostitute Disfigurement
Backstage, München 06.11.2005
Sonntagabend. Scheiß Wetter. Nix Gescheites in der Glotze. Deicide im Backstage. Und trotzdem nur 115 Leute? Ziemlich wenig für eine Band von diesem Format. So wurden auch meine anfänglichen Bedenken beim Veranstaltungsort (kleine Backstage-Halle) relativ schnell weggeblasen und ich konnte einen unterhaltsamen Death Metal Abend genießen.
Den Anfang machten gegen halb neun die bekloppten Tulpenschnüffler von Prostitute Disfigurement, für die es die erste große Tournee der Bandgeschichte war. Die haben ja erst kürzlich ihr neues Album Left In Grisly Fashion ausgedünstet und machten gleich mal fleißig Werbung dafür; der Großteil der Setlist bestand aus neuen Songs. Der typisch holländische Brutal Death der Fünf lockte mit geilem Geballer und nettem Frognoise verpackt in einem fetten Soundgewand die ersten paar Banger aus der Reserve, die sich quietschvergnügt durch die dreißig Minuten Spielzeit pflügten. Songs wie "She's Not Coming Home Tonight" oder "Freaking On The Mutilated" ziehen halt ordentlich im Schritt. Optisches Highlight des Auftritts waren sicherlich die unverschämt langen Haare des Mannes am Bass, mit denen er fleißig den Boden vor seinen Zehen sauberhielt. Ein paar neue Freunde werden sich Prostitute Disfigurement an diesem Abend jedenfalls gemacht haben. Wäre ihnen jedenfalls zu gönnen.
Daraufhin betraten Wykked Wytch die Bühne, spielten los und lösten eine Massenflucht aus. Wer auch immer sich diesen grottigen CoF-Klon als Support für eine Death Metal-Tour überlegt hat, hat kaiserlich ins Braune gegriffen. Ganz, ganz miese Nummer. Über Einzelheiten hülle ich jetzt mal das Mäntelchen des Schweigens. Ein paar (ca. vier oder fünf) ganz Wilden hat die Chose wohl gefallen, weswegen es auch zwischen den Liedern (ziemlich zurückhaltenden) Jubel gab. Ansonsten: Totalausfall.
Visceral Bleeding erging es wenig später zumindest von den Zuschauerreaktionen her nicht großartig anders. Obwohl so manche sie noch von der letztjährigen Tour mit Obituary her kennen müssten, konnten die Schweden zumindest zu Beginn mit ihrem technischen Death Metal ganz gewaltig amerikanischer Prägung nicht allzuviele Leute zum mitmachen bewegen. Irgendwo schon einleuchtend, denn Visceral Bleeding sind alles, bloss nicht catchy. Ohne vorherige Kenntnis der Songs geht man in ihrem Sound relativ gnadenlos unter. Davon ließen sich die Jungs aber nicht beirren und zockten ihr dreiviertelstündiges Set, das sich ausgeglichen bei ihren beiden Alben Remnants Of Deprivation (inziwschen unter dem Titel Remnants Revived neu aufgelegt) und Transcend Into Ferocity bediente, verdammt tight und sehr versiert runter und ernteten auch zunehmend mehr Applaus und Jubel dafür. Die ganz billigen Bauernfängernummern ala "Let's hear it for Deicide!" oder "Are there any sick fucks in Munich?" hätte sich der Sänger ernsthaft sparen können. Nicht nur, dass die Mucke für sich selbst spricht, sondern auch, dass diese Sprüche so gut wie gar keinen auch nur zum Husten gebracht haben.
Eigentlich war es sowieso den ganzen Abend lang schon klar, dass alle nur wegen Deicide gekommen waren. Manche hatten sich aber auch die Anreise gespart, weil mit dem Ausstieg bzw. Rauswurf des Hoffman-Gitarristengespanns für sie das Schicksal der seit Anbeginn der Zeit im selben Lineup agierenden Death Metal Legende besiegelt war. Das interessierte das anwesende Publikum aber herzlich wenig und so kam es, dass mit den ersten Tönen des Openers "Scars of the Crucifix" zum ersten Mal an diesem Abend richtig Bewegung ins Backstage kam. Fliegende Haare überall, ein kleiner Moshpit und ab und zu sogar ein Stagediver - der von einem Bühnensecurity in der Größe eines Kleintransporters fachgerecht wieder ins Publikum entsorgt wurde - waren zu entdecken. Zwar war der Ton während der ersten paar Minuten verdammt matschig; dieses Manko wurde aber recht schnell behoben und der Brei wich einem ausgeglichenem und klaren, aber dennoch mit amtlich Rumms versehenem Sound. Glen Benton schien sehr routiniert (um nicht zu sagen gelangweilt) und kommunizerte nicht mehr als nötig, sprich nur über Songtitel, mit der vor seinen Augen rumwirbelnden Menge. Eine der wenigen Ausnahmen bildete die Vorstellung seiner neuen Gitarristen: Ex-Cannibal Corpse-Klampfer Jack Owen, dessen endgültiger und ultimativer Rückzug aus dem Death Metal offenbar nur wenige Monate gedauert hat, und Ex-Death-Tourgitarrist Ralph Santolla, den Bentan als "Guitar Teacher of Brian Hoffman" vorstellte. So ganz scheinen die Wogen also doch noch nicht geglättet zu sein. Jedoch erledigten die zwei Neuen ihren Job während der knappen Stunde, während der man sich vor allem auf Material aus früheren Tagen (vier Songs allein vom Debut) konzentrierte, einwandfrei und so dürfte jeder der 115 Besucher zufrieden nach Hause gegangen sein. Ich für meinen Teil schon.
Erinc