Review
Sonata Arctica - Reckoning Night
VÖ: 11. Oktober 2004
Zeit: 55:28
Label: Nuclear Blast
Homepage: www.sonataarctica.info
Eines gleich mal vorweg: Wer Sonata Arctica schon kennt und nicht mag, wird sie nach Genuss dieses Albums auch nicht mögen. Denn die jungen Finnen sind sich absolut treu geblieben: Sie haben ein Melodic Power Metal Album abgeliefert, das zu 100% Sonata Arctica ist und gleichzeitig die Band einen Schritt nach vorne bringt. Reckoning Night ist kein Abklatsch des Hammeralbums Winterheart's Guild vom letzten Jahr, sondern ein eigenständiges Album mit eigenem Charakter und eigener Seele.
Los geht's mit einem absoluten Traumstart in Form des Speeders "Misplaced", der dem Hörer gleich mal eine mächtige Keule vor den Latz knallt. Ein absolut typischer Sonata-Song. Schon hier finden sich die genialen Zwischenteile, die Reckoning Night auszeichnen. Hauptsongwriter, Sänger und Mastermind Tony Kakko hat das Arrangement der Songs noch einen guten Teil orchestraler, bombastischer und verspielter gestaltet als es auf Winterheart's Guild eh schon war. Der zweite Song "Blinded No More" wartet mit einem der schönsten Refrains auf, die mir in letzter Zeit untergekommen sind. Mit "Ain't Your Fairytale" liefert Tony den Wolf-Song dieses Albums ab - schon mal aufgefallen, dass sich auf jedem Sonata-Album ein Song findet, der von Wölfen handelt? Dem Thema angemessen natürlich ein Lied mit Tempo und Durchschlagskraft. Das darauf folgende "Reckoning Day, Reckoning Night" ist ein kurzes symphonisches Instrumental, das sich wie ein Stück Filmsoundtrack anhört. In diesem Bereich könnte Tony glatt eine Zweitkarriere starten.
Es folgt das von der Singleauskopplung bekannte, bärenstarke "Don't Say A Word". Ein heißer Anwärter auf den Titel "Bestes Stück" auf dem Album. Sehr hymnisch mit einem absolut geilen Refrain, der einen schier nicht mehr loslässt. Sehr interessant ist das folgende Stück "The Boy Who Wanted To Be A Real Puppet". Dieses Lied folgt nämlich nicht dem typischen Aufbau eines Metalsongs, sondern besteht aus scheinbar wahllos aneinandergereihten Teilen. Es lassen sich keine Strophen, Bridges oder ein Refrain ausmachen. Kein einfacher Song, aber ziemlich fesselnd. "My Selene", als einziger Track auf dem Album nicht von Tony, sondern von Gitarrist Jani geschrieben, erinnert an gute alte Sonata-Zeiten. Schön, aber nicht so zwingend wie die anderen Songs. Auch wird hier eine nicht ganz so düstere Geschichte erzählt. Die Texte von Reckoning Night haben's nämlich in sich: Jedes Lied erzählt eine Geschichte, und diese strotzen nur so von schlimmen Ereignissen und dunklen Gefühlen. Am augenfälligsten ist dies bei "Don't Say A Word", das aus der Sicht eines Mannes erzählt, der seine Geliebte, die ihn nur mies behandelt und ausgenutzt hat, im Laufe einer Nacht quält und schließlich umbringt.
"Wildfire", Song Nummer acht, gefällt mir nicht ganz so gut, weil Tony da mit schreienden Melodielinien experimentiert. Diese wollen meiner Meinung nach nicht so recht zu Sonatas Sound passen und taugen mir daher nicht. Dafür entschädigt dann "White Pearl, Black Ocean", ein Epos von mehr als acht Minuten Länge, das zu keiner Sekunde langweilig wird. Wie auch, mit diesen Chören, diesen Melodien! Den leisen Abschluss bildet dann das romantische "Shamandalie".
Insgesamt ein nicht sofort eingängiges Album, das aber auf jeden Fall jede Minute wert ist, die man sich in die Lieder und die Texte versenkt und ein mehr als würdiger Nachfolger von Winterheart's Guild. Gibt's übrigens - wir sind ja bei Nuclear Blast - auch in der auf 1000 Stück limitierten Seesack-Edition mit T-Shirt!